Der Filmemacher, Regisseur und Autor Andres Veiel wurde 1959 in Stuttgart geboren. Er studierte Psychologie und absolvierte parallel eine Ausbildung in Regie und Dramaturgie am Künstlerhaus Bethanien in Berlin, unter anderem bei dem polnischen Filmregisseur Krzysztof Kieślowski. Einem großen Publikum wurde Veiel 2001 durch den Dokumentarfilm "Black Box BRD" bekannt, der zahlreiche Preise bekam. 2011 lief sein erster Spielfilm "Wer wenn nicht wir", dem andere Filme folgten. 2005 wurde sein Theaterstück "Der Kick" uraufgeführt und feierte große Erfolge. 2017 hatte der Dokumentarfilm "Beuys" auf der Berlinale Premiere.
Symptom für ein tief gespaltenes Land
13:30 Minuten
Der Regisseur Andres Veiel spricht tief besorgt über die Regierungskrise in Thüringen. Nur über Personalien zu reden, greife viel zu kurz. Das Polit-Debakel ist Veiel zufolge vielmehr Ausdruck einer Gesellschaft, deren Erinnerung an die NS-Zeit getrübt ist.
Der Regisseur Andres Veiel sieht in den Vorgängen in Thüringen kein Problem, das in erster Linie mit Personen oder politischer Führung zu tun hat. Es gehe viel mehr um Strukturen, sagt er. Die Bundesrepublik sei ein gespaltenes Land. Der Riss gehe auch quer durch die CDU - selbst in der Mitte der Partei hätten viele anfangs die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten als Erfolg gefeiert. "Das zeigt, dass die Erinnerungskultur in einer großen Krise ist", so Veiel.
Die Konsequenzen der Entscheidung, Kemmerich zu wählen, seien in der CDU-Fraktion bewusst in Kauf genommen worden, betont Veiel. Die Hand, die man der AfD hier gereicht habe, werde von vielen in der CDU bewusst ausgestreckt. "Es ist ja kein Zufall, dass 22 Abgeordnete so gestimmt haben, weil sie es inhaltlich eigentlich im Geheimen mittragen. Das ist das Hauptproblem."
In der deutschen Gesellschaft sei es salonfähig geworden, von der Versöhnung des Nationalen mit dem Sozialen zu sprechen, kritisiert Veiel in Anspielung auf eine Denkschrift, die die stellvertretenden CDU-Fraktionschefs in Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, verfasst hatten:
National plus sozial und ein Vogelschiss
"Da steckt das Wort NSDAP drin, ob man will oder nicht. Wenn wir uns jetzt nur auf Personalien konzentrieren, denken wir in die falsche Richtung."
Auch Alexander Gaulands Satz über den Nationalsozialismus als "Vogelschiss" der deutschen Geschichte sei bei vielen hängen geblieben. Man müsse nun überlegen, wie man die Erinnerung an die NS-Zeit und den Holocaust lebendig halte - um eine "Brandmauer zu bauen".
Gerade viele jungen Menschen hätten in Thüringen die AfD gewählt und auch die dortige Junge Union habe die Wahl Kemmerichs begrüßt. Es sei also die Frage, wie man junge Menschen besser erreichen könne: "Wie wir - ohne von oben herab aufklären zu wollen - deutlich machen können, was auf dem Spiel steht."
Man laufe auf eine Polarisierung des Landes zu, wo kein Dialog mehr möglich sei, sagt Veiel - und Thüringen sei ein "sehr schmerzhaftes Symptom dieser Polarisierung."
(ahe)