Heute Abend berichtet Fazit ab 23:05 Uhr live vom Eröffnungsabend des 53. Theatertreffens im Haus der Berliner Festspiele. Moderation: Susanne Burkhardt und André Mumot.
Immer ist klar, dass hier gespielt wird
Die Einladung zum Berliner Theatertreffen ist für die Regisseurin Daniela Löffner Karriereschub und Anerkennung. Sie ist in diesem Jahr erstmals dabei, mit ihrer Inszenierung des Familiendramas "Väter und Söhne". Heute beginnt das Theatertreffen im Haus der Festspiele.
"Ja, komm, das ist schon lange fällig. Komm! Hau mir aufs Maul! Was is? Mann, ich mag dich doch so! Es gibt Augenblicke, da kann ich deine Arroganz nur schwer ertragen."
Packend und psychologisch
Es geht um die großen Themen auf dem Familienfest mit Freunden auf einem russischen Landgut. Iwan Turgenjew erzählt in "Väter und Söhne" von Menschen, die über Werte, Sitten und Regeln streiten und philosophieren. Also über die Frage, was das Leben eigentlich soll. Die Zuschauer sitzen nah dran, rund um die Spielfläche herum. Am Anfang warten sie gemeinsam mit den 13 Schauspielern darauf, dass die vierstündige Aufführung losgeht. Daniela Löffner inszeniert packend und psychologisch, aber immer ist klar, dass hier gespielt wird. Dieser Ansatz erinnert an einen großen Regisseur, bei dem sie vor ungefähr zehn Jahren in Düsseldorf gelernt hat, an Jürgen Gosch.
"Ich hatte da schon vier Jahre assistiert und saß auf der Probe und dachte: Okay, vergiss alles, was du bisher meinst, gelernt zu haben und fang noch mal von vorne an. Das war unheimlich befreiend und sehr inspirierend."
Daniela Löffner – damals war sie Mitte 20 – inhalierte Goschs Theaterphilosophie.
"Wie nah Theater am Spielen dran ist wie es Kinder tun. Und wie wenig man an Illusionen bauen muss, um das Spielen zu erreichen. Und das hat mich sehr berührt und gleichzeitig, seine Ernsthaftigkeit, nach Dingen zu suchen, das war für mich unendlich wichtig, das zu erleben."
Aus dem Geist des Autorenkinos
Dann kamen erste eigene Regiearbeiten, Ibsens "Wildente" und "Demian" nach Hermann Hesse "Demian" war ihr Durchbruch. Die Geschichte eines pubertierenden Jungen erzählte sie mit krassen, heftigen Bildern, Nacktheit, explosiver Wildheit. Ein Grenzgang für das Jugendtheater, heiß diskutiert, ein Triumph. Hesses Roman hat Daniela Löffner selbst bearbeitet, wie sie es bis heute tut, um schon in die Textfassung eigene Erfahrungen hinein zu schreiben und dann in der Arbeit mit den Schauspielern ganz offen zu sein. Theaterregie aus dem Geist des Autorenkinos. Dafür braucht sie Bühnenbilder, die Luft lassen, erobert und verändert werden können. Wie die zunächst leere Fläche bei "Väter und Söhne", auf die im Lauf des Abends immer mehr Tische getragen werden.
"Das ist die Waage zwischen Chaos und Konzept. Man kann nicht rein gehen mit nichts. Auch bei "Väter und Söhne" – selbst wenn´s nachher so aussieht – ist das Konzept, dass es von vier Seiten gespielt wird, dass es dort nur einen Tisch gibt, wie es eben der Ort ist, wo Familie häufig stattfindet, Familienfeste. Wir kennen alle die langen Tafeln. Oder das Abendessen, wenn die Familie nur aus drei Leuten besteht wie bei mir zu Hause, Vater, Mutter, Kind – aber es ist dieser Tisch und das Essen."
"Vielleicht ist jeder Mensch wirklich ein Rätsel. Sie zum Beispiel, warum leben Sie – schön und klug wie Sie sind – hier mitten auf dem Land? – Was haben Sie gesagt? Ich bin schön? – Tut nichts zur Sache. Sie wissen genau, was ich meine."
Nun sitzen wir auf der Probebühne des Bochumer Schauspielhauses. Daniela Löffner strahlt mit Brille und lockigen Haaren eine Mischung aus Bodenständigkeit und Nachdenklichkeit aus. Am Pfingstwochenende hat ihre Inszenierung von Klaus Manns "Mephisto" Premiere. Wieder ein großer Roman, den sie selbst bearbeitet hat. Die Bühne ist leicht angeschrägt, glitzernde Vorhänge sind zu sehen, ein Schlagzeug steht rechts oben. Es geht um die Geschichte eines Schauspielers, der Karriere macht, während die Demokratie zerfällt und die NS-Diktatur entsteht. Die Hauptfigur ist angelehnt an die Biografie von Gustaf Gründgens.
"Wir haben ästhetisch ein Konzept, wie gehen wir von 1926 bis 1936? Wie vergehen diese zehn Jahre? Und gleichzeitig ist das für mich im Konzept eingebaut, dass wir von heute uns weiter denken bis 2026. Die These ist schon, zu sagen: Haben wir jetzt wieder eine Zeit, wie man sie vielleicht 25, 26 hatte? Und wir stehen wieder vor einem extremem Rechtsruck und könnten, wenn wir nicht aufpassen, wieder da landen?"
Bochum, Berlin, auch am Schauspielhaus Zürich inszeniert Daniela Löffner regelmäßig. Bald wird Dresden hinzukommen. Bessere Bedingungen kann eine freie Regisseurin kaum finden. Aber sie hat auch ein Kind. Wäre da eine feste Arbeit an einem Haus nicht besser für die Familie? Eine Intendanz vielleicht? Zumal Daniela Löffner schon vier Jahre Hausregisseurin in Braunschweig war und Leitungserfahrung gesammelt hat? Sie überlegt.
Vier Inszenierungen pro Jahr
"Ich würde mich ungern in einen laufenden Betrieb einordnen. Ich versuche gerade eher als Regisseurin, innerhalb eines Systems auszuloten, was da geht. Damit meine ich zum Beispiel, ab nächster Spielzeit samstags keine Proben mehr zu machen. Damit meine ich, mir eine Frau zu holen, die meine Verträge verhandelt. Weil ich das Gefühl habe, da gibt es immer noch ein Gleichberechtigungsproblem zwischen was Männer und Frauen in dem Ding verdienen. Also die Familientauglichkeit von Theaterproben, die Hierarchieüberprüfung – es gibt für mich da viel, was ich gut fände, neu aufzudröseln."
Daniela Löffner will Freiräume für die Familie schaffen, gerade allerdings arbeitet sie fast nonstop arbeitet. Vier Inszenierungen pro Jahr sind ein starkes Pensum, wenn sie für einige davon auch noch die Textfassungen schreibt. Vom Roman "Väter und Söhne" hat sie zwar die Bearbeitung von Brian Friel inszeniert, aber dennoch zusammen mit dem Dramaturgen den Roman mehrfach gelesen und einzelne Szenen in die Aufführung eingebaut. Gründlichkeit in der Vorbereitung und Offenheit bei den Proben – das ist ihr Erfolgsrezept.