"Eine Demonstration der Macht"
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Die Freude über den Freispruch währte nicht lange: Der kritischen türkischen Schriftstellerin Asli Erdogan droht in der Türkei erneut ein Prozess. Ein Willkürakt, der Angst erzeugen soll, findet die deutsche PEN-Präsidentin Regula Venske.
Regula Venske, die Präsidentin des deutschen PEN-Zentrums, ist in großer Sorge um die türkische Schriftstellerin Asli Erdogan. Obwohl im Februar ein mehrjähriges Verfahren gegen Erdogan in der Türkei eingestellt und sie vom Vorwurf der "Terrorpropaganda" freigesprochen wurde, soll sie nun erneut vor ein – höheres – Gericht kommen.
Für Venske ist dies ein reiner Willkürakt, der Angst erzeugen soll und zudem eine furchtbare psychische Belastung für die Autorin sei. Erdogans Fall sei abgeschlossen und die Tatsache, dass die in Deutschland im Exil lebende Schriftstellerin nun erneut angeklagt wird, sei "eine Demonstration der Macht" seitens des türkischen Präsidenten, der sich weitreichende Weisungsbefugnisse über Gerichte und Staatsanwaltschaft verschafft habe. Auch andere, ähnlich gelagerte Fälle seien "eine Farce sondergleichen".
Absurde Vorwürfe
Die Vorwürfe gegen Asli Erdogan seien absurd und entbehrten jeder Grundlage. "Man muss sich einfachmal ihre Bücher durchlesen und dann weiß man, was für eine großartige Schriftstellerin, wirklich, eine Dichterin sie ist. Ich finde, sie gehört in die Kategorie derjenigen, die man für den Literaturnobelpreis vorschlägt", betont Venske.
Es beunruhige sie ebenfalls sehr, dass in der Türkei nicht nur die Gerichte, sondern auch die Rechtsanwaltskammern von der Regierung gelenkt werden sollen. Die Medien außerhalb der Türkei berichteten leider viel zu wenig darüber, wie die Anwälte sich dagegen zur Wehr setzten, so die PEN-Präsidentin. Ende Juni hätten sich aus dem ganzen Land über Hunderttausend von ihnen zu einem Proteststernmarsch nach Ankara aufgemacht.
Unrecht an Inhaftierten
Genauso in den Hintergrund gerückt sei das große Unrecht, dass in der Coronakrise inhaftierten Journalisten, Schriftstellern und anderen politischen Häftlingen widerfahre, kritisiert Regula Venske: Während Schwerverbrecher wegen der Ansteckungsgefahr aus den Gefängnissen entlassen worden seien, habe es diese vorzeitige Entlassung für die "Politischen" nicht gegeben, obwohl viele von ihnen zu Hochrisikogruppen gehörten. Hier gehe es nicht nur um das Recht auf Meinungsfreiheit, sondern um "das Recht auf Leben".
(mkn)