Regisseur Serebrennikow vor Gericht

"Er ist als Exempel geeignet"

Nahaufnahme von Serebrennikows ernstem Gesicht hinter Gittern. Er lehnt mit einer Hand an den Gitterstäben. Er trägt eine Baseballmütze verkehrt herum und eine blaue Jeansjacke.
Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow steht seit August vergangenen Jahres unter Hausarrest. © Alexander Zemlianichenko / AP / dpa
Russland-Kennerin Sabine Adler im Gespräch mit Eckhard Roelcke |
Der Regisseur Kirill Serebrennikow muss sich auf einen langen Strafprozess wegen angeblicher Unterschlagung einstellen. Über den Ausgang des Prozesses könne man nur spekulieren, sagt unsere langjährige Russland-Korrespondentin, Sabine Adler.
Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow muss sich seit Mittwoch wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Mittel vor Gericht verantworten. Serebrennikow, der seit einem Jahr in Hausarrest sitzt, traf zu einer ersten Anhörung vor Gericht ein - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Einen Antrag seiner Anwälte, den Hausarrest aufzuheben, lehnte das Moskauer Gericht zum Prozessauftakt ab.

"Absurde Anschuldigungen"

Die erste öffentliche Anhörung wurde für den 25. Oktober angesetzt. Über den heutigen Auftakt wisse man nicht wirklich viel, da die Voranhörung im Meschtschanskij-Gericht ja hinter verschlossenen Türen stattgefunden habe, sagt die langjährige Russland-Korrespondentin des Deutschlandradios, Sabine Adler. Mit angeklagt seien der Produzent Alexej Malobrodskij, der Theaterdirektor Jurij Itin und vermutlich außerdem Sofia Apfelbaum, Abteilungsleiterin im Kulturministerium.
Es gehe um Betrug, um Unterschlagung - umgerechnet zwei Millionen Euro zwischen 2011 und 2014. Das seien absurde Anschuldigungen, da soll Geld unterschlagen worden sein, für eine nicht erfolgte Inszenierung, die dann aber stattgefunden habe, so Adler. Es geht um das Stück "Ein Mittsommernachtstraum", eine Produktion, die im Gogol-Zentrum aufgeführt worden ist, erklärt Adler.
In Deutschland hat Adler die Lyrikerin und Journalistin Maria Stepanowa getroffen. Sie sagt, dass es immer heikel für den werden kann, der auf Staatsgelder angewiesen ist:
"Sobald man Geld aus dem Staatshaushalt bekommt, kann das geschehen. Meist muss man es erst einmal selbst vorstrecken und dann lässt man es sich zurückzahlen. Aber dafür gibt es keine exakt festgeschriebenen Mechanismen. Deswegen ist jeder so angreifbar. Wenn man will, kann man das gegen jeden verwenden, so wie bei Serebrennikow geschehen."

"Unglaublich, was er da schafft"

Sabine Adler ist der Meinung: "Er ist als Exempel geeignet, weil er trotz Hausarrest sehr bekannt und ungemein produktiv ist, das ist unglaublich, was er da schafft."
Dmitri Peskow, Sprecher des Präsidenten Putin, rühme zum Beispiel die "Nurejew"-Aufführung als ein globales Ereignis. Man rühme ihn einerseits und stelle ihn andererseits unter Hausarrest, kritisiert Adler. Die Gründe der Anklage könnten aus dem Geheimdienst kommen oder aus der orthodoxen Kirche, die die traditionelle Werte hochhalten wolle.
Die Autorin Maria Stepanova
Maria Stepanova: "Es soll Angst verbreitet werden, es geht um reine Willkür."© Andrej Natozinskij
Maria Stepanova hat da ihre eigene Theorie:
"Warum Serebrennikow? Er ist ein glänzender Regisseur, aber keiner, der sich sonderlich politisch äußert. Deswegen fangen alle an zu rätseln: warum gerade er. Ich habe auch eine Theorie. Das Ganze ist nicht in erster Linie als eine Strafaktion gedacht, sondern als Warnung an alle. Du musst dich entscheiden: Loyal zu sein, dich an die Regeln halten, wenngleich es gar keine Regeln gibt, dich vorsichtig verhalten, obwohl du gar nicht weißt, wovor du dich in acht nehmen sollst. Und es richtet sich auch keineswegs nur an die Adresse der Kultur. Damit soll allgemein Angst verbreitet werden, es geht um reine Willkür. Deswegen, finde ich, sollte man solchen Drohungen keine zu große Beachtung schenken."
Über den Ausgang des Prozesses könne man derzeit nur spekulieren. Als Motiv nennt sie abschließend, dass man sich an der Person stört, weil Serebrennikow seine Homosexualität offen lebt. "Und das ist in Russland nie gerne gesehen", so Sabine Adler.
(md)
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