Kagames Anhänger üben Druck auf die Bevölkerung aus
Ruanda entscheidet heute mit einer Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung. Präsident Paul Kagame soll über 2017 hinaus im Amt bleiben - nach der jetzigen Verfassung wäre dies unmöglich. Viele Menschen fühlen sich durch das Referendum unter Druck gesetzt. Auch die EU warnt: Die Demokratisierung könnte untergraben werden.
Ruanda entscheidet heute in einem Referendum über eine Verfassungsänderung. Ziel ist es den derzeitigen Präsident Kagame auch nach 2017 im Amt zu halten. Nach der bestehenden Verfassung darf er nicht noch einmal kandidieren. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten haben die Änderung in einer Petition gefordert. Doch der Schritt ist umstritten. Viele glauben, dass die Bevölkerung unter Druck gesetzt wurde und nicht frei entscheiden kann. Auch die EU warnt: Ruandas Demokratisierung könnte ohne Machtwechsel untergraben werden.
Am Stadtrand von Ruandas Hauptstadt Kigali wird getanzt. Gerade ist eine Wahlkampfveranstaltung für die Verfassungsänderung zu Ende gegangen. Die Teilnehmer freuen sich über ihren sicheren Sieg beim Referendum. Für den Parlamentsabgeordnete Zeno Mutimura von der Regierungspartei RPF ist ein Sieg Ausdruck des Volkswillen:
"Die Menschen haben darum gebeten, dass die Verfassung geändert wird, damit der Präsident sich 2017 zur Wiederwahl stellen kann – wenn er das will."
"Stimmt mit Ja!" steht auf den Plakaten. In Ruanda gibt es kaum Widerspruch gegen die Verfassungsänderung. Die Minderheit findet trotzdem kein Gehör. Es scheint, das Ruanda den 100-Prozent Konsens will. Die Gegner sprechen lieber anonym.
"Wir trauen uns nichts zu sagen, weil dann unser Leben in Gefahr ist. Einige Menschen sind im Gefängnis gelandet. Andere werden verfolgt oder sind verschwunden."
"Ich bin dagegen, weil er gesagt hat, dass er nur zweimal antreten wird. Die ganze Abstimmung ist eine Lüge."
Keine Hoffnung mehr auch bei Ruandas einziger Oppositionspartei
Die einzige unabhängige Oppositionspartei sind die Demokratischen Grünen Ruandas. Sie sind nicht im Parlament vertreten. Sie wollen 2017 einen demokratischen Machtwechsel. Deshalb haben sie vor dem Obersten Gericht gegen das Referendum geklagt - erfolglos. Jetzt geben sie sich geschlagen, denn das Referendum wurde mit nur einer Woche Vorlauf angekündigt, sagt Generalsekretärin Carine Maombi:
"Wir konnten keinen Wahlkampf machen. Es gab keine Zeit für eine Kampagne oder Sensibilisierung."
Ruanda boomt. Die Wirtschaft wächst mit bis zu 8 Prozent pro Jahr. Das Land ist sicher und stabil. Kigali eine der modernsten und saubersten Hauptstädte Afrikas. Präsident Kagame gilt als Macher dieses Erfolgs. Aber auch als autokratischer Machthaber. Widersacher verschwinden, die Medien gelten nicht als frei, die Europäische Union kritisiert die Menschenrechtslage in Ruanda.
Bevölkerung wird auf ein "Ja" beim Referendum eingeschworen
Der soziale Druck für die Verfassungsänderung zu stimmen ist groß. In einem Stadtteil mitten in Kigali wird martialisch zur Versammlung gerufen. Ein Mann in neuem Kampfanzug und mit Megafon geht durch die Straßen:
"Die Dorfversammlung beginnt jetzt auf dem zentralen Platz. Alle Anwohner müssen daran teilnehmen."
Während der Versammlung schwören die Offiziellen die Bewohner ein, beim Referendum mit "Ja" zu stimmen.
"Die meisten von uns sind für die Verfassungsänderung. Den Rest wollen wir gar nicht hier haben"
Die Menschen bekommen einen nachgemalten Stimmzettel zu sehen. Darauf sieht man ein Buch bei "Ja" und das Wort "Nein" darunter. Neben beiden kann man ein Kreuz machen:
"Wir brauchen nur das Feld mit dem Buch. Alles andere ist nicht notwendig."
Wer während der Veranstaltung gehen will, wird vom Dorfvorsteher zurückgeholt. Diskutiert wird hier nicht. Niemand sagt etwas gegen die Verfassungsänderung oder stellt eine Frage. Am Ende werden Jubelrufe auf Paul Kagame angestimmt.
Petition, die zum Referendum führte, gilt als manipuliert
Auslöser für das Referendum sind 3,7 Millionen Unterschriften für die Verfassungsänderung. Doch diese Petition ist einer der Hauptstreitgründe. Sie soll eine Kampagne der Regierungspartei gewesen sein, viele Ruander sollen mehrfach unterschrieben haben und viele unter Zwang sagen Kritiker. Das berichtet auch einer der Gegner der dritten Amtszeit:
"Bei Gemeinschaftsarbeiten haben wir Formulare zum unterschreiben bekommen. Auf denen stand, das der Präsident nochmal kandidieren soll" Wer dagegen sei hätte sich wegschleichen müssen. "Sonst musste man vor den Augen des Dorfvorsteher unterschreiben."
Der Abgeordnete Mutimura hat keinen Zweifel an der demokratischen Legitimierung des Referendums: "Was ist Demokratie, wenn nicht der Wille der Menschen in einem Referendum oder durch ihre Parlamentarier ausgedrückt. So verstehe ich Demokratie."
Kagame selber hat sich noch nicht geäußert, ob er wieder antreten will. Aber ein demokratischer Machtwechsel in Ruanda 2017 wird mehr als unwahrscheinlich. Kagame könnte ein weiterer ewiger afrikanischer Präsident werden. Die neue Verfassung würde ihm insgesamt bis zu 31 Jahre im Amt ermöglichen.