Regisseur Volker Schlöndorff

"Ich war ein kleiner verklemmter Deutscher"

77:22 Minuten
Der Regisseur Volker Schlöndorff sitzt auf einem Stuhl und lacht.
Sein Lachen wirkt leicht, Volker Schlöndorffs Geschichten von der übertriebenen Strenge des Vaters und dem frühen Tod der Mutter sind es nicht. © laif / Andreas Chudowski
Moderation: Susanne Führer |
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Die Karriere von Volker Schlöndorff steht für internationalen Erfolg. Mit über 80 Jahren blickt der Regisseur dennoch selbstkritisch zurück. Auf großen Ehrgeiz, falsche Prioritäten in der Liebe und eine Sehnsucht, die sich nicht mehr erfüllen wird.
Dem Filmemacher Volker Schlöndorff ist in seinem beruflichen Leben etliches gelungen. 1980 Jahren gewann er mit der Günter-Grass-Verfilmung "Die Blechtrommel" den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.
Auf der Liste seiner Erfolge stehen außerdem die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes und so ziemlich jede renommierte nationale Auszeichnung, die in Deutschland und Frankreich zu erhalten ist. Der Regisseur drehte mit internationalen Stars wie Dustin Hoffman, Holly Hunter und Alain Delon. Sein liebstes Hobby – der Marathonlauf – lässt vermuten, dass Schlöndorff durchhalten kann, um am Ende zu triumphieren.
Auf einer schwarzweissen Aufnahme sind Günter Grass, David Bennent (als Blechtrommler Oskar Matzerath) und der Regisseur Volker Schlöndorff zu sehen.
Beim Dreh zu "Die Blechtrommel" (1979) gab es etliche Schwierigkeiten, doch Schlöndorff (r.) musste seinem Hauptdarsteller David Bennent (Mitte) stets das Gefühl von Sicherheit geben.© picture alliance / dpa / DB United Artists
Beim Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur geht Schlöndorff allerdings auch sehr offen mit schmerzhaften Erfahrungen und Fehlern in seinem Leben und in einzelnen Filmen um.

Die Sendung wurde erstmals am 21. Mai 2020 ausgestrahlt.

Er kann zum Beispiel im Nachhinein die Kritik an "Rückkehr nach Montauk" (2017) mit Stellan Skarsgård und Nina Hoss nachvollziehen. Erst nach der Filmpremiere habe er verstanden, dass Skarsgård in seiner Rolle als Max Zorn nicht funktioniere.
Bei der kritischen Reflektion seines Lebens geht es dem Regisseur vor allem um eines: die Liebe. "Eigentlich war ich mit dem Film verheiratet und für Frauen war gar kein Platz." Schlöndorff ging seiner Passion fürs Filmemachen zunächst in Frankreich nach. Dort war er nach einem Schüleraustausch geblieben, hatte ein Internat besuchte und war als junger Mann mit namhaften Regisseuren in Kontakt gekommen. Er arbeitete unter anderem für und mit Louis Malle und Jean-Pierre Melville.

Fleißig, ernst und viel zu kopflastig

Sein Ehrgeiz war groß, die Wirkung auf Frauen dagegen weniger stark ausgeprägt: "Ich war im Grunde ein verklemmter kleiner Deutscher, der sehr ehrgeizig und sehr fleißig war, aber viel zu ernst und zu kalt. Ich war anscheinend zu kopflastig, als dass ich irgendeiner Frau hätte gefallen können."
Der Filmregisseur Billy Wilder wird am 26.2.1993 von seinem Kollegen Volker Schlöndorff (l.) durch das Studiogelände in Potsdam-Babelberg geführt. 
Volker Schlöndorff (l.) leitete in den 1990er-Jahren das Filmstudio Babelsberg. Auch Regielegende Billy Wilder führte er über das Gelände.© Keystone/dpa
Und dann geschah es doch. Schlöndorff lernte die Schauspielerin und Regisseurin Margarethe von Trotta kennen. Eine Liebe auf den ersten Blick, dem 20 Jahre der gemeinsamen Ehe folgten. Der als Machtmensch agierende Mann traf auf eine Frau, die es auf Dauer nicht akzeptierte, in seinem Schatten zu stehen. "Margarethe hat sich nicht so behandeln lassen, die hat sich Gleichberechtigung erkämpft", sagt Schlöndorff – und ergänzt: "Erstmal in unserer Beziehung, dann gegen den Rest der Welt."

Albträume und Heulkrämpfe

Er habe in der Liebe häufig herumlaviert, anstatt ihr andere Bedürfnisse unterzuordnen. Der Filmemacher hinterfragt rückblickend den eigenen Wunsch nach Geltung und betont zugleich den Druck, mit dem er – egal ob im deutschen, französischen oder amerikanischen Filmbusiness – umgehen musste.
"Ich bin dauernd im Widerspruch mit mir selbst", sagt Schlöndorff. Er habe viele Glücksfälle erlebt, zugleich aber mit starkem Druck umgehen müssen. Zu den schwierigen Herausforderungen, die er meisterte, gehört auch die Serie von Pannen bei der aufwändigen Produktion von "Die Blechtrommel", die ihn zu einem Heulkrampf und wiederkehrenden Albträumen trieb. Am Ende aber sprach der große Erfolg des Films für sich.
Was sich wie eine tränenreiche Lebensbeichte liest, berichtet Schlöndorff im Gespräch keinesfalls frei von Witz. Er wirkt vital statt verzweifelt und gut und gerne zehn Jahre jünger als er tatsächlich ist. Erzählt er Anekdoten über männliche Kollegen, relativieren sich die Auswüchse seines Ehrgeizes. Mit dem französischen Schauspielstar Alain Delon, der mit seiner Rolle in "Eine Liebe von Swann" (1984) haderte, kommunizierte der Regisseur im Laufe der Dreharbeiten nur noch per zugestellter Zettel. "Delon ist ein absoluter Machtmensch mit einem riesigen Ego", der jede Beziehung auf die Probe stelle und auf den Hauptdarsteller Jeremy Irons eifersüchtig gewesen sei.

Urteil des Vaters: "Scheußlich!"

Selbstzweifel, Todesfälle, Trennungen – wenn Schlöndorff von schwierigen Stationen seines Lebens erzählt, lacht er häufig. Vielleicht weil es befreiend wirkt? Aus Verlegenheit? Da wäre zum Beispiel der Tod seiner Mutter. Sie verbrannte 1944 in der Küche, nachdem sie versucht hatte, aus geschmolzenen Kerzenresten Bohnerwachs herzustellen. Er fühlte sich mit ihr verbunden wie mit einem Schutzengel. Das Verhältnis zum Vater war dagegen von Konflikten bestimmt. "Er war durch und durch Arzt, ein sehr guter Diagnostiker. Wenn irgendetwas ungewöhnlich war, dann war das für ihn krankhaft."
Filmszene, schwarz-weiß: Ein junger Mann und eine junge Frau stehen sich nah gegenüber und schauen sich an, ihre Arme um seinen Hals.
Schlöndorffs Debütfilm "Der junge Törless" mit Barbara Steele und Matthieu Carriere begeisterte viele Kritiker und entsetzte seinen Vater.© imago images / United Archives
Seine vernichtende Diagnose betraf insbesondere Schlöndorffs Drehbuch zu seinem Debütfilm "Der junge Törless" (1966), in dem es unter anderem um die homosexuellen Gefühle des Protagonisten geht. Der Sohn wünschte sich Bestätigung – und erhielt lauter Abfuhren. Selbst der Kinobesuch einer Vorstellung von "Die Blechtrommel" konnte den Vater nicht überzeugen. Erst reagierte er gar nicht, dann fasste er in einem Brief sein Urteil zusammen: "Scheußlich!"
Schlöndorff grübelt bis heute, was seinen Vater an seinen Filmen so stark abgestoßen hat. So wie er, 81-Jahre alt beim Gespräch, im Rückblick aufs eigene Leben und die Liebe insgesamt sehr nachdenklich wirkt: "Da ist eine unerfüllte Sehnsucht, mit der ich meine Arbeit aufhören werde. Dass ich das Gefühl habe, an das eigentliche Leben bin ich nicht herangekommen in meiner Kunst."
(mau)
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