Bürgerbegehren gegen Shoppingcenter
Ein Shoppingcenter spaltet die Stadt Duisburg: Ein Investor will auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs das größte Outlet Center Deutschlands bauen. Ausgerechnet dort, wo sich die Loveparade-Katastrophe ereignete. Ein Referendum soll jetzt die Entscheidung herbeiführen.
"Meine Frage ist: Wem gehört die Stadt? Wir haben hier einen Investor, der hält uns eine Möhre vor die Nase und sagt: Ich will ein DOC – aber wollen wir nicht langfristige Arbeitsplätze schaffen?"
Eine von vielen kritischen Fragen zum geplanten Duisburger Designer Outlet Center – kurz: DOC. In der vergangenen Woche konnten Bürger auf einer Podiumsdiskussion mit den Oberbürgermeisterkandidaten ihre Bedenken gegen das Projekt vortragen. Duisburgs noch amtierender Oberbürgermeister, Sören Link von der SPD, hielt immer wieder dagegen:
"Es geht zum einen um zusätzliche Arbeitsplätze. Und um die damit verbundenen Steuereinnahmen. Und es geht drittens um die Kaufkraft und um einen Imagegewinn: Wenn Hunderttausende nach Duisburg kommen, kann das der Stadt nur gut tun."
Geht es nach dem Investor, dem Berliner Möbel-Mogul Kurt Krieger, sollen auf dem 30 Hektar großen Gelände des alten Güterbahnhofs bis zu 170 Markenshops angesiedelt werden. Vor drei Wochen startete Krieger seine Werbekampagne mit einer Pressekonferenz:
"Die Lage ist einfach affengeil! Wir haben hier nicht nur einen Autobahnanschluss, sondern zwei, der Hauptbahnhof ist in Sichtweite, die Innenstadt auch – das finden Sie so in Deutschland nicht nochmal."
Konkurrenz zu den Outlets der Nachbarländer
Ein Imagefilm zeigt Kriegers Zukunftsvision von der Brache: Shops in edel sanierten Backsteingebäuden, Besucher, die unter Stahl- und Glaskuppeln mit prall gefüllten Einkaufstüten flanieren.
Kriegers Partner ist das Immobilienunternehmen Neinver, zweitgrößter Outlet-Betreiber in Europa. Und Neinver rechnet vor: Über 12 Millionen Menschen leben im Einzugsgebiet des Outlet – und diese verfügten über 20 Milliarden Euro Kaufkraftvolumen. Duisburg könnte also den Outlets der Nachbarländer, etwa dem niederländischen Roermond, Konkurrenz machen.
Händler in der Innenstadt fürchten das Center
Bei den Einzelhändlern in der Duisburger Innenstadt geht hingegen die Angst um. Einen guten Kilometer Luftlinie vom Güterbahnhof entfernt beginnt die Fußgängerzone. Dort hängt ein riesiges Plakat: "Ja zu Duisburg. Kein DOC", steht darauf, daneben ein großes Stimmkreuz. Frank Oberpichler hat die Bürgerinitiative gegen das Designer Outlet gegründet, den Bürgerentscheid mit Unterschriften durchgesetzt.
"Wenn das DOC kommt, befürchten wir, dass sich dieses Leben hier gen Null bewegen wird, dass das Gros der Outlet-Besucher natürlich mit dem Auto anreisen wird und sich dann nach vier Stunden Shopping nicht mehr in die Innenstadt bewegen wird. Wir wissen jetzt schon, dass einige Filialisten dann definitiv die Innenstadt verlassen werden."
30 Prozent der Ladenfläche stehen in der Innenstadt jetzt schon leer. Der Onlinehandel setzt den Geschäften zu, schon vor Jahren haben Filialisten wie C&A und Peek&Cloppenburg hier große Standorte aufgegeben. Das Outlet könnte die Situation noch verschlimmern, befürchtet die Industrie und Handelskammer.
Die Stadtspitze hingegen, eine große Koalition aus CDU und SPD, befürwortet das Projekt. Oberbürgermeister Sören Link glaubt sogar, dass die Innenstadt von dem Outlet profitieren könnte – beide Bereiche müssten nur besser angebunden werden, etwa durch einen Shuttle-Service.
Stillstand in der Innenstadt?
Pläne, die den Oberbürgermeisterkandidaten Thomas Wolters von der FDP nicht überzeugen:
"Das wird nicht funktionieren, das hat überhaupt noch nie nirgendwo in Europa funktioniert. Die Leute benutzen einen Shuttle, um sich von der Innenstadt zu diesem Zentrum bringen zu lassen, und nicht anders herum."
Bedenken, die viele Duisburger teilen.
Frau: "Also, ich halte nicht viel davon. İch denke, dass dann noch weniger Betrieb in der Stadt ist. Ist eh schon alles so ruhig hier. Wenn da so ein Riesending hin kommt, gehen doch noch mehr Menschen, weil das dann auch günstig ist."
Mann: "Wenn Sie mal hier gucken, in der Innenstadt ist nichts mehr los. Die Innenstadt verkommt hier an der Stelle und anderswo wird dann so ein Tempel hingebaut. Deswegen halte ich da gar nichts von."
Frau: "Es gibt ja eigentlich hier viele Marken. Ich wüsste jetzt nicht, was da so Großartiges reinkommen soll an Marken..."
Duisburg und ein Outlet: ein langes und leidiges Thema. Seit bald zwei Jahrzehnten sind hier Mega-Einkaufscenter im Gespräch – zuerst das "Multicasa", später das Factory Outlet Center im Duisburger Norden, beide Pläne ließ die Politik schließlich fallen, nach teils großem Bürgerprotest.
Insgesamt ist in NRW ein regelrechtes Outlet-Wettrennen entbrannt – nicht nur in Duisburg, auch in Werl, Wuppertal und Remscheid laufen Planungen. An allen Standorten wird dagegen geklagt.
Und auch der Investor Kurt Krieger rechnet mit Klagen - und mit einem knappen Votum. Für sich. Hoffnung macht ihm ein ähnliches Bürgerbegehren in Kiel. Das hatte der Immobilieninvestor mit 51 Prozent der Stimmen für sich entschieden.