Vom Acker bis zum Teller
Mit einer Aktiengesellschaft sammelt die Regionalwert AG Rheinland Kapital von Bürgern, um Geld in ökologische Betriebe zu investieren. Die Wertanlage steht nicht im Vordergrund, sondern die Beteiligung an Projekten, die ein sehr gutes Lebensgefühl verschaffen.
"Wir verarbeiten die 300.000 Liter Milch, die wir hier am Hof erzeugen, komplett in diesen Räumen, in dieser Käserei mit sechs Mitarbeitern. Hier sieht man zwei Kessel, in denen eben der Käse gemacht wird, ein Kessel, in dem Joghurt hergestellt wird."
Olaf Seyd ist Käser und einer von vier Geschäftsführern auf Haus Bollheim.
Der Bio-Hof liegt etwa 40 Kilometer südlich von Köln. Die roten Backsteingebäude gehörten früher einmal zum Schloss Bollheim. Das Schloss ist längst abgerissen. Zurückgeblieben ist ein Gut, auf dem heute eine Käserei, eine Bäckerei, Gemüseanbau, Milchkühe und ein Hofladen Platz finden. Ich habe mich hier mit Dorle Gothe verabredet. Wir wollen über das Projekt "Regionalwert AG Rheinland" sprechen.
"Wir haben eine Aktiengesellschaft gegründet, um Kapital von Bürgern, Unternehmern, Stiftungen, von Menschen aus der Region einzusammeln, um das zu investieren in ökologische Betriebe. Die Betriebe, die dann von uns Geld bekommen als Beteiligung, die verpflichten sich, so regional wie möglich zu wirtschaften und bestimmte Kriterien im sozialen und im ökologischen Bereich, was Naturschutzkriterien zum Beispiel angeht, zu erheben und uns zu melden und in einem Bericht zusammenzufassen."
Enger Kontakt zu den Konsumenten
Die Unternehmens-Idee stammt von Christian Hiß, einem Bauern aus Freiburg. Mit Hilfe einer Bürgeraktiengesellschaft baute er vor zehn Jahren ein regionales Netzwerk aus inzwischen 25 ökologisch wirtschaftenden Betrieben auf. Gleichzeitig stellt die Aktiengesellschaft auch einen engen Kontakt zwischen den Betrieben und den Konsumenten her: Bürgerinnen und Bürger erwerben Aktien und finanzieren damit ökologische Betriebe in der Region.
"Das ist ja 'ne gesellschaftliche Aufgabe, alle sollen daran teilhaben. Und das war die Idee der Regionalwert AG, durch eine Beteiligung vom Acker bis zum Teller, dass sich alle drum kümmern und auch sehen und lernen, was Landwirtschaft eigentlich noch bedeutet."
Dorle Gothe hat ökologischen Landbau und nachhaltige Regionalentwicklung studiert. Sie kennt die Probleme der Biobauern und will auch bei den Verbrauchern ein Bewusstsein für die Arbeit der Landwirte schaffen.
Dass es für die Aktien-Besitzer auf absehbare Zeit keine Gewinnausschüttung geben wird, ist für Christian Schirmer Teil der Vereinbarung. Er ist Aktionär der ersten Stunde und von dem Konzept voll überzeugt:
"Ich sehe die Wertanlage immateriell – oder die Dividende. Wenn ich weiß, das Geld, was vielleicht sonst auf dem Konto schlummern würde, damit wird jetzt was Sinnvolles gemacht. Das verschafft mir ein sehr gutes Lebensgefühl."
Nachfolger für den Hof finden
Hans von Hagenow: "Guten Morgen!"
Mitarbeiter: "Guten Morgen!"
Mitarbeiter: "Guten Morgen!"
Zurück auf Haus Bollheim: Hans von Hagenow lebt im alten Gutshaus. Vom Fenster seines Wohnzimmers aus kann er die Folientunnel überblicken, in denen Gemüse angebaut wird. Er arbeitet seit 30 Jahren auf dem Bauernhof und ist ebenfalls Geschäftsführer:
"Was mich an dem Konzept der Regionalwert AG begeistert, ist, es geht nicht da drum, bekomme ich von irgendwelchen Menschen einen Kredit oder Geld geliehen. Sondern, dass das ein Konstrukt ist, wo gesagt wird, ich möchte, dass diese Art der Landwirtschaft sich entwickeln kann und gehe über diese Beteiligung mit ins unternehmerische Risiko."
Cirka 80 Kilometer Luftlinie von Haus Bollheim entfernt liegt der Breuner Hof.
Der Hof im Bergischen Land, östlich von Köln, ist bereits Teil des 2016 gegründeten Netzwerkes. Hardy Burgmer ist ein hagerer Mann mit Brille. Der 60-Jährige sitzt mit seinen Mitarbeitern beim Mittagessen. Seine Frau Petra hat Nudelauflauf für alle gekocht. Die Burgmers haben die Idee der Regionalwert AG aus Freiburg ins Rheinland getragen. Nachdem klar war, dass die Kinder den Hof nicht übernehmen werden, haben die Burgmers nach einer Lösung gesucht, wie sie den Betrieb dennoch erhalten können:
"Ja, dat Problem hab nicht nur ich, oder wir als Betrieb, sondern zwei Drittel der Kollegen haben dat Problem der Hofnachfolge. Und ich hab festgestellt: Die Nachfrage ist da von jungen Leuten, die einfach mitmachen wollen, genau wie hier Schimon und Carla, die als Quereinsteiger kommen."
Wert und Würde der Kuh
Die Burgmers haben ca. 30 Prozent des Breuner Hofs als Sacheinlage in die Aktiengesellschaft eingebracht. Im Gegenzug dafür haben sie Aktien erhalten. Jungbauer Schimon und seine Frau Carla wollen den Betrieb übernehmen. Sie arbeiten und leben schon jetzt auf dem Hof und sind froh, die Regionalwert AG hinter sich zu wissen.
Hardy Burgmer hat 70 Milchkühe. Vor 20 Jahren hat er seinen konventionellen Milchviehbetrieb auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. Seitdem spürt er wieder eine Erfüllung in seiner Arbeit. Der Mann mit den raspelkurzen Haaren kennt alle seine Kühe mit Namen:
"Rupa. Das ist die intelligenteste Kuh. Die zieht als einzigste selbstständig Kraftfutter im Melkstand. Jeder der'n Haustier hält, hat 'ne Beziehung zu ner Katze, zu 'nem Hund, und wo ist die Kuh da irgendwo auf der Strecke geblieben? Dat geht mir nicht in den Kopf rein. Dat war früher'n Haustier und heute ist es ein Nutztier. Und wenn wir der Kuh diesen Wert und diese Würde wieder zurückgeben, dann glaub ich, sind wir auf 'nem guten Weg einfach. Und dat die Bauern wieder den Stellenwert bekommen, in der Gesellschaft."