Pionierin des feministischen Films
Als Regie-Schülerin kreierte Ula Stöckl den feministischen Film "9 Leben hat die Katze" und traf 1968 den Nerv der Zeit. Der Kultfilm wird auf der Berlinale in der "Retrospektive" gezeigt - Stöckls neuer Film "Die Widerständigen" läuft in "Panorama".
"Ich würde Sie ganz gerne heiraten. Aber wie gesagt, das muss sich nicht Ehe nennen, da gibt es ja Übergangslösungen." – "Und wenn ich Sie nicht liebe?" – "Ja nun, man müsste wissen, was das ist..." – "Solange ich immer die Erfahrung mache, dass Dinge, die ich versuche, etwas zu ändern, etwas Neues zu finden, man weiß ja noch nicht, was dieses Neue sein kann. Jedenfalls kann ich mich nicht entscheiden..." – "Wahrscheinlich liegt es daran, dass..." – "Ich kann Sie nicht heiraten, da muss ich Nein sagen."
Katharina lehnt den Antrag ab, die freie Journalistin will erst mal beruflich weiterkommen. Ihre lebenslustige Freundin Anne dagegen steht gerade der Sinn nach Revolution. Ula Stöckls Film "Neun Leben hat die Katze" von 1968, der Leben und Alltag fünf ganz unterschiedlicher Frauen beschreibt, gilt als erster feministischer Film Deutschlands. Dabei hat er nichts Kämpferisches, eher vermittelt die muntere, situative Collage mit einer Art poetischem Realismus fast französisches Lebensgefühl. Und so sieht Feminismus für die Filmemacherin auch aus.
"Das hat Spaß gemacht. Und das gehört auch in den Film und zum Feministischen, wenn ich so will, dass auch die Freude am Frausein, an den Möglichkeiten von Sexualität, ja, es war ja meistens erst mal verboten, man hat's trotzdem gemacht und sich gewundert, dass der Blitz nicht einschlägt. Das war so ganz wichtig für mich, da einen Schwerpunkt drauf zu legen. Ich habe es immer für eine Lüge gehalten, dass nur Männer einen sexuellen Trieb haben."
Rotes Haar, offener Blick
Wenn man Ula Stöckl gegenübersitzt, die mit längerem roten Haar, heiterem, offenen Blick auf ziemlich sympathische Weise präsent ist, erlebt man viel von dem Witz, der in ihren Filmen steckt. Nach einer Arbeit als Fremdsprachensekretärin, unter anderem in London, ging Stöckl 1963 25-jährig ans Institut für Filmgestaltung ihrer Heimatstadt Ulm – damals mit Lehrern wie Alexander Kluge und Edgar Reitz ein Zentrum des Neuen Deutschen Films. Für sie war bereits zu dieser frühen Zeit die Situation von Frauen in der Gesellschaft das zentrale Thema – in Ulm war sie damit genau richtig:
"In dem, was ich geschrieben hab, was ich angeboten habe, meine Lehrer wussten sehr genau, auf was sie sich da einlassen, als sie mich als erste Frau angenommen haben. Das war ja auch das Credo der Ulmer Schule, was haben diese Studenten für eigene Interessen. Also war es auch nicht verwunderlich, dass ich ein anderes Thema hatte. Das war interessant für die."
Im dokumentarischen Kurzfilm "Sonnabend, 17 Uhr" von 1966 befragt Stöckl Abiturientinnen nach ihren Samstagabend-Vergnügungen, und hier zeigt sie bereits ihre Kunst, realistisch und stimmungsvoll zugleich präzise Gesellschaftsbilder zu zeichnen. Ihr Abschlussfilm "9 Leben hat die Katze" entwickelt sich zum Kultfilm, provoziert aber auch. Die Darstellung weiblicher Lust irritiert, gleichzeitig wirkt er auf andere zu unpolitisch:
"Ich wurde gefragt, wie ich dazu komme, einen Mann auf dem Traktor durchs Rapsfeld fahren zu lassen, ohne ihn nach seinen Arbeitsbedingungen zu befragen."
Stöckls roh und fragmentarisch erzählte Filme, die immer die Probleme weiblicher Selbstbestimmung in einer männlich dominierten Gesellschaft reflektieren, sind schwer einzuordnen. In den Siebzigerjahren zählt sie zu den wichtigsten Filmemachern des Neuen Deutschen Films. Als der aber Ende der Siebzigerjahre seinen Zenit überschritten hat, geht es Stöckl wie fast allen Regisseurinnen dieser Bewegung, sie gerät aus dem Blick – ganz im Gegensatz zu den männlichen Kollegen:
"Ich erinnere mich noch wahnsinnig gut, mit welcher Empörung wir damals festgestellt haben, dass es zehn Jahre nach dem Neuen-Deutschen-Film-Anfang ein Plakat gab, wo 20 Namen von Neuen-Deutschen-Filmemachern drauf waren und nicht eine einzige Frau."
Filmpreis für "Der Schlaf der Vernunft"
1985 wird Ula Stöckl für "Der Schlaf der Vernunft" mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Aber trotz Anerkennung werden die Angebote knapp. In den Neunzigerjahren geht sie als Dozentin in die USA, seit 2002 hat sie eine Professur in Florida. Jetzt, nach über 20 Jahren, stellt Stöckl auf der Berlinale wieder einen Film vor.
"Die Widerständigen" heißt der eindringliche Dokumentarfilm zur Widerstandsbewegung der Weißen Rose. Konsequent wie wenige im deutschen Film hat diese originelle Pionierin in ihrer Zeit als Filmemacherin einen eigenwilligen Stil bewahrt und ein Filmwerk geschaffen, das Jahrzehnte deutscher Gesellschaftsgeschichte reflektiert. Vielleicht kommt Ula Stöckl nun wieder zurück ins Kino:
"Man weiß ja nicht, was dieses wunderbare Berlinale-Jahr jetzt für mich vielleicht bringt. Und das ist ja auch das Spannende am Leben, wie mit den Frauen auch. Man weiß nicht, wo sie der neue Wind hinträgt."