Hunderte auf rechtsextremem Kampfsportturnier
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Rechter Haken
Immer offener zeigen Rechtsextreme ihre Liebe für den Kampfsport. Sie laden zu Großveranstaltungen ein und prahlen damit, Sportvereine zu übernehmen. Eine Gefahr, denn so trainieren sie auch, um politische Gegner und Geflüchtete anzugreifen.
Die Musik ist martialisch, die Bilder passen dazu: Kämpfer mit nacktem Oberkörper, manche voller Tattoos, schlagen, boxen und treten aufeinander ein. Auch wenn der Gegner schon am Boden liegt. Das Video wirbt für den sogenannten Kampf der Nibelungen, eine rechtsextreme Kampfsportveranstaltung in Ostritz in Sachsen. 700 Zuschauer kamen in diesem Jahr dorthin.
Kampfsport und rechte Szene, das ist nichts Neues, sagt Jan König vom Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg. Schon in den Siebzigerjahren gab es sogenannte Wehrsportgruppen und -trainings. Doch etwas ist neu. "Was man da jetzt in letzter Zeit gesehen hat, ist eine stärkere Professionalisierung, dass man eigene Events organisiert, wo es auch sehr viel offener geworden ist."
König registriert die Veränderungen in der Szene, um mit Projekten in Schulen, Gemeinden und Vereinen gegensteuern zu können. Auf dem Werbevideo für die rechtsextreme Kampfportveranstaltung in Sachsen beispielsweise taucht auch das Signet des russischen Labels White Rex auf, Weißer König. Der Name ist Programm.
"Dessen Labelbetreiber hat Kontakte zu rechtsextremen Kameradschaften in Rostock. Der war in den letzten zwei Jahren mindestens zwei Mal zu entsprechenden Kampfsportveranstaltungen hier. Die liefen konspirativ ab. Einmal hat man sich eine Turnhalle gemietet von einer Grundschule, einmal war es ein rechtsextremer Veranstaltungsort hier in Nordwest-Mecklenburg, wo es entsprechende Kampfsporttrainings gab. Und es ist auch zu beobachten, dass Leute, die dort diese Trainings erfahren haben, jetzt selber weitergehen und anderen Neonazis diese Trainingssachen weitergeben."
Rekrutierung von Jugendlichen über den Kampfsport-Trend
Kampfsport ist für Jugendliche attraktiv. Besonders MMA liegt im Trend - Mixed Martial Arts, eine besonders harte Kombination aus verschiedenen Kampfsportarten. Tausende betreiben sie - nur die wenigsten von ihnen sind rechtsextrem. Doch über Kampfsport und die entsprechenden Labels und Bekleidungscodes versucht die rechte Szene, junge Leute zu rekrutieren. Genau dort setzen die Mitarbeiter vom Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg an: Trainer, Lehrer, Vereine und die Jugendlichen selbst sollen erkennen, welche Ideologie hinter der angesagten Jacke und dem coolen Spruch steckt. Auch Betreiber von Turnhallen oder Sportstudios sollten genau hinschauen: Wer mietet sich gerade die Turnhalle oder das Fitness-Studio?
"Kampfsport per sé und auch Mixed Martial Arts würde ich nicht grundsätzlich in ein rechtsextremes Spektrum packen, das wäre vermessen. Aber es gibt ein paar Andockpunkte, die sich Rechtsextreme nehmen. Wie zum Beispiel den Kampf umzuinterpretieren zu einem Vorbereiten auf einen Kampf für die Nation als eine Kampfgemeinschaft. So wird sich da verstanden."
Das Ziel: Den Kampf auf die Straße zu tragen, gerüstet sein für Auseinandersetzungen mit der Polizei und für Bürgerwehren. Nicht nur in Chemnitz, Köthen und Rostock marschieren rechtsextreme Kampfsportler bei Demonstrationen mit. Man zeigt sich – und seine Muskeln, konstatiert Königs Kollege Daniel Trepsdorf.
"Wir können jetzt tatsächlich festmachen, wo in den letzten acht bis zehn Jahren die Kampfsportszene und die Instrumentalisierung der Kampfsportszene sehr stark aus dem Schatten der Subkultur herausgetreten ist. Und auch Mainstream wird in entsprechenden Szenekreisen. Und dass der Kampf um Sportmatte, um die Ringe, um die Barren und die Turnhallen mitten drin ist und dieser Kampf sicherlich in Zukunft noch ausgebaut wird von der entsprechendem Szene."
Doch es gibt auch die andere Seite: "Runter von der Matte – kein Handshake mit Nazis" heißt eine Initiative von Kampfsportlern, die dagegen auftreten, dass ihr Sport von Rechtsextremen vereinnahmt wird. Sie informieren über rechte Labels und Veranstaltungen, verschicken Plakate und sind in den sozialen Medien aktiv. Namen von Kampfsportlern, die sich gegen rechts positionieren, tauchen auf der Seite nicht auf – wohl aus gutem Grund.
(Alexa Hennings)
Thüringen: Rechtsextreme unterwandern Sportvereine
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Für den rechtsextremen Erfurter Sportverein "Volksgemeinschaft" war es ein Erfolg, den man gern im Internet ausstellt: Sieben Sportler zwischen sieben und 35 Jahren haben an der Sportabzeichentour des Landessportbundes teilgenommen und Sportabzeichen errungen. Ganz offiziell mit dem Aufdruck Volksgemeinschaft oder Sportgruppe VG auf der Wettkampfleidung.
Der veranstaltende Landessportbund bekam davon nichts mit, wohl aber linke Aktivisten, die die rechte Szene in Thüringen kennen. So zum Beispiel Katharina König-Preuss, eine Landtagsabgeordnete der Linken: "Das Problem ist vielmehr, dass Neonazis mittlerweile eigene Sportvereine aufgemacht haben und darüber insbesondere auch Jugendliche erreichen und Jugendliche nicht nur mit Sport versorgen, sondern darüber hinaus auch mit Ideologie. Die 'Volksgemeinschaft' steht dem Dritten Weg sehr nahe, bzw. zwei ihrer führenden Personen sind nicht nur Mitglieder, sondern auch Kader, Führungspersonen des Dritten Weges hier in Thüringen."
Der Dritte Weg ist eine neonazistische Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und einen antisemitischen, rassistischen "nationalen Sozialismus" anstrebt. Der Sport ist nach Ansicht von König-Preuss wie die Musik ein niederschwelliges Angebot, in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen zu kommen. Wie z.B. im Sportverein Volksgemeinschaft. "Mit eigenen Räumlichkeiten, mit eigenen Trainingszeiten, mit Angeboten für junge Mädchen, für Frauen, also zur Selbstverteidigung. Mit Kampfsporttrainings für junge Männer, für Jugendliche, zum Teil auch Kinder. Und sie probieren natürlich über den Sport in die klassische Mitte der Gesellschaft vorzudringen."
Genauere Prüfung durch den LSB, wer Mitglied werden will
Wie zum Beispiel mit der Teilnahme an der Sportabzeichentour des Landessportbundes. Dessen Geschäftsführer, Rolf Beilschmidt, zeigte sich darüber verblüfft. Die SG Volksgemeinschaft kannte er nicht, sie ist kein Mitglied im LSB.
"Wir hatten keinen Anlaß zu sagen: 'Ihr verlaßt hier das Stadion, ihr könnt das Sportabzeichen nicht ablegen.' Wir haben es – muss man auch ehrlich sagen – erst im Nachgang festgestellt. Es war auch kein auffälliges Verhalten. Aber man nutzt das schon! Und das war ja der Anlaß, wo man dann seitens dieser Gruppierung auf der Homepage gepostet hat: 'Wir sind uns mit dem Landessportbund einig und identifizieren uns mit dessen Zielen.' Wo wir dann auch nochmal gegen und in Richtung des Vereins aktiv geworden sind."
Beilschmidt – wegen seiner Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter für die Stasi und Doping-Verstrickung als Hochleistungssportler in der DDR außerhalb Thüringens umstritten – ist seit 30 Jahren Sportfunktionär in Thüringen, seit 17 Jahren beim Landessportbund. Er hat in der Vergangenheit vereinzelt Versuche von rechtsextrem dominierten Sportvereinen erlebt, in den LSB aufgenommen zu werden.
"Wir hatten mal vor mehreren Jahren Situationen, wo ein Verein in Hildburghausen es angestrebt hatte. Wir hatten einen Verein hier in Erfurt, wo stadtbekannte Mitglieder der NPD, Personen aus der rechtsextremen Szene in dem Verein waren, wo wir dann mit Beschluß des LSB-Präsidiums einen Ausschluß vorgenommen haben. Der wurde dort so akzeptiert. Aktuell haben wir das nicht."
Es würde heute auch genauer geprüft, wer Mitglied werden will. "Wir schauen intensiver als das vielleicht vor 15 Jahren der Fall war auf Satzungen, wenn sich Vereine bei uns anmelden. Wir schauen auf die Homepage: Was steckt dahinter? Und wir sprechen auch mit Organisationen wie mit Mobit, wenn doch die eine oder andere Auffälligkeit ist."
"Vor allem gilt es erst mal Aufklärungsarbeit zu leisten"
Mobit ist eine Beratungsstelle zum Umgang mit Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus. Auf ihre Expertise verläßt sich auch Thomas Kulb, beim Landessportbund, Leiter des vom Bund finanzierten Projekts "Sport zeigt Gesicht!"
"Sollte es jetzt Problemsituationen in den Vereinen geben, dann stehen wir auch als beratende Instanz mit zur Verfügung. Häufig wird es sich um Diskriminierung handeln. Der klassische Rechtsextreme eher nicht, vor allem aber Diskriminierungen. Vor allem git es erst mal Aufklärungsarbeit zu leisten und Sensibilisierung. Weil gerade Alltagsrassismus ist ein Stückweit in der Mitte der Gesellschaft angekommen."
Über rechtsextreme Vereine außerhalb des Landessportbunds haben sie keinen Überblick. Noch weniger über Sportstudios, in denen sich Rechtsextreme zu Kraft- und Kampfsporttraining treffen, um sich für den Straßenkampf zu rüsten, wie Katharina König-Preuss meint:
"Da muss man einfach festhalten, dass immer die Gefahr besteht, dass über das Sporttreiben – und insbesondere Kampfsport! – dieser nicht nur im rein sportlichen Bereich ausgeübt wird, sondern früher oder später auch Auswirkungen auf der Straße gegen Polizeibeamte, gegen den politischen Gegner, gegen Geflüchtete hat. Und ganz klassisches, einfaches Beispiel ist: Der gestählte, männliche Körper, der sich vorbereitet auf das, was für Deutschland zu kommen hat und was kommen soll. Und von daher ist es ja kein reines Sporttraining, was da stattfindet, sondern immer mit der Ideologie verbunden."
Die Linken und auch die Grünen im Erfurter Landtag vermuten, dass es inzwischen in Thüringen "wohl organisierten Neonazi-Kampfsport" gebe. Das Innenministerium dagegen kann noch nicht erkennen, "dass Sportvereine oder organisierte Sportgruppen in Thüringen von Rechtsextremisten dominiert würden". Doch zurück zum Landessportbund und dem Sportverein Volksgemeinschaft. Würde der auch bei der nächsten Sportabzeichentour willkommen sein? Rolf Beilschmidt vom LSB: "Wenn das die Gruppierung ist und sie hat in der Kleidung, im Verhalten und anderes keine Auffälligkeiten, glaube ich, dann wird man auch akzeptieren, dass sie das Sportabzeichen ablegen."
(Henry Bernhard)