Ein Kulturkiez für Kreative als Lebenstraum
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Einstmals wurden hier Schiffe gebaut, heute sind die Werfthallen in Lübeck einer der angesagtesten Kulturorte im Norden. Hinter dem Projekt steckt der Recycling-Unternehmer Thilo Gollan - der mit diesem Ort noch so einiges vorhat.
Eigentlich war Thilo Gollan auf der Suche nach einem weiteren Standort für sein Recycling-Unternehmen, als er 2011 das insolvente Werftgelände in Lübeck ersteigerte. Doch dann war er so angetan vom maroden Charme der Industrieruine, dass er mehr daraus machen wollte: "Da wuchsen Farne und Bäume in den Hallen, auf Wasserlachen schwamm der Ölfilm. Ein Ort mit großer Ausstrahlung."
Also fragte er beim Schleswig Holstein Musikfestival nach. Die Festival-Leitung hatte Interesse, den Ort für Veranstaltungen zu nutzen, und so fand – nach umfangreichen Sanierungs- und Renovierungsarbeiten - das erste Konzert in der Kulturwerft statt. Mittlerweile gibt es ein ganzes Netzwerk von Kulturveranstaltern, -stiftungen, -museen und Künstlern, die die Werft regelmäßig nutzen.
Begegnung mit Jonathan Meese
Konzerte, Messen, Ausstellungen, Feiern und Performances, die Veranstaltungen auf der Kulturwerft sind vielseitig. Die britisch-amerikanische Rockband "Foreigner" hat hier schon gespielt, "Fünf Sterne deluxe" oder auch "Doro". Die Performance des Künstlers Jonathan Meese im vergangenen Jahr hält Thilo Gollan für ein besonderes Highlight. "Er ist ein total offener und freundlicher Mensch, sehr liebevoll, das hat mich begeistert, und seine Arbeit fand ich faszinierend."
Wenn sie in ihm nicht nur den Recycling-Unternehmer sehen, dann begegneten ihm die Leute anders, freut sich Gollan. Er lerne Menschen kennen, die er ohne sein kulturelles Engagement nie kennengelernt hätte. Das ist für ihn eine große Bereicherung. Aus der Region sei der Zuspruch groß, berichtet er, und auch die Mitarbeiter, die sich alle beim Umbau des Geländes einbringen, seien begeistert. "Die Kultur hat in unserem Betrieb eine neue Mitte geschaffen", sagt Thilo Gollan: "Die Werft ist meine Passion."
Aufgewachsen als Kind eines Unternehmer-Ehepaares, das, wie er sagt, "am Frühstückstisch kein anderes Thema kannte als die Firma", wollte Thilo Gollan zunächst etwas ganz anderes machen. Er ließ sich zum Landmaschinenmechaniker ausbilden, wurde Kraftfahrzeugmeister und studierte Maschinenbau.
In seiner Diplomarbeit entwarf er dann aber doch eine Recycling-Anlage für den elterlichen Betrieb und baute diesen Zweig später in Mecklenburg-Vorpommern aus. Zehn Standorte hat seine Recycling-Firma heute in Norddeutschland.
Pläne gibt es noch jede Menge
Auch wenn der Kulturbetrieb auf der Werft aufgrund der Coronakrise momentan ruht: "Wir haben großes Glück, dass gerade der Bau und auch das Recyclinggeschäft nicht zu sehr unter der Krise leiden", sagt der Unternehmer.
Im Gegenteil: Man könne die Zeit gut nutzen, um Reparaturen an den Hallen vorzunehmen, neue Bereiche auszubauen, Licht- und Tontechnik zu installieren. Pläne gibt es noch viele: ein Indoor-Festival, Ausstellungen, Messen und Kunstprojekte.
Und nebenher arbeitet Thilo Gollan weiter an seinem Lebenstraum: einem Kulturkiez, einer Begegnungsstätte für Kreative aller Art. Dort "setze ich mich als alter Mann mitten rein, trinke einen Kaffee, guck' mir das Treiben an und freu' mich drüber."
(kuc)