Regisseur Edgar Reitz

Sein Kino kehrt in die Heimat zurück

Der Filmregisseur Egar Reitz vor der Eröffnung seines "Kino Heimat" in Morbach
Als Kind übte sich Edgar Reitz als Filmvorführer in der Garage seiner Eltern, in der nun das kleinste Kino von Rheinland-Pfalz eröffnet wurde. © dpa / picture alliance / Harald Tittel
Von Anke Petermann |
Wo Edgar Reitz als Kind Stummfilme vorführte, hat der Regisseur das "Kino Heimat" eingerichtet. 30 Plätze bietet die umfunktionierte Garage: Dort sollen nicht nur eigene Werke und seine Lieblingsfilme laufen, sondern auch internationale Kurzfilme.
Szene aus dem letzten Teil der "Heimat"-Trilogie, des bekannten Hunsrück-Epos von Edgar Reitz:
"Es schien, dass sich ein Kreis geschlossen hatte. Ohne es zu wollen, war ich in die alte Heimat zurückgekehrt. "
Auch für den 86-jährigen Filmregisseur schließt sich ein Kreis. Zumindest für ein Gastspiel ist der Wahl-Münchner in sein Morbacher Elternhaus zurückgekehrt. "Café Heimat" heißt seit 2013 die frühere Uhrmacherei seines Vaters Robert. Zum "Kino Heimat" hat Reitz nun gemeinsam mit dem Café-Betreiber die ehemalige Garage umfunktioniert.
Außenansicht des «Kino Heimat» in Morbach im Hunsrück. Rechts nebenan das Geburtshaus von Filmregisseur Edgar Reitz - in dem Gebäude ist heute das «Café Heimat» untergebracht.  
Außenansicht des «Kino Heimat» in Morbach neben dem Elternhaus von Edgar Reitz© Foto: Kino Heimat Morbach/dpa
Mitten im Zweiten Weltkrieg, 1942, stand dort kein Auto, denn das war beschlagnahmt. Der zehnjährige Edgar spannte eine Wäscheleine und hängte ein weißes Betttuch darüber: die Leinwand.
"Ich hab' die Kinder zusammengetrommelt, dann saßen die Kinder da in Reihen, ich hab' ein Tischchen aus dem Haus gebracht, da wurde der Projektor draufgestellt, und dann habe ich denen erklärt, was sie jetzt sehen, und gekurbelt."

Stummfilm-Schnipsel mit Hitler

Die Filmschnipsel hatte der junge Morbacher vom Filmvorführer, der im örtlichen Tanzsaal gelegentlich Kino veranstaltete. Edgar war nicht wählerisch, er nahm auch Propaganda-Streifen:
"Da sah man Adolf Hitler, wie er spricht zu seinem Volk. Das war aber Stummfilm, was ich da hatte. Man sah ihn gestikulieren, aber man hörte nicht, was er sagt. Und da war immer die Frage der Kinder aus der Nachbarschaft: 'Was sagt denn der Führer?' Und dann habe ich da alles Mögliche reininterpretiert, ich hab' denen Gott weiß was erzählt: 'Er hat gerade gesagt, einen schönen Gruß an deine Oma', und dann haben wir ausprobiert, und es hat auch gepasst."
Der Spielzeug-Projektor von einst steht heute im kleinen Museum im Obergeschoss des Cafés. Und das ehemalige Garagen-Kino zeigt neben dem umfangreichen Lebenswerk von Edgar Reitz und seinen Lieblingsfilmen wie Jim Jarmuschs "Paterson" auch internationale Kurzfilme: von der Satire bis zur Tragödie. Alles, was in 30 Minuten passt, fasziniert den ehemaligen Professor für Film an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung:
"In Europa gibt es über 60 Filmschulen, und die machen alle Übungsfilme, das sind alles Kurzfilme. Das sind die jungen Leute zwischen 20 und 30, und da sind sehr Begabte dabei. Also, ich setze sehr darauf, dass wir insbesondere beim Kurzfilm die jungen Leute gewinnen."
Junge Filmemacher werden eingeladen, ihre Werke mit dem Publikum zu diskutieren.

Kaffee und Kuchen zum Film

"Kurze Filme, die verbinden sich mit dem Café-Besuch auf eine ganz andere Weise, da kann man sagen, ich möchte einen Kaffee, ein Stück Kuchen und n Film zum Beispiel."
… erzählt Edgar Reitz dem Premieren-Publikum. Seine Vorstellung: Nach dem Film besprechen die 30 Zuschauer die 30 verschiedenen Filme, die in ihren Köpfen abgelaufen sind, intensivieren damit ihr Kino-Erlebnis.
Zuschauer:
- "Ich denke schon, dass dieses Konzept 'ne Chance hat, nicht nur von der Auswahl der Filme her, sondern auch von diesem gemütlichen Dasein."
- "Ganz toll."
- "Ich hoffe auch, dass das sehr gut angenommen wird, weil dann ist das echt 'ne tolle Bereicherung für die ganze Region. Ja, es ist schön!"
- "Ich versprech' mir sehr viel davon, dass das auch eine hohe Qualität hat, eine hohe optische und akustische Qualität."
Man sieht den Blick auf die Leinwand und die Rückenlehnen der Sitzplätze im "Kino Heimat" in Morsbach im Hunsrück. 
"Kino Heimat" für Edgar-Reitz-Fans öffnet im Hunsrück© Foto: Harald Tittel/dpa
Das kleine Kino "on demand". Am Eröffnungswochenende wählt Initiator Edgar Reitz seinen Favoriten aus hunderten von Dateien auf dem Server aus.
Reitz: "Machen wir 'Dissonance'."
Pawelczyk: "O.k. – 'Dissonance' ist 21 zu 9, da ändern wir gerade mal die Leinwand."
Marcel Pawelczyk, Chef der Firma Automagie, sonst für automobile Klangsysteme zuständig, hat die High-Tech-Anlage gebaut. Er steuert Film und Leinwand via Tablet an, überlässt Reitz den finalen Click:
"Und wenn Sie jetzt o.k. drücken, geht’s los."

Unentdeckte junge Künstler vorstellen

Dem Zuschauer öffnet sich die aufgewühlte Innenwelt eines psychisch erkrankten Musikers. In der 15-Minuten-Animation "Dissonance" spielt die Hauptfigur unter anderem ein riesiges turbinenartiges Klavier, das sich dreht.
Edgar Reitz gerät ins Schwärmen über das komprimierte Werk des fast 50 Jahre jüngeren Digitalkünstlers Till Nowak, der in Mainz studierte und in Los Angeles lebt. Den Nowak-Kurzfilm sah Reitz erstmals bei den Berliner Filmfestspielen:
"Ein unglaubliches Beispiel, das zeigt, in welche Welten die Kurzfilm-Leute heute einsteigen."
Welten teils unentdeckter junger Künstler, die Kino-Besucher im 3000-Einwohner-Ort Morbach im Hunsrück ab sofort kennenlernen können.
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