Reform des EU-Urheberrechts

Dokumentarfilmer fürchten um die Panoramafreiheit

Dreharbeiten in Mecklenburg-Vorpommern bei einer italienisch-französischen Ko-Produktion in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern)
Dreharbeiten in Mecklenburg-Vorpommern © dpa / Georg Wendt
Moderation: Timo Grampes |
Dokumentarfilme bilden die Wirklichkeit ab. Doch nach dem Willen der EU sollen Werke anderer Künstler, die im Bild auftauchen, bald vom Urheberrecht geschützt sein. Thomas Frickel, Chef der AG DOK, warnt vor einer "Privatisierung der Wirklichkeit".
Der Klingelton des Interviewpartners, der Designer-Stuhl, auf dem er sitzt, die Musik, die im Hintergrund läuft, die Architektur eines gegenüber stehenden Gebäudes - für all das könnten Dokumentarfilmer künftig zur Kasse gebeten werden, denn alle diese Werke oder Motive haben ihrerseits einen Urheber - und die EU will das Urheberrecht demnächst weiter verschärfen.
Der aktuelle Entwurf sieht vor, dass Fotos von Gebäuden oder Kunstwerken im öffentlichen Raum durch den Rechteinhaber genehmigt werden müssen. Die Abstimmung über den Entwurf im Europäischen Parlament findet am 9. Juli statt - das eigentliche Gesetzgebungsverfahren hat EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger (CDU) für Ende des Jahres angekündigt.
Gesetzesinitiative ist nach hinten losgegangen
Dass sich das geplante Gesetz letztlich gegen die richtet, die es angestoßen haben, war so nicht geplant - denn die außerparlamentarische Initiative dazu ging von Wikimedia, der Muttergesellschaft von Wikipedia, aus. Da die Inhalte auf Wikipedia, darunter viele Fotos, mithilfe der "Creative Commons"-Lizenz und frei von Urheberkosten verbreitet werden, lag Wikimedia daran, die Panoramafreiheit EU-weit auf eine rechtlich verbindliche Grundlage zu stellen. Diese Initiative sei nun "nach hinten losgegangen", sagt John Weitzmann, Projektleiter Recht von Creative Commons Deutschland. "Dieser Text, der jetzt verabschiedet wurde, der ist eigentlich das Gegenteil von dem, was man erreichen wollte", so Weitzmann am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur.
Dokumentarfilmer wollen die "Wirklichkeit" nicht privatisiert sehen
Die AG DOK, die die Interessen deutschen Dokumentarfilmer vertritt, fürchtet, dass das geplante Gesetz die sogenannte Panoramafreiheit, also das Filmen oder Fotografieren der für jedermann sichtbaren Alltagsrealität, gefährden könnte. Thomas Frickel, Vorsitzender der AG DOK, warnt sogar vor einer "Privatisierung der Wirklichkeit". Wie Frickel sagt, habe es auch in Deutschland schon Versuche gegeben, Panoramafreiheit nur gegen Gebühr zuzulassen, dies sei aber am Gegenstand der in der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst vertretenen Urheber-Organisationen gescheitert
Findige Anwälte wollen das Urheberrecht immer weiter ausdehnen
Wenn das neue Gesetz verabschiedet werden sollte, würde die Panoramafreiheit nur noch für nicht-kommerzielle Zwecke gelten. Dokumentarfilmer dagegen würden ihre Arbeit komplett in Frage gestellt sehen. Es gebe eine Tendenz, "den urheberrechtlichen Schutz immer weiter zu ziehen", sagte Frickel am Montag im Deutschlandradio Kultur. Grund dafür sei, dass das Urheberrecht "ein viel schärferes Schwert" sei als ein einfacher Gebrauchsmusterschutz. "Daher sind findige Anwälte dabei, Urheberschutz auch für Dinge zu reklamieren, die diesen vorher nicht hatten."
Das jetzt geplante Gesetz sei ein "Anschlag auf die Panormafreiheit". Nicht nur Lizenzgebühren könnten die Folge sein. Ebenso könnten Rechteinhaber die Abbildung ihrer Werke komplett verbieten, fürchtet Frickel.
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