Regina Nössler: "Die Putzhilfe"

Aufzeichnungen aus einer Kellerwohnung

03:52 Minuten
Buchcover von Regina Nösslers Krimi "Die Putzhilfe", auf dem eine dunkle Häuserkulisse nur von einer Straßenlaterne beleuchtet wird.
"Die Putzhilfe" ist das 17. Werk von Autorin Regina Nössler. © Konkursbuch Verlag / Deutschlandradio
Von Tobias Gohlis |
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Freiheit, Kontrolle, Überforderung: Das sind die Themen in Regina Nösslers neuem Krimi "Die Putzhilfe". Er reiht sich in ihre feinpsychologischen Studien über die Abgründe des normalen Alltags ein, in den beinahe unbemerkt Gewalt und Niedertracht einziehen.
Eine nicht mehr ganz junge Frau hat ihre Habseligkeiten gepackt und macht sich unter Beachtung diverser Sicherheitsmaßnahmen in einer Novembernacht auf in ein neues Leben unter falschem Namen. Mann, Spießerhaus und Kleinstadt lässt sie auf dem Lande in der Nähe von Münster zurück und findet in Berlin-Neukölln eine Kellerwohnung.
Bei einem Museumsbesuch fällt ihr eine ältere Dame quasi vor die Füße. Unwillig hilft sie ihr, widerwillig lässt sie sich von der Gestrauchelten zum Kaffee einladen, widerstrebend nimmt sie bei der Professorenwitwe den Job als Putzhilfe im vornehmen Dahlem an. Schließlich muss sie in ihrem neuen Leben Geld verdienen, auch wenn sie noch von dem Konto zehren kann, das sie sich heimlich eingerichtet hat.
Den Thriller "Die Putzhilfe" erzählt Regina Nössler strikt aus der Perspektive dreier verstörter Frauen. Die Leserinnen und Leser bekommen nur so viel mit, wie die Protagonistinnen preisgeben, und sind daher auf Vermutungen angewiesen: Wer oder was hat die promovierte Soziologin Franziska gezwungen, unterzutauchen und sich eine neue, gänzlich unscheinbare Identität als Putzfrau zuzulegen? Ihr kontrollwütiger Ehemann? Warum versteckt die Professorenwitwe eine Pistole in ihrer Wohnung? Und was ist mit der Familie der 15-jährigen Sina los, die nach einem gescheiterten Überfall Vertrauen zu Franziska fasst?

Leserschaft wird mit eigenen Vorurteilen konfrontiert

Regina Nössler spielt virtuos auf dem Klavier der umlaufenden Vorurteile. Fast alle Vermutungen, die sie den Leserinnen und Lesern nahelegt, laufen ins Leere und entpuppen sich als Stereotype. Den Verallgemeinerungen der Soziologie wie den gängigen Krimierwartungen schlägt die vertrackte Realität ein Schnippchen nach dem anderen. "Was ist wirklich geschehen?" Das will man wissen.
"Die Putzhilfe" handelt von Kontrolle und sozialen Normen, von Einengung und Befreiung, von realer und eingebildeter Überforderung. Alle diese Themen bilden den schwebenden Hintergrund einer ebenso überraschenden wie spannungsreichen Handlung. Einmal verlässt Franziska ihr Kellerloch und erfährt in der Weite des Tempelhofer Feldes ein großartiges Gefühl der Freiheit. Das ist prompt der Beginn einer neuen Unfreiheit. So viel darf verraten werden.

Regina Nössler: "Die Putzhilfe"
Konkursbuch Verlag, Tübingen 2019
402 Seiten, 12,90 Euro

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