"Wir haben viel über Politik gelernt"
Eigentlich gehörte der schottische Musiker Bob Ross zu den Befürwortern der Unabhängigkeit seiner Heimat von Großbritannien. Trotzdem ist er über das gegenteilige Votum der Mehrheit seiner Landsleute erfreut und lobt die Demokratie.
Frenzel: Ja, er rechnet da die Stimmen zusammen, die eben alle dafür waren, unabhängig zu werden – eine ganze Menge Stimmen. Ich spreche jetzt mit Bob Ross, er ist Hornist bei den Münchner Philharmonikern, Gründer des Ensembles „Blechschaden" und heute ist er zuallererst natürlich Schotte. Guten Morgen!
Bob Ross: Ja, guten Morgen!
Frenzel: Wie groß ist denn Ihre Enttäuschung? Ich weiß, Sie waren für diese Unabhängigkeit.
Ross: Ja, absolut dafür, aber ich würde nicht sagen, enttäuscht, denn das war sehr fair und wir haben alle viel gelernt über die Politik diese Woche. Es war eine aufregende Woche, besonders für alle meine Freunde in Deutschland. Jetzt wissen alle, was los ist da oben, und auf der ganzen Welt gab es Interesse für diese Geschichte. Enttäuscht bin ich nur, wenn meine Fußballmannschaft verliert vielleicht, aber bei so einer tollen Demokratie, wo über 85 Prozent der Bevölkerung abgestimmt hat – das ist eine schöne Sache, und wie der Alex Salmond gerade gesagt hat: at this stage – also zu diesem Zeitpunkt. Es wird sich auf jeden Fall was ändern, weil es kann nicht weiter so bleiben, dass wir in Schottland mehr Pandas im Edinburgher Zoo haben als Abgeordnete von der Konservativen Partei. Schöner Auftakt in der Früh, gell?
Frenzel: Ja.
Ross: Meistens bin ich nicht so früh auf.
Frenzel: Herr Ross, bei einer Sache muss ich Ihnen gleich zustimmen: Ich habe auch selten so viel erfahren über ein Land in so kurzer Zeit wie jetzt über Schottland. Wahrscheinlich sollten wir das häufiger machen über Regionen, das ist eine große Lehrstunde gewesen. Aber Sie waren so nah dran, muss man sagen, ...
Ross: Ja.
Wir haben an sich Humor
Frenzel: ... dieses Gefühl, jetzt wirklich die Geschicke selbst in die Hand zu nehmen – und jetzt, ja, erlebe ich Sie eigentlich ganz entspannt. Woher kommt diese Entspannung?
Ross: Ach ja, ich bin Schotte, das ist es. Wir sind wirklich ein bisschen anders als, sagen wir, das Volk südlich von Schottland, die wir normalerweise nicht erwähnen. Wir haben an sich Humor. Und an der ... Das ist toll: Vor 20 Jahren hat niemand über die Scottish National Party gesprochen. Es war immer ein Labour-Land, Labour-Partei. Und seit Margaret Thatcher war das alles ein bisschen so uiuiui. Aber , das ist ein schöner, guter Aufbau jetzt für die Zukunft und eine Lehrstunde für alle jungen Leute. Die Leute haben abgestimmt mit 16 Jahren da drüben, und das ist eine tolle Geschichte eigentlich. Es war eine aufregende Woche und ich meine, es wäre schön, der krönende Höhepunkt wäre jetzt ... Ich habe gestern bei Ihrer Redaktion gesagt: Wenn wir es schaffen, dann werde ich extra meinen Schottenrock anziehen für das Interview, auch wenn es nur im Radio ist.
Frenzel: Das haben Sie jetzt aber nicht getan? Wir können es nicht sehen, wir haben Radio. Aber, Herr Ross, eine Frage: Sie haben gesagt, es wird sich ja jetzt doch was tun ...
Ross: Ja!
Frenzel: ... und Alex Salmond, der Ministerpräsident, hat das auch gesagt, und, ja, glauben Sie denn, dass es noch mal 300 Jahre an der Seite Großbritanniens sein werden oder wird es in einiger Zeit einen neuen Anlauf geben?
Das Wahlrecht muss sich ändern
Ross: Ich glaube, es wird überhaupt in ganz Großbritannien etwas ändern, weil dieses proportionale Wahlrecht, das wird sich ändern müssen. Schau, das tolle System in Deutschland, da kann man was lernen davon! Wir Briten haben nie eine Chance, dass die grüne Partei da was erreicht. Aber es wird sich was ändern, auch für andere Regionen von Großbritannien, für Nordengland und vor allem Wales. Ich war öfter in Wales, die sind nicht so gut dran wie die Schotten eigentlich, sind sehr arm.
Frenzel: Aber es gibt jetzt natürlich die Möglichkeit, dass sich das so in Richtung Deutschland entwickelt, föderales System, könnte aber natürlich auch in Richtung Belgien gehen, dass da eigentlich nur noch so eine Hülle übrig bleibt und, ja, eigentlich der Nationalstaat nur noch als Farce.
Ross: Ja, aber diese anderen Länder, die dieses alles .. wie Belgien oder so, das ist ja eine ganz andere Geschichte. Eigentlich sehe ich das so. Ich meine, ich bin kein Politiker, kein Experte, aber das, was bei Schottland war, jemand hat gestern gesagt im Fernsehen, ja, ihr seid 300 Jahre zusammen und alles – und es war nicht immer so. Schau, es hat ganz andere Königshäuser und Geschichte, und was toll ist zum Beispiel, ist, dass früher von ... Die verheerendsten Kriege waren zwischen England und Schottland – alles längst wirklich Geschichte, „Braveheart" ist vielleicht ein lustiger Film mit einem Australier, Mel Gibson, aber heute ist es ein fortschrittliches Land und viel sozial, und was die anderen Länder, die anderen Parteien, ich weiß nicht, in England zum Beispiel, Ukip und diese rechten Parteien – das ist ein ... Die Woche war eine Lehrstunde, wie Politik sehr fair sein kann, dass die Leute einfach entscheiden: So machen wir das erst mal.
Frenzel: Herr Ross, glauben Sie denn, dass Ihre Landsleute, die für die Unabhängigkeit waren, dass die genauso entspannt reagieren wie Sie, oder müssen wir da befürchten, dass es vielleicht nicht unbedingt gewalttätig wird, aber doch, dass es kracht in der Gesellschaft?
Ross: Nein, überhaupt nicht. Es wird nicht krachen, das ist nicht Island und es ist nicht Religion und es ist ... Alles, was man in Deutschland kennt, Maria Stuart und die ganze Geschichte – das war mal. Nein. Meine Frau ist Engländerin und viele Schotten sind mit Engländern zusammen liiert. Und die Party geht weiter, auch wenn wir verloren haben. Das war immer so in Schottland. Es ist wie beim Fußball. Kurz vor dem rettenden Ufer schießen wir ein Eigentor vielleicht.
Frenzel: Beim Fußball sieht es ja jetzt auch wieder besser aus. Der Schotte Bob Ross von den Münchner Philharmonikern. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch!
Ross: Danke auch!
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