Hessens Polizeiskandal gibt Hinweise auf ein Netzwerk
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Der Journalist Pitt von Bebenburg sieht Versäumnisse in der hessischen Landespolitik bei der Aufklärung des Polizeiskandals. Zugleich warnt er davor, die Affäre um rechtsextreme Drohmails allein als hessisches Problem zu betrachten.
Erst NSU-Opferanwältin Seda Başay-Yıldız, dann die Linken-Fraktionschefin im hessischen Landtag, Janine Wissler und jetzt die Kabarettistin Idil Baydar: Mindestens drei Frauen sind mit rechtsextremen Schreiben bedroht worden, die mit "NSU 2.0" unterzeichnet waren. An die persönlichen Daten der Frauen kamen die Täter offenbar über Computer der hessischen Polizei.
Als Konsequenz aus der Affäre trat am Dienstag der hessische Polizeichef Udo Münch zurück. Aufgedeckt wurde der Skandal unter anderem durch Recherchen der "Frankfurter Rundschau". Deren Hessen-Korrespondent Pitt von Bebenburg sieht den Münch-Rücktritt nur als "Zwischenschritt" bei der Aufklärung des Skandals. Bisher seien die Fälle sowohl von der Politik als von der Polizei zu nachlässig behandelt worden, sagt er. So sei zwei Jahre lang - nach den Drohbriefen gegen Seda Başay-Yıldız - nicht viel passiert.
Kein reines "Hessen-Problem"
"Das Einzige, was jetzt passiert, wenn man den Polizeirechner anmacht, ist ein Hinweis: Achtung, Sie dürfen das nur für dienstliche Zwecke nutzen, sonst könnte es für Sie Konsequenzen haben. Und davon lässt sich natürlich kein Täter abschrecken."
Obwohl mit dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, den Schüssen auf einen Eritreer in Wächtersbach und dem Anschlag von Hanau rechtsterroristische Akte in Hessen gehäuft auftreten, warnt von Bebenburg davor, die Sache zu einem reinen "Hessen-Problem" zu erklären. So pflege die nordhessische Neonazi-Szene Kontakte nach Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Auch bei den Drohschreiben deuteten sich Verbindungen an, die über Hessen hinausgingen - etwa nach Berlin. "Ich glaube, das ist ein Netzwerk, das bundesweit agiert."
(uko)