"Der Westen kolonialisiert Südosteuropa"
"Balkan macht frei" ist der provokante Titel eines Stücks des bosnischen Regisseurs Oliver Frljic am Münchner Residenztheater. Der "Ausnahmezustand Konzentrationslager" sei zivilisatorisch noch nicht überwunden, sagte Frljic.
Der bosnische Regisseur Oliver Frljic probt derzeit im Münchner Residenztheater an dem Stück "Balkan macht frei". Im Deutschlandradio Kultur sprach er auch über den provokanten Titel. Er erinnert an die Parole "Arbeit macht frei" der Nationalsozialisten, angebracht an den Toren von Konzentrationslagern.
"Den Titel hat meine Dramaturgin gewählt. Und ich finde ihn gut. Weil er das Unwissen über den neuen Kontext, in dem man sich befindet, ausdrückt. Das wird in der Inszenierung auch kommentiert. Und es gibt einen weiteren Zusammenhang: Im letzten Krieg gab es in Bosnien viele Konzentrationslager. Das zeigt, dass wir zivilisatorisch noch nicht über diesen Ausnahmezustand hinweg sind."
Die Inszenierung von "Balkan macht frei" spiegele auch seine physische und psychische Situation, sagte Frljic. Mit seiner Arbeit versuche er, aus dieser Situation zu fliehen.
Die schlimmsten Stereotypen über den Balkan
In Europa gebe es heute ein "Kolonialverhältnis" gegenüber den Ländern Südosteuropas, kritisierte der Regisseur:
"In der Inszenierung habe ich versucht, eine Art Auto-Stereotypisierung zu machen, indem ich die schlimmsten Stereotypen über den Balkan betont habe. Und durch diese Betonung wollte ich gerade diese Stereotypen dekonstruieren."
"Balkan macht frei" wird am 22. Mai uraufgeführt und thematisiert die Armutsmigration vieler Osteuropäer in westliche Staaten. Das Stück handelt aber auch von Frljic' Erfahrungen als ausländischer Regisseur an einem deutschen Stadttheater und den Vorurteilen, denen er als Osteuropäer begegnet ist. Auf der anderen Seite hinterfragt Frljic seine eigene Einstellung zu Deutschland, sein Wissen über dieses Land.