Nicht nur Refugee Teachers, auch Lehrer aus anderen EU-Ländern haben hohe Hürden zu überwinden, wenn Sie in Deutschland als Lehrer arbeiten wollen. Hören Sie dazu den Beitrag von Anh Tran aus der Sendung Zeitfragen vom 24.02.2020: Audio Player
Das Kreuz mit der Sprache
07:27 Minuten
Das Potsdamer Refugee Teachers Programm hilft seit 2016 geflüchteten Lehrern und Lehrerinnen beim Berufseinstieg. Von den bisher 85 Absolventen sind allerdings nur wenige im Schuldienst angekommen - auch weil die Politik Einstiegshürden höhergesetzt hat.
Ein schlichter Seminarraum an der Universität Potsdam. Vier Männer und zwei Frauen sitzen im Kreis. Sie alle sind Lehrkräfte aus Syrien und nehmen am Refugee Teachers Program teil. Das Programm dauert drei Semester. Voraussetzung für die Teilnahme sind: ein Hochschulabschluss und Erfahrungen als Lehrkraft.
"Dann begrüße euch noch einmal herzlich zu der heutigen ersten Sitzung, die wir haben im Rahmen des pädagogischen Einführungsseminars", sagt Projektleiterin Anna Wojciechowicz. Sie stellt in diesem Seminar das deutsche Schulsystem vor. Bevor es aber um deutsche Schultypen, den Föderalismus, die Kultuskonferenz und vieles mehr geht, wird über die syrische Schule geredet:
"Die Schultag von Sonntag bis Donnerstag, und auch vier, fünf Stunden, eine Unterrichtsstunde ist ungefähr 45 Minuten wie hier in Deutschland auch."
Die Refugee Teachers in Potsdam besuchen Pädagogik- und Didaktikseminare, hospitieren an verschiedenen Schulen und lernen vor allem Deutsch. Denn sie sollen das Sprachniveau C1 erreichen. In nur 18 Monaten das zweithöchste Niveau zu erwerben, ist sehr ambitioniert. Muhanad Alhassan ist jetzt im zweiten Semester und spricht auf B2-Niveau Deutsch:
"Die Sprache ist so schwer. Aber wir versuchen, dass wir die Sprache schaffen. Ich kann verstehen, gut verstehen, aber manchmal ist die Grammatik und auch wie kann ich die Antworten geben."
Wie gut muss das Deutsch der Einsteiger sein?
Bis vor Kurzem konnten die Potsdamer Absolventen mit dem C1-Zertifikat befristet als Assistenzlehrkräfte an öffentlichen Schulen in Brandenburg arbeiten. Ein Zugeständnis an das Programm. Inzwischen aber dürfen neue Absolventen nur noch als sogenanntes "sonstiges pädagogisches Personal" arbeiten. Das bedeutet: Sie sind nicht mehr im Unterricht, sondern bieten Arbeitsgemeinschaften an und übersetzen für arabischsprechende Eltern. Zudem werden sie nun schlechter bezahlt.
Begründet wurde der Schritt mit der Gleichbehandlung aller Bewerberinnen und Bewerber aus dem Ausland, die eben das C2-Niveau nachweisen müssen. Dabei hätte das Bildungsministerium auch entscheiden können, alle mit C1 zuzulassen. Der Bruch der ursprünglichen Vereinbarung war für die Projektbeteiligten ein Schock. Das C2-Niveau zu erreichen, dauere sehr lange, meint Miriam Vock von der Universität Potsdam, die das Programm ins Leben gerufen hat:
"Das ist ein Niveau fast wie ein Muttersprachler, ein anspruchsvolles akademisches Niveau, und das muss auch das Ziel sein, das denke ich auch, aber das geht nicht so schnell. Das geht, wenn man viel Sprachpraxis im Beruf hat - mit Kollegen, mit Kindern. Gleichzeitig braucht man aber auch systematisch einen Kurs. Dann bin ich optimistisch, dass viele Absolventen das schaffen können."
Vock plädiert dafür, alle ausländischen Lehrkräfte erstmal auf C1-Niveau einzustellen und ihnen genug Zeit zu geben, im Beruf C2 zu erreichen. Doch die Politik sträubt sich. Das "Sprachniveau abzusenken" könne nicht das Ziel sein. Für Laien klingt das plausibel. Nicht angesprochen wird dabei allerdings, dass auch C1 ein sehr hohes Sprachniveau ist. In welcher Form das Refugee Teachers Program überhaupt weitergeht, darüber verhandeln die Potsdamer Universität und die Landesregierung im März. Neue Teilnehmer werden vorerst nicht aufgenommen. Dabei ist das Interesse groß. Allein im ersten Durchgang gab es rund 700 Bewerber auf die 25 Plätze. Mittlerweile haben 85 Personen das Programm beendet. Im Schuldienst angekommen sind allerdings nur wenige.
"Ich schaffe das"
Mohadeseh Khazaei hat das Programm absolviert. Lehrerin sei ihr Traumberuf, sagt sie und erinnert sich an ihren ersten Schultag in Deutschland.
"Ich dachte: Okay, ich bin wieder da, ich kann arbeiten, meine Kompetenzen wieder zeigen. Und auch: Ich habe wieder Kinder gesehen, Schule, in diese Atmosphäre. Ich dachte: Okay, ich schaffe das. Ja, das war ein gutes Gefühl und immer noch."
Khazaei kommt aus dem Iran, ist 30 Jahre alt, hat Informatik studiert und nebenher fünf Jahre Mathematik unterrichtet. Seit fast einem Jahr arbeitet sie nun als Assistenzlehrerin an einer Grundschule in Potsdam. Sie unterstützt im Unterricht und gibt auch Vertretungsstunden.
"Es gibt kein Problem bei Mathematik-Themen oder im Computerraum auch. Sie fragen immer, wie geht's so, wir brauchen Hilfe. Können Sie bitte mir helfen, weil, ich komme nicht weiter, ich brauche Ihre Hilfe."
Khazaei fühlt sich wohl an der Schule und von Kindern und Kollegen wertgeschätzt:
"Ich finde diese Idee, dass wir erst als Lehrerassistent arbeiten, klug und ich bin dafür. Wir lernen immer viel. Jetzt ich denke, geht noch, aber natürlich später nach ein paar Jahren möchte ich auch meinen eigenen Unterricht haben."
Ihr Vertrag läuft bis Ende des Schuljahres. Es ist offen, wie es mit ihr und den anderen Refugee Teachers weitergeht. Die Anforderungen wurden hochgeschraubt.
Ihr Vertrag läuft bis Ende des Schuljahres. Es ist offen, wie es mit ihr und den anderen Refugee Teachers weitergeht. Die Anforderungen wurden hochgeschraubt.
Geflüchtete Lehrer brauchen spezielle Qualifikationsangebote
Auf der anderen Seite ist das Bildungssystem auf die Geflüchteten nicht vorbereitet, denn jeder bringt andere Qualifikationen und Defizite mit. Wir brauchen flexible Angebote an den Universitäten, sagt Miriam Vock.
"Bisher ist es hier zum Beispiel nur möglich, ein Lehramtsstudium noch einmal zu machen, es fehlen noch die maßgeschneiderten Angebote, dass man einfach nur bestimmte Bestandteile wiederholen kann. Das zweite Problem ist, dass es schwierig ist, das berufsbegleitend zu machen. An der Uni liegen die Veranstaltungen irgendwann am Vormittag in der Woche und dann sind die Lehrkräfte ja eigentlich in der Schule und müssen arbeiten."
Die Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg, Doris Lemmermeier, hat das Programm von Anfang an begleitet und oft mit dem Bildungsministerium gesprochen. Sie könne verstehen, dass man auf hohe sprachliche Standards achtet, sagt sie. Doch:
"Im Unterschied zu anderen Quereinsteigern habe ich keine pädagogischen Neulinge, sondern Menschen, die diesen Beruf schon lange leben und ausfüllen. Ich muss ihnen nur die Chance geben, auch Quereinsteiger sein zu können. Und da ist jetzt eben das Hindernis, dass der Sprachabschluss C2 gefordert wird."
Die Brandenburger Integrationsbeauftragte hofft weiterhin auf eine neue Entscheidung, die Absolventen schnell in die Schulen bringt.