Rechtsextremismus

Angst vor "Feindeslisten"

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Neonazi-Demo in Hamburg, bei dem unter anderem der sogenanntew Schwarze Block der Neonazis aufmarschierte.
Neonazis treten im Netz und im öffentlich Raum zunehmend bedrohlich auf. © Ulrich Baumgarten/picture alliance
Andres Veiel im Gespräch mit Julius Stucke |
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Rechtsextreme "Drohlisten" schaffen ein Klima der Angst. Regisseur Andres Veiel befürchtet, dass sich Menschen aus Sorge um ihre Sicherheit aus der Öffentlichkeit zurückziehen könnten. Dabei sei genau das Gegenteil richtig.
Nach den Enthüllungen über das rechtsextreme Netzwerk "Nordkreuz", das eine umfassende "Drohliste" mit den Namen politischer Gegner erstellt haben soll, wird darüber debattiert, wie groß die rechtsextreme Gefahr bereits ist. "Es ist immer ein Schatten, der auf einem liegt", sagte unser Studiogast, der Filmregisseur Andres Veiel, darüber, was es bedeuten könne, wenn jemand seinen Namen auf einer solcher "Feindesliste" wiederfinde. "Manche sprechen von Todeslisten", sagte er im Deutschlandfunk Kultur. Bei der Chatgruppe Nordkreuz sei es um 25.000 Namen auf der Liste gegangen. Aber auch eine zweite, kleinere Liste mit der Überschrift "Wir kriegen Euch alle" mit 200 Namen verdeutliche die Absichten der Rechtsextremisten.
Der Regisseur Andres Veiel
Regisseur Andres Veiel© picture alliance
Eine sehr große Gefahr sei vor allem die Angst, die durch die Existenz solcher Listen erzeugt werde, sagte Veiel. "Die Gefahr ist, dass Menschen sagen, ich ziehe mich aus der Öffentlichkeit erst einmal zurück, ich gehe in die Defensive, ich ziehe mich aus dem digitalen Raum zurück, ich äußere mich nicht mehr", sagte der Regisseur. Er befürchte weniger die direkte Bedrohung, dass jemand ermordet werden könnte, aber sehr wohl, dass Menschen davor zurückschrecken könnten, sich öffentlich äußern zu wollen. "Das wäre das Fatale, genau das Gegenteil ist richtig, wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen."

Liste für den "Konfliktfall"

Eines der Mitglieder von Nordkreuz habe bei einer Vernehmung zu Protokoll gegeben, dass die Liste für den "Konfliktfall" gedacht sei. Deshalb stelle sich die Frage, was damit gemeint sei, sagte Veiel: "Was heißt der Konfliktfall, wann tritt der ein? Tritt er ein, wenn staatliche Autorität wankt?" Der Regisseur sagte, er frage sich, ob diese Liste für den Moment eines politischen Vakuums vorgesehen sei, beispielsweise in Folge einer Wirtschaftskrise. "Das ist natürlich beunruhigend."

Vertrauensfrage an die Polizei

Veiel erinnerte daran, dass es in Mecklenburg Vorpommern Beamte eines Sondereinsatzkommandos gegeben habe, die Adressdaten und Geburtsdaten von Menschen weitergeleitet hätten, die jetzt auf der "Drohliste" stünden. Dabei werde vom Staat erwartet, dass er Recht verteidige und Sicherheit garantiere. "Wenn das dort bröckelt, wenn da marode Strukturen sind, die diese Gruppierungen unterstützen, dann geht davon eine echte Gefahr aus", sagte Veiel. Offenbar gebe es bereits "deutliche Haarrisse", aus denen größere und gefährlichere Risse werden könnten. "Da sollten wir einfach sehr genau hinschauen, wie damit umgegangen wird." Mehr Transparenz könne auch mehr Beruhigung schaffen. Wer wissen wolle, ob er auf einer der Listen stehe, müsse von den Behörden darüber Auskunft erhalten.
(gem)

Der Filmemacher, Regisseur und Autor Andres Veiel wurde 1959 in Stuttgart geboren. Er studierte Psychologie und absolvierte parallel eine Ausbildung in Regie und Dramaturgie am Künstlerhaus Bethanien in Berlin, unter anderem bei dem polnischen Filmregisseur Krzysztof Kieślowski. Einem großen Publikum wurde Veiel 2001 durch den Dokumentarfilm "Black Box BRD" bekannt, der zahlreiche Preise bekam. 2011 folgte sein erster Spielfilm "Wer wenn nicht wir", dem andere Filme folgten. 2005 wurde sein Theaterstück "Der Kick" uraufgeführt und feierte große Erfolge. 2017 hatte der Dokumentarfilm "Beuys" auf der Berlinale Premiere. Danach inszenierte Veiel am Deutschen Theater in Berlin das Stück "Let Them Eat Money. Welche Zukunft?!".

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