Regisseur Kirill Serebrennikow

Hoffnung auf Reisefreiheit

05:45 Minuten
Kirill Serebrennikow sitzt im Gerichtssaal.
Kirill Serebrennikow wurde wegen angeblicher Veruntreuung von Staatsgeldern angeklagt. © Picture Alliance / dpa / Emile Ducke
Ulrich Khuon im Gespräch mit Julius Stucke |
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Moskauer Richter haben diese Woche im Fall Kirill Serebrennikow eine Kehrtwende eingelegt. Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters, hofft, dass dies nicht ein weiterer Winkelzug im Verfahren ist - und dass der Regisseur bald nach Berlin kommen kann.
Gute Nachrichten gab es diese Woche für den unter Anklage stehenden russischen Regisseur Kirill Serebrennikow. Überraschend entschied ein Gericht in Moskau in dem seit rund zwei Jahren laufenden Verfahren, dass der Fall wegen Widersprüchen für weitere Ermittlungen an die Generalstaatsanwaltschaft zurückgegeben wird. Zudem dürfe Serebrennikow, der bis April unter Hausarrest stand, wieder reisen, sagte die Richterin.
Der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, Ulrich Khuon.
Der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, Ulrich Khuon. © Paul Zinken/dpa/picture-alliance
Das ist auch für unseren Studiogast, den Intendanten des Deutschen Theaters (DT) in Berlin, Ulrich Khuon, eine gute Nachricht, denn Serebrennikow soll dort zu Jahresbeginn das Stück "Decamerone" inszenieren und im März 2020 Premiere feiern.
Nachdem der Hausarrest aufgehoben war, habe Serebrennikow in Zürich und Hamburg zwei Opern per Fernsteuerung und mit Hilfe seines Choreographen inszeniert, sagt Khuon. Der Theatermacher habe das Konzept und die Bühnenbilder entwickelt, aber das alles sei im Schauspiel viel schwieriger. "Das würden wir nicht hinkriegen, dass er in Moskau sitzt und über Video oder Skype bei uns inszeniert", sagt der Intendant. Das Schauspiel sei viel mehr Körperinszenierung und die Oper biete durch die Musik andere Möglichkeiten. "Bei uns gibt es nur den Text." Da müsse der Regisseur vor Ort sein, um zu inszenieren. "Insofern sind wir sind überglücklich und froh, dass das höchstwahrscheinlich jetzt klappen kann."

Knallende Ohrfeige

Schon im April dieses Jahres sei diese Inszenierung geplant gewesen, aber das endlose Strafverfahren und der Hausarrest kamen dazwischen. All das sei für den Künstler eine Katastrophe gewesen und habe das russische Rechtssystem in ein merkwürdiges Licht gestellt und sehr widersprüchlich gewirkt.
Dass die Richterin den Fall nun an die Generalstaatsanwaltschaft zurück gewiesen habe, sei eine "knallende Ohrfeige". Es sei jetzt die Frage: "Ist es wieder ein strategischer Schritt? Der Rechtsfall wird am Kochen gehalten", sagt Khuon. Es könne sich aber auch um eine sanfte Aufforderung handeln: "Hau doch ab – geh doch, wohin du willst."

Enge Zusammenarbeit

Für das Deutsche Theater sei durch die Zusammenarbeit mit Serebrennikow einiges in Bewegung gekommen, sagt Khuon. Es gebe am Haus ein großes Programm "Radar Ost" und ein reges Interesse an Russland oder Georgien. Es habe Austausch-Gastspiele gegeben, beispielsweise sei das Moskauer Gogol-Center eine Woche am DT gewesen. Umgekehrt habe man mit dem Stück "Berlin Alexanderplatz" in Moskau gastiert. "Das ist mehr als eine ästhetische Spritze von außen, das ist eine richtig starke Gemeinsamkeit und auch ein globales Lernen auf einer Theaterebene", sagt Khuon.
(gem)

Ulrich Khuon ist seit 2009 Intendant des Deutschen Theaters in Berlin. In den 1970er Jahren war er Theater- und Literaturkritiker bei der "Badischen Zeitung". Anfang der 1980er Jahre wechselte er an das Stadttheater Konstanz, wo er als Chefdramaturg, später als Intendant arbeitete. In der Saison 2000/2001 übernahm er die Nachfolge von Intendant Jürgen Flimm am Hamburger Thalia Theater. Seit 2017 ist er auch Präsident des Deutschen Bühnenvereins.

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