Auf Schmugglers Pfaden in Iranisch-Kurdistan
Damenbinden und Champagner, Seife und Klimaanlagen: Zwischen Iran und Irak wird so gut wie alles geschmuggelt. Nachts rasen die Schmuggler auf Pisten und unbefestigten Straßen über die Grenze. Die Polizei wird bestochen und drückt ein Auge zu.
15 Männer hocken mittags weitab befestigter Wege im nördlichen Zagros-Gebirge um ein Lagerfeuer, schneiden Fleisch, würzen es und braten es direkt auf der Holzkohle. 15 Männer in Pluderhosen, mit rauen Händen und entschlossenen Gesichtern. Sie sprechen Zorani und Ardelani – zwei Dialekte, die von Kurden im Iran und im Irak verstanden werden.
Adnan Hoshyar: Der 29-Jährige verdingt sich als Fahrer von "legaler" Schmuggelware.
"Wir haben hier weder Landwirtschaft noch Industrie. Wir haben keine andere Einnahmequelle. Wir sind wirklich arm und unsere einzige Chance ist dieses Geschäft."
Dieses Geschäft: Träger mit breiten Rücken und stämmigen Beinen schleppen Waren über die Berge aus Irakisch-Kurdistan nach Iranisch-Kurdistan.
"Reifen. Seifen, Klimaanlagen, Stoffe, Kleidung, Küchengeräte, Fernseher und Waschmaschinen sind Sachen, die von der Grenzpolizei genehmigt sind."
Drogen und Waffen über Schleichwege
Adnan Hoshyar transportiert die Güter weiter in die Städte Marivan, Kermanshah oder Sanandaj. Nicht genehmigt sind: Alkohol, Drogen, Waffen. Auch sie gelangen auf Schleichpfaden in die Islamische Republik, sagt der Schmuggler Omar Rasul auf der irakischen Seite der Grenze.
"Ich handle mit Whiskey und Bier. Die Sachen kommen aus ganz Europa hierher. Von hier aus schmuggeln wir sie dann in den Iran. Im Iran ist Alkohol verboten."
Wodka, Wein, Champagner, Rum – alles ist im Iran gegen Bares erhältlich. Im Affenzahn rasen allradgetriebene Wagen nachts über Pisten und unbefestigte Straßen. Wer bremst, verliert. Nachts peitschen Schüsse durchs Gebirge. Immer wieder gibt es Tote. Die Grenzpolizei gewähre gegen einen entsprechenden Obolus kleine unbeobachtete Zeitfenster, erzählt der Händler Ali Reza. Er selbst lässt Ersatzteile für Autos und Maschinen ins Land bringen.
"Ich gebe die Ware im irakischen Soleymanieh den Schmugglern. In Halabja ist es eigentlich besser, weil sie dort über Lager verfügen. Die Ware muss möglichst unverpackt sein. Ich gebe ihnen dann die Adresse im Iran, bezahle den Transport und kehre zurück in den Iran. Von dort aus verfolge ich den Transport."
Ali Reza könnte den legalen Weg über die Zollstation Bashmaq wählen. Doch das wäre erheblich zeitaufwendiger. Und sein Risiko sei gering, versichert der 35-Jährige.
Versicherungen für Schmuggler
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ware von Grenzposten beschlagnahmt wird, ist nahe null, weil die ja ihren Anteil von den Schmugglern bereits bekommen haben.
Das Schmuggeln von Gütern und Waren sei so gut organisiert, erklärt Ali Reza, dass die Schmuggler sogar Versicherungen anböten.
Die Ware könne auf dem Weg von der Grenzregion nach Teheran verloren gehen, räumt Ali Reza ein.
"Kommt es dazu, bemüht sich der Besitzer gar nicht mehr um die Ware. Die Schmuggler erstatten ihm den Verlust. Wenn ich zum Beispiel den Wert der Ware mit 5000 Euro angegeben habe, überweisen sie mir das Geld auf mein Konto."
Adnan Hoshyar und die anderen Fahrer warten an diesem Tag vergebens auf die Träger mit Klimaanlagen, Kühlschränken, Seife oder Damenbinden. Die Träger streiken. Für ihren Knochenjob bekommen sie umgerechnet 100 Euro im Monat. Sie fordern mindestens 150 Euro. Ihre Chancen sind nicht gut. Zu viele Menschen in Iranisch-Kurdistan sind arbeitslos und gerne bereit, für wenig Geld beschwerliche Wege zu gehen.