Regierungskrise in Niedersachsen

Weil will möglichst bald Neuwahlen

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Regierungssprecherin Anke Pörksen treffen am 04.08.2017 zu einer Pressekonferenz vor der Staatskanzlei in Hannover (Niedersachsen) ein. Weil ist nach dem Verlust der rot-grünen Regierungsmehrheit für eine rasche Neuwahl des Landtags, will aber nicht zurücktreten.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mit seiner Sprecherin Anke Pörksen. © picture alliance / dpa / Holger Hollemann
Von Dietrich Mohaupt |
Die niedersächsische Grünen-Abgeordnete Elke Twesten wechselt fünf Monate vor der nächsten Landtagswahl zur CDU. Für Stephan Weil, SPD-Ministerpräsident und Chef der rot-grünen Landes-Koalition, ist das ein "unsägliches" Verhalten. Er will so schnell wie möglich Neuwahlen.
Ein erkennbar mehr als nur angefressener Ministerpräsident trat am frühen Nachmittag vor der Staatskanzlei in Hannover vor die versammelte Presse. Rücktritt? Ausgeschlossen betonte Stephan Weil:
"Ich stelle mich jederzeit sehr gerne dem Wählerwillen – aber ich werde einer Intrige nicht weichen!"

Weil kritisiert "unsägliches" Verhalten

Für den Chef der rot-grünen Landesregierung steht offenbar ganz klar fest: Das ist kein demokratischer Prozess, der hier abläuft.
"Wenn eine Abgeordnete des niedersächsischen Landtages aus ausschließlich eigennützigen Gründen die Fraktion wechselt und damit die von den Wählerinnen und Wählern gewollte Mehrheit im niedersächsischen Landtag verändert, halte ich das persönlich für unsäglich, und ich halte es für sehr schädlich für unsere Demokratie. Wenn die CDU im niedersächsischen Landtag sich dieses Verhalten aktiv zu eigen macht und sich daran beteiligt, gilt für sie genau das gleiche! "
Aus den Ereignissen des Tages könne es nur eine Konsequenz geben, so Stephan Weil weiter:
"Ich halte es deswegen für unabdingbar, dass der niedersächsische Landtag möglichst rasch seine Selbstauflösung beschließt und möglichst bald bei uns in Niedersachsen Neuwahlen stattfinden."
Die ehemalige Grünen-Politikerin Elke Twesten im Landtag in Hannover.
Die ehemalige Grünen-Politikerin Elke Twesten bringt die rot-grüne Koalition in Niedersachsen durch ihren CDU-Übertritt ins Wanken.© dpa-Bildfunk / Holger Hollemann
Also – Neuwahlen, und das fünf Monate vor dem Ende der Legislaturperiode. Ausgelöst hatte diese Regierungskrise die Landtagsabgeordnete Elke Twesten – bisher Bündnis90/Die Grünen, künftig CDU. Völlig überraschend war sie am Vormittag vor die Presse getreten.
"Ich habe heute meinen Austritt aus der Partei Bündnis90/Die Grünen erklärt, der ich seit 20 Jahren angehöre. Gleichzeitig verlasse ich nach 10 Jahren die Landtagsfraktion der Grünen – und dieser Schritt fällt mir nicht leicht, aber er ist notwendig. Ich sehe bei den Grünen weder vor Ort noch im Land eine politische Zukunft."

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte

Schon seit Jahren hatte die bei den Grünen für Frauenpolitik im Landtag zuständige Politikerin sich offen für eine Zusammenarbeit mit der CDU ausgesprochen – was nicht überall auf Gegenliebe stieß. Im Frühjahr scheiterte sie mit ihrer Bewerbung als Landtags-Direktkandidatin der Grünen in ihrem Wahlkreis – das sei der berühmte Tropfen gewesen, der das Fass zum überlaufen gebracht habe, erklärte sie heute. Aber:
"Ich bin keine Verräterin, ich fühle mich sehr gut!"
Und auch Bernd Althusmann, Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der niedersächsischen CDU für die Landtagswahlen in fünf Monaten, sieht die "Überläuferin" nicht als Verräterin.
"Das ist unzweifelhaft eine Entscheidung, die man zu respektieren hat. Man sollte da jetzt auch nicht irgendwie irgendwas hineininterpretieren, sondern so eine Sache, das macht man nicht mal eben nebenher! So etwas wächst, und offensichtlich hat es diesen Entfremdungsprozess gegeben letztendlich hat man es zu akzeptieren, es ist ihre Entscheidung und sie wird gerne in die CDU in Niedersachsen aufgenommen!"

Die CDU spricht nicht von Intrigen

Von Intrige oder irgendwelchen Deals, die es im Zusammenhang mit dem Fraktionswechsel gegeben habe, will Althusmann nichts hören – da gebe es keinerlei Spielraum für irgendwelche Spekulationen.
"Ich habe Null Komma Null darauf eingewirkt – im Gegenteil, ich habe Frau Twesten alle Konsequenzen die so etwas hat für eine Politikerin wie sie aufgezeigt – aber es ist ihre ganz persönliche eigene Entscheidung gewesen."
Die ehemaligen Parteifreunde von Elke Twesten bedauerten die Entscheidung – und sie verlangten die Rückgabe des Landtagsmandats, schließlich sei sie über die Landesliste der Grünen in das Parlament eingezogen, nicht als direkt gewählte Kandidatin. Die Landtagsfraktion der SPD hat sich bereits zu Beratungen über den weiteren Ablauf getroffen – möglicherweise kann schon in der nächsten Landtagssitzung Mitte August ein Antrag zur Selbstauflösung des Parlaments eingebracht werden.
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