Das Kino als Erfahrungsraum nutzen, anstatt zu erklären
Manche Zuschauer auf der Berlinale reagierten verstört auf Philip Grönings neuen Film "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot", in dem sich ein Zwillingspaar mit Heideggers "Sein und Zeit" beschäftigt. Wichtig sei ihm, in die Zuschauer einzudringen, und weniger, alles erklären zu wollen.
"Ich mache Filme, wo ich versuche, das Kino als Erfahrungsraum zu nutzen. Und das heißt, dass der Zuschauer ganz anders hineingezogen wird in etwas. Was es ist, ist dass der Film dadurch, dass er eine ganz andere Struktur hat, wirklich als eine Erfahrung in den Zuschauer eindringt, und du dann ganz anders dabei bist, wenn das passiert."
Und mit seinen Filmen, die eindringen in den Zuschauer, will Philip Gröning einem Trend entgegenwirken, den er bei Fernsehen und Kino zu beobachten glaubt: alles erklären zu wollen.
Man muss nicht immer alles erklären
"Die Kunst bietet Erfahrungsräume und bietet auch Erfahrungsräume, in denen Fragen beim Zuschauer übrigbleiben. Während das Kino und das Fernsehen immer mehr dazu übergegangen ist, zu sagen: Wir binden am Schluss alle Fäden, die wir am Anfang aufgeribbelt haben, wieder zusammen. Dann ist alles abgeschlossen – und es bleibt beim Zuschauer eigentlich gar nichts."
Dabei spielt die Zeit für Philip Gröning immer wieder eine wichtige Rolle. So auch in "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot". Darin beschäftigen sich die jugendlichen Protagonisten, ein Zwillingspaar, mit Martin Heideggers philosophischem Werk "Sein und Zeit".
"Alles, was wir Bewusstsein nennen, Freiheit nennen, Hoffnung nennen, Ethik nennen beruht darauf, dass wir Zeit haben. Wenn wir sagen, wir können Entscheidungen treffen oder Entscheidungen bedauern, alles das geht nur, wenn man Zeit hat."
"Alles, was wir Bewusstsein nennen, Freiheit nennen, Hoffnung nennen, Ethik nennen beruht darauf, dass wir Zeit haben. Wenn wir sagen, wir können Entscheidungen treffen oder Entscheidungen bedauern, alles das geht nur, wenn man Zeit hat."
21 Jahre von der Idee bis zur Realisierung
Viel Zeit verwendete Philip Gröning allein für die Suche nach dem richtigen Drehort. Im Baden-Württembergischen Leipferdingen ließ er dazu eigens eine Tankstelle bauen und Getreide anpflanzen. Besonders lange hatte sich der Regisseur schon mit seinem preisgekrönten Werk "Die Stille" über ein Kartäuserkloster in Frankreich beschäftigt: 21 Jahre vergingen von der ersten Anfrage bis zur Realisierung. Und er selbst lebte beim Dreh sechs Monate lang mit den Mönchen im Kloster, teilte ihr Leben.
"Das Konzept war, zu sagen: Ein Kloster ist ein Ort, wo dadurch, dass die Zeit anders gehandhabt wird, ein Mensch eine bestimmte Erfahrung und Veränderung macht. Also wenn ich jetzt diese Veränderung selber durchmache, dann werden sich meine Bilder und mein Gefühl für Rhythmus so verändern, dass ich das dem Zuschauer übermitteln kann, dass der Zuschauer quasi selber in eine Klostererfahrung reinrutscht."