Die Videos der Webserie "Refugee 11" sind ab dem 7. April auf Youtube zu sehen. Die Erstausstrahlung des vom WDR und DOCDAYS koproduzierten Dokumentarfilms läuft am 17. Mai im WDR-Fernsehen.
Migranten spielen an der Spitze mit
Die Bundesliga rühmt sich ihrer Spieler aus der ganzen Welt - mit den Kriegsflüchtlingen kommen neue Talente hinzu. Im nordrhein-westfälischen Erftstadt gibt es eine nur aus Exilfußballern existierende Mannschaft, die am offiziellen Spielbetrieb teilnimmt - unter dem Titel "Refugee 11".
Das Trainingsgelände von Borussia Dortmund. Zwei Fußballer treffen sich: Der frühere BVB-Verteidiger Neven Subotic und Abdullah Youla Daffe aus Guinea. Sportlich trennen sie Welten: Der eine ein gefeierter Bundesligastar, der andere Mittelstürmer in der Kreisliga. Und doch haben sie etwas gemeinsam: Sie kamen beide als Flüchtlinge nach Deutschland. Ein Dialog zwischen den beiden:
"Abdullah, wie ist es jetzt dazu gekommen, dass du in Deutschland bist?" – "Ich bin über Mali, Mauretanien und Marokko nach Deutschland. Und du Neven, ich muss wissen, ob du bist in Deutschland geboren?" – "Ich bin nicht in Deutschland geboren."
Das kurze Video mit den beiden ist eine von insgesamt elf Episoden der Webdoku "Refugee 11". Darin treffen Geflüchtete, die in der Vierten Mannschaft des SC Germania Erftstadt-Lechenich spielen, auf gestandene Bundesliga-Profis. Profis, die ebenfalls auf eine Migrationsvergangenheit zurückblicken.
Antje Boehmert, Produzentin der Webserie: "Schön ist ja, dass es keine Konfrontation ist, sondern ein Gespräch, und dass diese Gespräche auf Augenhöhe stattgefunden haben. (…) Das ist vielleicht ein Gespräch von Menschen, die sich so nicht jeden Tag begegnen würden, aber die sich in Wirklichkeit sehr viel zu sagen haben. Und das haben wir dokumentiert."
Anfangs ein wilder Haufen
Zeitgleich mit der Webserie entstand auch eine lange Dokumentation, in der die Mannschaft aus Geflüchteten ein Jahr lang von einem Filmteam begleitet wurde. Anfangs eher ein wilder Haufen, landete die Mannschaft am Ende der Saison auf einem respektablen 10. Platz. Insgesamt wurden im Laufe der Spielzeit Fußballer aus 17 Nationen eingesetzt, vor allem aus Bürgerkriegsregionen wie Syrien, Irak, Afghanistan und Nordafrika.
Sandy Auert, Integrationsbeauftragte der Stadt Erftstadt: "Der Sport gibt ihnen die Möglichkeit, in Bewegung zu bleiben, Spaß zu erfahren – es entwickelt einfach auch ein Mannschaftsgefühl, ein Solidaritätsgefühl. Man kann sich austauschen untereinander, und man ist integriert in einen öffentlichen Raum. Man ist nicht einfach nur abgeschoben in eine Unterkunft, sondern man bewegt sich im öffentlichen Raum."
Nicht immer funktioniert Integration so reibungslos, wie es sich die Anhänger einer freundlichen Willkommenskultur wünschen. Auch unter den Flüchtlingen gab es gelegentlich heftigen Zoff, selbst gegen rassistische Vorurteile musste vereinzelt angegangen werden, berichtet Trainer Alois Görgen.
"Wenn Rassismus kommt, wenn irgendwelche Fremdenfeindlichkeiten aufkommen, das versuchen wir zu deeskalieren. Wir hatten schon Spiele gehabt, wo es das Problem gab, da haben wir wirklich zwei Trainingseinheiten dazu verwendet, das Thema mit der Mannschaft auszudiskutieren…"
Höhen und Tiefen - ein Jahr, hautnah
Diskriminierung und Fluchtgründe – das sind Themen, über die sich in der Webserie auch Außenverteidiger Eyad Ibrahim und der ehemalige Schalker Stürmer Gerald Asamoah austauschen.
"Glückauf, wie geht‘? Gut, und bei dir?" – "Schön, bei mir auch. Wie lange bist du hier? 14 Monate? Und warum musstest du fliehen?" – "Es gibt Krieg in Syrien. Man kann nicht weiterleben." – "Syrien, was hast du da gemacht? Hast du gearbeitet?" – "Ich hab Englisch studiert in Damaskus. Als mein Studium fertig war, konnte ich nicht mehr bleiben, weil ich musste zur Armee. Was ist deine Geschichte?"
Jean Boué, Regisseur von "Refugee 11" und seine Crew durchlebten ein Jahr lang Höhen und Tiefen des Teams hautnah mit. Nicht selten korrespondierte die Stimmung in der Mannschaft mit der unsicheren existentiellen Situation einzelner Spieler. Unter dem Strich aber registrierte Boué einen erstaunlichen Aufschwung des Teamspirits.
"Es gibt einen ghanaischen Kapitän, der selbst in einer ganz schwierigen Phase ist, weil er auch nicht weiß, wie lange er bleiben darf. Aber dieses Kapitänsdasein gibt ihm natürlich enorm viel Verantwortung. Und dadurch hat er auch diesen Hühnerhaufen zusammen zu halten."
Mahmoud Dahoud hat es schließlich auch geschafft
Was aber offenbar immer besser gelingt. In der laufenden Saison haben sich Zusammenhalt, Kondition und taktisches Verständnis der Mannschaft so weit entwickelt, dass sie sogar in der Spitze mitspielt. Bei einigen weckt das bereits höhere Ambitionen. Trainer Alois Görgen will da nichts ausschließen.
"Für uns war immer das Entscheidende, die Spieler müssen selbst mal ankommen. Dann sind sie auch gewappnet, um vielleicht ne höhere Aufgabe anzugehen. Und vielleicht schafft mal einer den Sprung in höheren Ligen. Zu wünschen wär’s."
Einer wie der aus Syrien stammende Mahmoud Dahoud von Borussia Mönchengladbach hat es doch schließlich auch geschafft.