Nationalisten mit wenig Rückhalt
Russlands Präsident Putin spricht vom "Kampf gegen Nationalisten und Faschisten" in der Ostukraine. Dabei ist der Einfluss von Rechtsextremisten in Wirklichkeit sehr gering - mit einer Ausnahme.
Russische Medien stellten die Demokratie-Bewegung in der Ukraine von Anfang an als extrem nationalistisch oder sogar faschistisch dar. Als Beweis dienten ihnen schon die Sprechchöre der Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz Maidan in Kiew. Deren zentrale Losung "Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden" stammt nämlich aus der Bewegung der ukrainischen Nationalisten in den 1920er-Jahren. Ein Teil von ihnen schloss sich im Zweiten Weltkrieg vorübergehend der Wehrmacht an.
Doch mit der antisemitischen oder allgemein rassistischen Strömung unter den Nationalisten identifizierten sich nur die allerwenigsten Teilnehmer der Maidan-Bewegung. Nur so ist es zu erklären, dass auch die meisten jüdischen Gemeinden in Kiew die Proteste unterstützten, sagt der Kiewer Historiker Vitalij Nachmanowitsch, der jüdische Wurzeln hat.
"Den Demonstranten ging es um die Unabhängigkeit ihres Landes, nicht um die Ausgrenzung von Mitbürgern. Hinter dem Rücken des damaligen Präsidenten Janukowytsch stand Russland, das die Ukraine weiter dominieren wollte. Wenn Janukowytsch zu Gesprächen mit Putin fuhr, dann musste man befürchten, dass er um militärische Unterstützung bat."
Ohne Chancen bei der Parlamentswahl
Schon bei der Präsidentenwahl im Mai 2014 zeigte sich, wie wenig Rückhalt Nationalisten in der Bevölkerung haben. Die Kandidaten Dmytro Jarosch vom Rechten Sektor und Oleh Tjahnybok von der Freiheitspartei erhielten zusammen keine zwei Prozent der Stimmen. Ähnlich das Bild bei der Parlamentswahl im Oktober vergangenen Jahres. Weder der Rechte Sektor noch die Freiheitspartei übersprangen die Fünf-Prozent-Hürde.
Dennoch stellte der russische Präsident die politische Situation in der Ukraine in der vergangenen Woche so dar:
"Die Menschen in der Ukraine hatten genug von Armut, Elend, von Lüge und Korruption. Dem haben sich die Nationalisten bedient, das gab es bei uns auch in den 1990er-Jahren. Und diese nationalistischen Elemente haben die Ukraine in die Situation gebracht, in der sie heute ist. In der Ukraine ist ein extremer Nationalismus hochgekommen, den wir nicht hinnehmen können."
Putins Hauptargument für diese Behauptung: Die Rechte der russischsprachigen Ukrainer würden missachtet. Tatsächlich hat die russische Sprache in der Ukraine keinen offiziellen Status, den hatte sie aber seit der Unabhängigkeitserklärung 1991 nicht. Sie wird einfach von der Mehrheit der Ukrainer in der Ostukraine und sogar in Kiew gesprochen. In der Folge dominiert die russische Sprache in der gesamten Ukraine den Buch- und den Zeitungsmarkt. Das ist auch nach Revolution weiterhin der Fall. Und Eltern können ihre Kinder nach wie vor in russischsprachige Schulen geben.
Rechtsextreme im Parlament
Die Rechte der russischsprachigen Ukrainer haben sich also nicht verändert. Das bedeutet allerdings nicht, dass extreme Nationalisten keinerlei Einfluss hätten. Über die Direktmandate kamen im Oktober doch einige von ihnen ins Parlament, darunter Andrij Biletzkij. Der Kommandant des Freiwilligenbataillons Azow ist Chef der "Sozial-Nationalen Vereinigung". Diese Organisation propagiert Rasse-Reinheit und heidnische Religionskulte.
Der bisher spektakulärste Erfolg der Rechtsextremen: Wadim Trojan, einst Vize-Kommandant des Azow-Bataillons, wurde Polizeichef im Bezirk Kiew. Innenminister Arsenij Awakow begründete das so:
"Patrioten wie Andrij Biletzkij haben im Kampf gezeigt, dass sie dem Land dienen wollen. Ich bin überzeugt, gemeinsam mit erfahrenen Spezialisten werden sie eine neue Qualität in die Polizeiarbeit bringen."
Bei Bürgerrechtsorganisationen stieß diese Personalentscheidung jedoch auf scharfe Kritik, darunter bei Amnesty International. Beobachter warnen, dass die Ukraine die Rechtsextremen, die in einigen Freiwilligenbataillonen auf den Schlachtfeldern im Osten des Landes aktiv sind, nicht unterschätzen und nicht salonfähig machen dürfe.