Der Sohn des Funktionärs
35:50 Minuten
Mit 54 Jahren bringt Andreas Goldstein seine ersten Langfilme ins Kino, darunter eine Dokumentation über seinen Vater Klaus Gysi. „Der Funktionär“ ist die Annäherung an einen Mann, der in der DDR an oberster Stelle mitmischte.
Andreas Goldstein, 1964 in Ost-Berlin geboren, bezeichnet sich als einen "frühreifen Spätentwickler". Erst jetzt würden sich die Nebel lichten, die sich in den Nachwendejahren auf sein Leben und das untergegangene Land DDR gelegt hätten.
"Ich wollte immer Filme machen. Aber ich musste ein Alter erreichen, in dem man was zu sagen hat und die Dinge zwingend sind. Es sind aber auch Filme, an denen ich sehr lange gearbeitet habe und die jetzt fertig sind."
Der Sohn des 1912 geborenen Klaus Gysi, Minister der Kultur in der DDR, Leiter das Aufbau Verlags, Staatssekretär in Kirchenfragen, wuchs in einem politischen Haushalt auf.
"Mein Vater war ein Abwesender. Er lebte bei uns, bis ich neun war, dann ging er als Botschafter nach Rom. Er hat das Kaiserreich erlebt, die Weimarer Republik, die Nazizeit, die DDR und deren Ende, also fünf deutsche Staaten."
"Das Fotografieren war eine Zone, die nur mir gehörte"
Einer der Halbbrüder von Andreas Goldstein ist Gregor Gysi. Goldsteins Mutter, die den Namen ihres Mannes, eines jüdischen Emigranten behielt, als sie Klaus Gysi kennenlernte, unterrichtete Marxismus-Leninismus und träumte davon, dass ihr Sohn Schriftsteller werden sollte. Was zur Folge hatte, dass Andreas Goldstein sich als Kind weigerte, lesen und schreiben zu lernen und stattdessen fotografierte.
"Das war eine merkwürdige Sache. Ihre Mutter hatte auch schon die Fantasie, dass ihr Vater Schriftsteller werden sollte, der wurde dann Deutschlehrer. Das Fotografieren war dann eine Zone, die nur mir gehörte."
Lange war Goldstein nicht klar war, wie viele Freiheiten er in der DDR genoss – und wie viel weniger Freiheiten sich dort für andere boten.
Lange war Goldstein nicht klar war, wie viele Freiheiten er in der DDR genoss – und wie viel weniger Freiheiten sich dort für andere boten.
"Im Studium traf ich Leute, die meinen Vater kannten und die mich verschwörerisch anlächelten. Ich habe in Bezug auf die DDR erst sehr spät begriffen, dass meine Herkunft ein Privileg war. Denn ich habe in der DDR nie Angst gehabt, zu sagen, was ich dachte."
Sein Aufwachsen in den 70er- und 80er-Jahren bezeichnet er als ein Leben in der Krisenzeit der DDR. Ihr Ende war absehbar.
"Die meisten meiner Altersgenossen versuchten, eine Nische zu finden und nicht für den Staat zu arbeiten. Ich habe die DDR so erlebt, dass sich da nichts mehr bewegte. Trotzdem habe ich ihr Ende als historischen Rückschritt erlebt, egal wie der Sozialismus vorher gewesen ist."
Langwierige Loslösung vom Vater
Nach der Wende studiert er an der Filmhochschule Berlin-Babelsberg. Aber es vergehen viele Jahre, bis Andreas Goldstein dann als Regisseur Langfilme macht. Im Januar kam seine Verfilmung von Ingo Schulzes Wenderoman "Adam und Evelyn" ins Kino.
"In meinem Fall hat es Zeit gekostet, bis ich den Mut fand, die eigene Form zu suchen und auch zu behalten. Meine künstlerische Sprache finde ich im Machen. Allerdings ist es nicht nur meine Sprache: Ein Film wie ´Adam und Evelyn` ist allerdings auch eine Arbeit vieler. Der Film ist nicht allein meine Arbeit."
Nun folgt mit "Der Funktionär" die Auseinandersetzung mit seinem 1999 gestorbenen Vater.
"Es hat lange gedauert, bis ich die innere Freiheit fand, mich von meinem Übervater zu lösen. Man muss die Freiheit im eigenen Arbeiten finden und das ist das Mühsamste überhaupt."
Für zukünftige Projekte interessiert ihn die Blütezeit der DDR .
"Aber ich möchte ungern der Ossi vom Dienst werden. Ich weiß allerdings nicht, ob man diesem Schickal entkommt."
(ab)