Vom Gewissen der Gesellschaft zum rechten Polemiker
Früher galten sie als linke Instanzen. Doch heute liebäugeln europäische Intellektuelle wie Michel Onfray oder Jean Ziegler mit erzkonservativem Gedankengut. Woher dieser Wandel? Der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler hat das Phänomen untersucht.
Was ist los mit Europas Intellektuellen - vollziehen etliche von Ihnen gerade einen politischen Wechsel von links nach rechts, von weltoffen hin zu erzkonservativ und nationalistisch? Das ist, zumindest ansatzweise, bei Persönlichkeiten wie Jean Ziegler oder dem französischen Philosophen Michel Onfray zu beobachten.
Der Düsseldorfer Sozialwissenschaftler Alexander Häusler sagte im Deutschlandradio Kultur, er bezweifele zwar, dass es sich um ein weit um sich greifendes Phänomen handle, bestätigte jedoch, was sich bei den europäischen Intellektuellen gerade vollziehe, sei "ein Wandel des Intellektuellen von dem früheren - ich sage jetzt mal - Gewissen der Gesellschaft hin zur neuen Rolle des Intellektuellen als jemand, der die angebliche politische Korrektheit durchstößt. Wo nun eher das Ressentiment statt dem Solidaritätsgedanken im Vordergrund steht. Und die Intellektualität auf dem Feld der Polemik ausgetragen wird."
Vom Linken-Anhänger in die Nähe des Front National
Feststellbar sei, dass sich ein Wechsel "der Sollbruchstelle von links nach rechts" vollzogen habe. Ob jemand wie Jean Ziegler, der im Schweizer Wahlkampf zuletzt den SVP-Kandidaten Roger Köppel unterstützte, tatsächlich nach Rechts gewandert sei, sei für ihn nicht so ohne weiteres nachweisbar, doch könne ein vielfach beobachteter Wandel an den Themenfeldern Ökonomie, Finanzmarktkritik und Globalisierung gut aufgezeigt werden.
Beispiel Michel Onfray: Dieser sei vom Anhänger der Linken zu deren Kritiker geworden und zugleich plötzlich in die Nähe des Front National gerückt, weil auch dessen Parteivorsitzende Marine Le Pen sich, wie Onfray, vehement gegen den Neoliberalismus und den Finanzmarktkapitalismus wende.
In Deutschland manifestiere sich ein starker Rechtsruck an bereits vorher konservativen Politikern und Medienschaffenden wie etwa Alexander Gauland oder der ehemalige FAZ-Feuilletonredakteur Konrad Adam, die sich von den Positionen der CDU distanzierten und sich statt dessen etwa bei der AfD engagierten.