Rechtsprechung

"Es gibt keinen Grund, irgendwelche Gesetze zu ändern"

Ein Richterhammer und ein Strafgesetzbuch liegen am 19.03.2013 im Landgericht Osnabrück (Niedersachsen) auf einem Tisch.
Kulturelle Hintergründe sollten für die Justiz keine große Rolle spielen, fordert Ghadban. © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Ralph Ghadban im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Müssen kulturelle und religiöse Hintergründe in der Rechtsprechung stärker berücksichtigt werden? Nein, sagt der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban, denn das wäre "eine Aufweichung unseres Grundprinzip der Gleichheit".
Korbinian Ziegler: Es ist wahrscheinlich gerade nicht das beste Debattenklima für eine Auseinandersetzung wie die, die sich der Juristentag in Hannover vorgenommen hat, angesichts einer Justiz, wie sie der IS betreibt mit seinen Hinrichtungen, die Frage, inwieweit deutsche Gerichte Rücksicht nehmen sollten auf kulturelle, auf religiöse Umstände, Besonderheiten, Herkünfte, inwieweit also das Rechtssystem ein bisschen multikulti wird. Im Studio begrüße ich den früheren Sozialarbeiter, Mediator und Doktor der Islamwissenschaft Ralph Ghadban, guten Morgen!
Ralph Ghadban: Guten Morgen!
Ziegler: Wie sehr muss sich das deutsche Rechtssystem darauf einstellen, dass wir eine Einwanderungsgesellschaft sind, dass wir andere Kulturen hier mittlerweile haben?
Ghadban: Also es kommt darauf an, was man unter Umstellung versteht. Die Gesetze, die wir haben, sind sehr gut geeignet, jede Integration bei jeder Gruppe zu realisieren. Die Mängel sind zum Beispiel in vielen Bereichen der Partizipation. Und die Politik hat das wahrgenommen und versucht, die Menschen mit Migrationshintergrund zu bevorzugen bei Einstellungen und so weiter und gleicher Qualifikation, das ist so eine Art wie die amerikanische Affirmative Action. Und das funktioniert.
Es gibt keinen Grund, irgendwelche Gesetze zu ändern im Sinne von Akzeptanz anderer Werte und Gesetze, die unserer Gesellschaft fremd sind.
Ziegler: Das heißt, Sie finden den Ansatz, den der Juristentag verfolgt, kulturelle Hintergründe, religiöse Hintergründe stärker zu berücksichtigen, den halten Sie für falsch?
Multikulti in der Rechtsprechung
Ghadban: Ja, das muss ich erklären. Ich finde, dass die Juristen ziemlich spät das Problem ansprechen. Wir haben ein Migrationsphänomen ganz intensiv seit über 50 Jahren. Und dass sie sich so viel Zeit genommen haben, um das zu behandeln, ist etwas spät, erstens. Zweitens, die haben schon in der Praxis angefangen, also, die Rechtsprechung in den 90er-Jahren, als ab Ende der 80er-Jahre war sehr, sehr stark multikulti beeinflusst. Und da konnten die Menschen mit Migrationshintergrund mildere Urteile haben wegen dieser ...
Ziegler: War das ein Fehler?
Ghadban: Das war ein riesiger Fehler. Ich meine, das ist eine Aufweichung unseres Grundprinzip der Gleichheit. Wenn ein Mensch hier irgendwelche Defizite hat, muss man auf der anderen Seite arbeiten, um sie aufzuheben, und nicht unser System ändern. Unser System ist die beste Garantie für die Chancengleichheit und die Gleichheit. Und da kann man Menschen ... Das heißt, das ist so eine Genehmigung für die Migrationskinder zum Beispiel, Straftaten zu begehen, weil sie mit kleineren Strafen rechnen können als die anderen, deutschen Bürger. Und das kann hier in unserer Gesellschaft nicht stattfinden.
Ziegler: Es gibt einen ganz konkreten Aufreger vor diesem Juristentag, die zuständige Berichterstatterin für dieses Thema Tatjana Hörnle hat sich geäußert, ist jetzt ein bisschen zurückgerudert in der "FAZ", aber dennoch bleibt von ihr die Grundaussage, dass sie sagt, die Genitalbeschneidung – -verstümmlung sagen viele bei Frauen, bei jungen Mädchen –, die müsse man auch straffrei stellen. Ist das ein Skandal?
Debatte um Genitalverstümmelung: "ein Unding"
Ghadban: Das ist ein Unding. Ich frage mich, wie eine Juristin auf so einen Gedanken kommt. Es ist ganz klar, im Artikel 2 Grundgesetz steht, jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Ich frage mich, wo sie studiert hat.
Ziegler: Wenn ich sie recht verstehe, ist ihr Hintergrund dabei, dass sie den Vergleich macht mit den Jungen, mit der Beschneidung, die da stattfindet. Wir kennen die Debatte, die wir hatten um die Beschneidung von Jungen, wo mal also juristisch dafür gesorgt hat, dass das nicht weiter verfolgt wird. Ist das nicht in eine andere Richtung eine Rücksichtnahme auf kulturelle Besonderheiten?
Ghadban: Das Problem der Beschneidung der Männer wurde schon in den islamischen Ländern behandelt, in Ägypten schon in den 80er-Jahren, als Körperverletzung. Und hier hat man schnell gehandelt juristisch, wegen der deutschen Geschichte, also wegen der Juden, weil sie auch die Beschneidung haben, und die wollten das nicht verbieten. Das ist ein Sonderfall.
Aber die Beschneidung von Jungs ist eine Körperverletzung und von Frauen auch eine Körperverletzung und noch schwerer. Also nicht nur das, sondern dazukommt, dass die Lust der Frau amputiert wird. Also, dass man überhaupt daran denkt, so was zu behandeln als Juristin, ausgehend von unserem Grundgesetz, finde ich einfach ein Unding.
Ziegler: Sie haben ja sehr konkret gearbeitet als Sozialarbeiter, auch als Mediator, wenn ich das richtig verstanden habe, in Rechtsstreitereien. Inwieweit kann denn vor dem juristischen ... also bevor Gerichte angerufen werden, es helfen, dass es zum Beispiel in der muslimischen Gemeinde Regelungen gibt über Imame, über andere, Streitereien zu lösen? Ist das etwas, was wir hier nutzen sollten in Deutschland?
Hilfreicher Einsatz von Mediatoren
Ghadban: Jeder Versuch, Streitereien im Vorfeld des Gerichtsverfahrens zu lösen, ohne die Verletzung unserer Gesetze, ist willkommen. Und es gibt schon die Aktion von Mediatoren, ich habe sie ein paarmal gemacht, und die ist hilfreich. Die findet aber hauptsächlich im Bereich der Wirtschaft statt, also Autohandel und Streitigkeiten. Aber wenn es diese Dimension überschreitet und das Strafrecht erreicht, dann ist die Gewalt des Staates beeinträchtigt, und das darf nicht sein.
Ziegler: Haben Sie aus Ihrer Praxis heraus die Erfahrung gemacht, dass das häufig passiert, also dass sich Migranten über die deutschen Gesetze hinwegsetzen und ihre Regelungen untereinander treffen?
Ghadban: Nicht nur aus meiner Praxis, aus meiner wissenschaftlichen Forschung in den letzten Jahrzehnten. Ich bin seit langer Zeit nicht mehr Sozialarbeiter. Da habe ich festgestellt, dass diese Dimension noch prägnanter geworden ist. Also, eine Paralleljustiz ist inzwischen entstanden, gestützt auf die Parallelgesellschaft. Und es kommt daher, dass man gesagt hat: Wenn man die Werte anderer Kulturen übernimmt, dann erleichtert das die Integration. Und siehe, nach ein paar Jahrzehnten erleben wir, dass genau das Gegenteil passiert ist, also eine Verfestigung der Parallelgesellschaften und ein Manko an Integration. Und das beweisen alle Studien in den letzten sechs Jahren ohne Ausnahme. Und man bemerkt bei Muslimen den höchsten Grad an, nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern Straftätigkeit und Desintegration, trotz der Tatsache, dass man immer wieder Konzessionen gemacht hat.
Ziegler: Der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban. Vielen Dank für Ihren Besuch im Studio!
Ghadban: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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