Die anstrengende Familie als Komödienstoff
Chaotische Eltern, unverstandene Kinder, psychisch gestörte Familienmitglieder – das ist das Personal in Dani Levys neuem Film "Die Welt der Wunderlichs". "In der Komödie schlummert letztendlich immer das Drama", meint der Regisseur.
"Die Welt der Wunderlichs" heißt Dani Levys neuer Film, der heute Abend auf dem Münchner Filmfestival Premiere hat. Prominente Schauspieler sind dabei, darunter Katharina Schüttler, Hannelore Elsner, Peter Simonischek und Christiane Paul.
Im Zentrum des Films steht Mimi, eine alleinerziehende Mutter. Sie bekommt noch einmal die Chance, ihre Musikkarriere voranzutreiben und bei einer Casting Show in der Schweiz mitzumachen. Mimis Handicap ist allerdings ihre Familie, "die Wunderlichs", die aus vielen psychisch gestörten Menschen besteht.
Diese "anstrengende Familie" biete besten Stoff für eine Komödie, sagte der Regisseur und Drehbuchautor im Deutschlandradio Kultur. Es handele sich aber um eine Komödie nach seiner ganz besonderen Sichtweise:
"Komödie sind ja auch Tragödien. Also in der Komödie schlummert letztendlich immer das Drama. Ansonsten würde das, finde ich, keinen wirklichen Sinn machen. Also bei mir schlafen das Komische und das Tragische wirklich immer zusammen im Bett. Diese Komödie/Tragödie soll sowohl zum Lachen als auch zum Weinen bringen, hoffe ich. Das einen die Figuren wirklich berühren."
Er möge es nicht, sich über seine Figuren zu stellen und sie nur dem Gelächter oder dem Mitleid preiszugeben, stellte Levy heraus:
"Ich als Filmemacher finde es immer wichtig, in Augenhöhe mit den Figuren zu sein, aber auch als Zuschauer. Ich möchte, dass man mit den Figuren mitleidet, dass man versteht. Woher die kommen. Dass man auch spürt, dass sie eine große Sehnsucht haben, als Familie ein gutes Leben zu führen. Und wie schwer sie sich das alle gegenseitig machen. Und wie komisch die Dysfunktionalität in dieser Familie ist."
Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: In München findet derzeit das zweitwichtigste deutsche Filmfestival statt, das Filmfest, und heute Abend hat dort ein Film mit viel deutschsprachiger Schauspielprominenz Premiere, darunter Katharina Schüttler, Hannelore Elsner oder auch Christiane Paul. Sie alle spielen mit in Dani Levys neuer Komödie, "Die Welt der Wunderlichs". Und bevor er heute nach München fliegt, ist er jetzt bei uns im Deutschlandradio Kultur am Telefon. Guten Morgen, Herr Levy!
Dani Levy: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Frenzel: Welche Bedeutung hat es für Sie, dass der Film beim Filmfest in München Premiere hat?
Levy: Na, irgendwo muss er ja Premiere haben. Ich sage jetzt mal, es ist auf jeden Fall immer schön, erstmal an ein Festival zu gehen und ein wirklich cineastisches und oft auch sehr begeisterungsfähiges Publikum als erstes Publikum zu haben. Das lieben Filmemacher auch, weil man auch Kollegen trifft, weil das grundsätzlich so eine Stimmung ist, dass man kreative Arbeiten miteinander austauscht und zeigt. Und deswegen ist ein Festival immer erstmal grundsätzlich etwas sehr Schönes.
Und München – ich muss sagen, ich bin jetzt mit München nicht so verwachsen wie mit der Berlinale beispielsweise. Und ich habe jetzt so viele Filme dort noch nicht gehabt, bin aber München auch sehr verpflichtet, weil ich dort mal einen großen Preis bekommen habe. Das ist schon sehr lange her, in den 90er-Jahren, aber trotzdem, das vergisst man ja auch nicht. Und bin zuletzt da gewesen wirklich mit einer Premiere, mit "Väter". Das war 2002. Ich bin jetzt gespannt, wie sich das Festival auch entwickelt hat seit 2002.
Eine Familie aus "psychisch angeschlagenen Leuten"
Frenzel: Und Sie können gespannt sein, wie Sie auf Ihren Film reagieren dort in München. "Familie Wunderlich". Im Zentrum steht Mimi, gespielt von Katharina Schüttler, eine alleinerziehende Mutter, die noch mal die Chance bekommt, ihre Musikkarriere voranzutreiben, und bei einer Castingshow in der Schweiz mitmacht, "Second Chance", wenn ich richtig informiert bin, heißt die. Das ist aber dann alles nicht so leicht, und der Grund sind eben diese Wunderlichs. Was ist denn das für eine Familie?
Levy: Eine schwierige Familie, wie viele Familien. Eine Familie von psychisch angeschlagenen Leuten oder sogar psychisch gestörten Leuten, die tatsächlich auch mit Tabletten kuriert werden müssen oder mit Therapie. Also sie kommt wirklich aus schwierigen Familienverhältnissen. Sie hat einen Sohn, der ist, glaube ich, einfach nur normal schwierig. Weil sie alleinerziehend ist, macht der Siebenjährige ihr das Leben auch nicht ganz leicht.
Dann hat sie einen Vater, der ist auch diagnostiziert manisch-depressiv. Der ist gerade in einer manischen Phase in dem Kennenlernen. Der wird gespielt von Peter Simonischek. Dann gibt es einen Ex-Mann, der ein ziemlich abgehalfterter Musiker ist, sage ich jetzt mal, und ein relativ rücksichtsloses auch Ego-Leben führt. Sie hat eine Schwester, die ziemlich krass drauf ist und so Machtspiele auch mit ihrem Freund hat. Also es ist insgesamt eine sehr anstrengende Familie, die natürlich bestens Stoff bietet, irgendwie bestens Stoff bietet für eine Komödie.
"Bei mir schlafen das Komische und das Tragische in einem Bett"
Frenzel: Für eine Komödie. Aber man könnte natürlich auch weinen und traurig und depressiv werden, wenn man zuschaut. Aber Sie haben sich für die Komödie entschieden.
Levy: Die Komödie, so wie ich sie sehe. Komödien sind ja auch Tragödien, in der Komödie schlummert immer das Drama letztendlich. Ansonsten würde das, finde ich, keinen wirklichen Sinn machen. Bei mir schlafen das Tragische und das Komische wirklich immer zusammen im Bett. Und diese Tragödie, Komödie, Tragödie hat natürlich sowohl zum Lachen wie zum Weinen, hoffe ich, also dass einen die Figuren wirklich berühren. Eine Komödie, die nur lustig ist oder heil ist, das bringt ja nichts.
"Ich will auf Augenhöhe mit meinen Figuren sein"
Frenzel: Lacht man mit dieser wundersamen, dieser wunderlichen Familie und ihren Protagonisten, oder eher über sie?
Levy: Nein, ich hoffe schon sehr, dass man mit ihnen lacht. Ich mag es ja immer gar nicht, wenn sich Filme oder auch Filmemacher über ihre Figuren stellen und sie sozusagen dem Gelächter oder auch dem Mitleid oder wie auch immer so preisgeben oder ausstellen. Das ist überhaupt nicht meine Art.
Ich finde es immer wichtig, selbst als Filmemacher in Augenhöhe mit den Figuren zu sein, aber auch als Zuschauer. Ich möchte, dass man mit den Figuren mitleidet, dass man irgendwie auch versteht, woher die kommen, dass man auch spürt, dass sie eine große Sehnsucht haben, eigentlich zusammen als Familie ein gutes Leben zu führen, und wie schwer sie sich das alle gegenseitig machen und wie eben auch komisch die Dysfunktionalität in dieser Familie ist.
Und da es ja eine äußere Bewegung gibt in dem Film, weil ja eben Mimi zu dieser Castingshow angemeldet wird von ihrem siebenjährigen Sohn und sie eigentlich wirklich unbedingt allein dahingehen möchte, ohne ihre Familie, und die Familie sich einfach an ihre Fersen heftet, weil sie sie nicht gehen lassen will und weil sie selbst zu viel Lust hat, da hinzugehen, entsteht natürlich auch ein äußerer Druck. Und das führt zu sehr katastrophalen, aber gleichzeitig auch erlösenden Situationen. Was die Familie zwar prüft, aber natürlich auch massiv zusammenschweißt.
Frenzel: Der Regisseur Dani Levy. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und für diesen Einblick in Ihren Film!
Levy: Ja, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.