Nah am Menschen
Frauen in Grenzsituationen, das ist das Thema von Regisseurin Emily Atef. In ihrem neuen Film "3 Tage in Quiberon", der im Wettbewerb der Berlinale läuft, zeigt sie eine Momentaufnahme aus dem Leben von Romy Schneider.
"Sie konnte sich nicht schützen, hatte keinen Filter", sagt Emily Atef über Romy Schneider. 1981, ein Jahr vor ihrem Tod, gab die weltberühmte Schauspielerin dem Stern-Journalisten Michael Jürgs ein Interview, der Fotograph Robert Lebeck machte die Aufnahmen. Schauplatz dieses Treffens und des Films: die Halbinsel Quiberon an der französischen Atlantikküste.
"Ich habe mir ohne viel nachzudenken die Bilder von Robert Lebeck angesehen, die er während der drei Tage gemacht hat. Da habe ich nicht den Mythos Romy Schneider gesehen, nicht die Ikone, sondern den Menschen. Sie war nicht geschminkt, sie war ungefiltert. Er hatte diese Gabe, so nah an den Menschen heranzugehen, das hat mich so bewegt, ich hatte noch nie solche Bilder gesehen."
Ohne Heimatgefühl
Emily Atef, Tochter einer Französin und eines Iraners, wurde 1973 in Berlin geboren. Als sie sieben Jahre alt ist –"es war eine glückliche Kindheit in Berlin" - zieht die Familie erst nach Los Angeles und dann nach Frankreich. Später besucht Emily Atef in London die Schauspielschule und kehrt 2001 nach Berlin zurück. Dort studiert sie Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Eigentlich spreche sie keine Sprache richtig, sagt die 45-Jährige.
"Ich habe auch kein Heimatgefühl und kann nicht sagen, ich fühle mich deutsch, denn ich habe überhaupt kein deutsches Blut, obwohl ich inzwischen am längsten in Deutschland lebe. Französisch ist zwar meine Muttersprache, aber ich fühle mich in Frankreich auch nicht ganz französisch, amerikanisch auch nicht, auch nicht iranisch. Ich empfinde es nicht als Verlust, es ist eine Tatsache."
Frauen in Spannungssituationen
Ob in "Wunschkinder", "Königin der Nacht" oder nun "3 Tage in Quiberon" - in Emily Atefs oft preisgekrönten Filmen geht es immer um Frauen in Spannungssituationen. Wie finden sie wieder zurück ins Leben, fragt sich die Regisseurin zum Beispiel in ihrem Film "Das Fremde in mir":
"Das größte Tabu in unserer Gesellschaft ist, dass eine Mutter ihr Kind ablehnt. Es hat mich interessiert, wie diese Frauen von der Gesellschaft verstoßen werden. Und dass, obwohl es eine Krankheit ist, die Frauen leiden selbst so darunter. Denn es sind zwar Wunschkinder, aber als Mutter empfinden sie nichts. Die Gesellschaft bezeichnet sie als Rabenmutter und sagt, das ist doch nicht normal. Das Phänomen hat mich interessiert, diesen Weg in die Hölle und raus - und wie sie alle geheilt werden können."