Reform der Ausbildung für Psychotherapie

Zugang zum Therapeutenberuf soll gerechter werden

Vor einem gefüllten Bücherregal sitzt ein Therapeut, der im Gespräch mit einer Frau ist.
Es soll bald ein Hochschulstudium Psychotherapie geben. Nach Abschluss wären Absolventen approbiert und könnten angemessen bezahlt werden. © EyeEm / Maskot Images
Von Pia Rauschenberger |
Die Ausbildung für Psychotherapie ist teuer, ohne elterliche Unterstützung schwer zu stemmen. Absolventen bevorzugen später wiederum erfolgreiche Patienten, legen Studien nahe. Eine Reform für einen gerechteren Zugang könnte den Kreislauf durchbrechen.
Wer Psychotherapeut oder -therapeutin werden möchte, hat einen langen Weg vor sich. Zuerst mal ein Psychologie-Studium mit Bachelor und Master, das mindestens fünf Jahre dauert.
"Und anschließend beginnt dann die eigentliche Weiterbildung zum Psychotherapeuten."
Sagt Birgit Spinath, Psychologin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Nach dem Studium machen angehende Psychotherapeuten eine Ausbildung, in der sie die praktische Tätigkeit lernen.
"Und das Wichtige daran ist, dass man in dieser Ausbildung bislang nicht bezahlt wird. Weil man hat ja noch keine Berufsqualifikation für die Ausübung der Psychotherapie. Und deshalb ist man als Praktikant diese weiteren drei bis fünf Jahre in der Weiterbildung. Und das ist natürlich ein Zustand, der auf Dauer nicht haltbar ist."
Zumindest verdienen die Auszubildenden fast nichts. So wenig, dass die Einnahmen kaum die Kosten der Ausbildung abdecken.
"Ich habe während meiner ersten Stelle in der praktischen Tätigkeit 150 Euro pro Monat bekommen. Das sind so ungefähr 1 Euro 50 pro Stunde. Also ich habe 25 Stunden pro Woche gearbeitet."
Erzählt Lorenz Meyer, der gerade die Ausbildung zum Psychotherapeuten in Berlin macht.
"Bei meiner derzeitigen Stelle verdiene ich 325 Euro pro Monat. Also das sind wieder bei 25 Stunden pro Woche etwas mehr als drei Euro, ein bisschen mehr dann."
Besonders in den ersten anderthalb Jahre der Ausbildung ist das Gehalt so niedrig.

Finanzielle Hürden halten Psychologen von der Ausbildung ab

"Man kann es alleine schaffen, wenn man nebenher noch arbeitet. Und das hab ich getan. Ich hab von Anfang an immer mindestens einen Job nebenher gemacht, sodass ich es mir so knapp leisten konnte", erzählt Berenike Franzen, die ihre Ausbildung schon fast abgeschlossen hat.
"Es war schon spannend. Es war schon immer so, knirsch, krieg ich das hin? Ich bin aber in der privilegierten Position, dass ich immer wusste, im schlimmsten Fall springen meine Eltern ein. Ich glaube, das hat mir schon sehr geholfen."
In einem Forschungsgutachten aus dem Jahr 2009 berichten vier Fünftel der befragten Psychologie-Studierenden, dass finanzielle Gründe sie von der Ausbildung abhalten. Wer keine finanzielle Absicherung durch die eigenen Eltern hat, wird eventuell gar nicht erst mit der Ausbildung beginnen. Auch Lorenz Meyer bekommt noch Unterstützung von seinen Eltern.
"Das ist jetzt nur mein subjektiver Eindruck, dass es häufig Leute sind, die noch unterstützt werden von Zuhause."
Der Verdacht liegt nahe. Mit konkreten Zahlen lässt sich das nicht belegen. Ändert das etwas für Patienten, wenn Therapeuten vor allem aus bessergestellten sozialen Schichten kommen? Die Effekte sozialer Unterschiede zwischen Therapeuten und Patienten sind nicht gut untersucht. Studien aus den USA deuten daraufhin, dass Therapeuten gut situierte Patienten bevorzugen. Heather Kugelmass hat das in einer Studie von 2016 untersucht.
"Wir haben 320 Psychotherapeuten aus New York City zufällig ausgewählt. Bei jedem haben zwei mögliche Patienten eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen und nach einem Termin gefragt. Die Anrufe kamen von einem schwarzen und einem weißen Anrufer aus der Mittelklasse oder von einem schwarzen und einem weißen Anrufer aus der Unterschicht."

Mehr Diversität unter den Therapeuten als Lösungsansatz

Die soziale Klasse wurde durch die Wortwahl, die Grammatik und den Akzent manipuliert. Der Akzent und der Name wurden so gewählt, dass sie den Stereotypen von Weißen und Schwarzen entsprechen. Alle gaben dieselben Beschwerden und denselben Versicherungsstatus an. So konnte die Forscherin untersuchen, wen Therapeuten lieber zurückrufen.
"Anrufer, die als Arbeiter identifiziert wurden, hatten einen eindeutigen Nachteil und wurden viel seltener zurückgerufen als Anrufer aus der Mittelschicht. Und unter den Mittelschichtsanrufern war es für Schwarze viel weniger wahrscheinlich als für Weiße, ein Terminangebot zu bekommen."
Auch in anderen Studien wurden bestimmte Kandidaten bevorzugt: junge, attraktive, intelligente und erfolgreiche. Mehr Diversität unter den Therapeuten – das wäre ein Lösungsansatz für mehr Diversität unter den Patienten. Dazu braucht es einen gerechteren Zugang zum Beruf des Psychotherapeuten. Zum Beispiel, indem Auszubildende, die ohnehin dieselben Tätigkeiten übernehmen wie ihre Kollegen, angemessen bezahlt werden.
Das kann funktionieren, wie die Ausbildung der Mediziner zeigt, sagt Birgit Spinath. "Da ist es so, dass man schon mit dem Studium einen Abschluss eine Approbation hat, die dann in ein Angestelltenverhältnis mündet."
So soll es in Zukunft auch bei den Psychotherapeuten werden. Das sieht ein Referentenentwurf für eine Reform der Psychotherapieausbildung aus dem Gesundheitsministerium vor. Es soll bald ein Hochschulstudium Psychotherapie geben. Nach einem solchen Master wären Absolventen approbiert und könnten dann während der darauffolgenden Weiterbildung angemessen bezahlt werden.
Die Auszubildenden sollen sich durch ihre Arbeit finanzieren können – Brigit Spinath hofft, "dass der Zugang zum Beruf gerechter wird, dass berufsangemessen auch bezahlt wird."
Dietrich Munz, Präsident der Psychotherapeutenkammer sieht das genauso. "Das ist gezielt Absicht dieser Reform, denn das war bisher ein großes Problem, dass die Betroffenen mit hohem finanziellen Aufwand ihre Ausbildung selbst bezahlen mussten."

Umstrittener Modellstudiengang Psychopharmakotherapie

Die Psychologen und psychologischen Therapeuten bewerten den Entwurf der Reform grundsätzlich positiv. Allerdings gibt es einen Punkt mit dem vor allem Mediziner bisher überhaupt nicht einverstanden sind: der Entwurf sieht auch einen Modellstudiengang vor, in dem Psychopharmakotherapie gelehrt werden soll. Auch Psychologen sehen das kritisch.
"Nicht nur ich, den halten sehr viele, eigentlich alle mit denen ich gesprochen habe für überflüssig, viele halten den für gefährlich", sagt der Psychotherapeut und Professor für klinische Psychologie Cord Benecke über den Modellstudiengang.
"Es würde dann so aussehen: die Studierenden lernen dann Psychotherapie so wie es an anderen Orten dann auch vorgesehen wird. Da sollen dann auch keine Abstriche gemacht werden. Aber daneben sollen dann die noch freien Credit Points, wie es so schön heißt, die sollen dann für ein Pharmakologiestudium verwendet werden."
Die Absolventen wären berechtigt Psychopharmaka zu verschreiben – das dürfen bisher nur ausgebildete Mediziner.
"Es kann nur ein, ja man muss es so sagen, Schmalspurstudium sein, was diesen Teil dann angeht, also die Psychopharmakologie. Es ist nicht absehbar, dass die komplexen Wechselwirkungen körperlicher Art dann dort alle mit erfassbar sind. Also das die Absolventen dann so kompetent sind, dass sie das alles absehen können. Es geht ja nicht nur um ein paar Nebenwirkungen, die man da kennen muss, sondern um Wechselwirkungen mit anderen körperlichen Erkrankungen und so weiter."
Bisher sträuben sich die Ärzte vehement gegen den Entwurf der Ausbildungsreform insgesamt, weil sie diesen Modellstudiengang Psychopharmakotherapie so kritisch sehen. Für die nächste Generation der Psychotherapeuten wäre es schade, wenn die Reform wegen des Modellstudiengangs scheitert. Für die Patienten auch.
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