Mobile Reha zu Hause

Wie Sport bei Pflegebedürftigkeit hilft

06:15 Minuten
Hände der Therapeutin stützen Patienten beim Lauftraining in der Physiotherapie
Die Kranken- und Pflegkassen übernehmen nicht die Kosten für den Rehasport zu Hause. © dpa / picture alliance / Robert Kneschke
Von Peter Kolakowski |
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Ob Arthrose, Lungenerkrankungen oder Demenz: Jeder Krankenversicherte mit solchen oder ähnlichen Beschwerden hat Anspruch auf Rehasport. Aber warum erkennen Kranken- und Pflegekassen Angebote von Trainern bei Patienten zu Hause nicht an?
Es ist wieder Trainingszeit im Wohnzimmer von Bernd Meis. Der gehbehinderte 80-jährige Senior aus Bergisch-Gladbach leistet sich jede Woche eine Sportstunde mit Fitnesstrainer Daniel Jansen. Das Ziel: so mobil, selbstständig und gesund zu bleiben, wie es die Konstitution von Bernd Meis zulässt.

Ich bin begeistert, dass er auf mich eingeht. Ich möchte weiterhin fit bleiben und mich bewegen können und gegen meine Wehwehchen, zum Beispiel gegen die Polyneuropathie, die ich habe, ankämpfen. Im linken Knie habe ich Arthrose und im Rücken einen leichten Bandscheibenvorfall.

Senior Bernd Meis

Die Kasse zahlt Rehasport in der Gruppe

Zunächst stehen Dehnungs- und Kräftigungsübungen mit dem Theraband auf dem Programm. Zwar hätte auch Bernd Meis mit seinen Leiden Anspruch auf 50 Stunden von der Kasse bezahlten Rehasport in der Gruppe. Doch der Weg zum Sportverein ist zu weit, die Anreise viel zu beschwerlich und nur in Begleitung möglich.
Trainer Daniel Jansen kommt deshalb zu ihm nach Hause. Die Kosten hierfür übernehmen allerdings weder die Pflege- noch die Krankenkasse, erzählt Jansen, der als einer der wenigen Trainer auch Reha- und Präventionssport zu Hause anbietet. Bernd Meis zahlt die Kurse aus eigener Tasche: 
Die Kostenträger haben in ihrem Programm diese mobilen Lösungen nicht vorgesehen und haben da in ihrem Leistungskatalog nicht definiert, sodass man das überhaupt nicht mit denen abrechnen kann, da es dieses Angebot gar nicht gibt, sondern nur den klassischen Rehasport in der Turnhalle und unter gewissen Bedingungen, die die Kostenträger stellen.

Steigende Nachfrage für mobilen Rehasport

Dabei gäbe es genug Nachfrage und damit einen Markt für mobile Rehasportangebote. Denn die Zahl der Pflegebedürftigen, die nicht im Heim, sondern zu Hause versorgt werden wollen, steigt in den nächsten Jahren weiter stark an.
Sport und Bewegung unter Anleitung eines fachkundigen Trainers wären daher ein probates Rezept, durch ein Mehr an Gesundheit, Selbstständigkeit und Wohlbefinden nicht nur den Pflegebedarf zu senken, sondern die Pflegekosten insgesamt. Betonen auch Alters- und Rehamediziner wie Professor Rainer Wirth, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie.   

Es gibt diese Angebote für die fitten Älteren, für die gebrechlichen Älteren. Da würde es selbstverständlich Sinn machen, wobei ich mir als Geriater einfach auch wünsche, dass es gerade für die Gebrechlichen, Hochbetagten mehr Angebote gibt.

Rainer Wirth, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie

Dr. Rainer Wirth ist Chefarzt für Geriatrie am Marien Hospital Herne
Rainer Wirth sieht den Bedarf für mehr solcher Angebote.© Imago / Rainer Raffalski
Bernd Meis steht nun vor seinem Wohnzimmerschrank und übt zusammen mit Trainer Daniel Jansen seinen Gleichgewichtssinn. Und zwar ohne Krücken! Das linke Bein anheben, den rechten Arm nach vorne strecken. Kurz stehenbleiben! Dann die andere Seite.
 
"Beim Gleichgewicht ist natürlich der eigene Körper in verschiedenen Positionen gefragt, mit Richtungsblickwechsel, geschlossenen Augen."

Stürze sind Hauptursache für Umzug ins Heim

Standfestigkeit und Gleichgewicht zu trainieren sollte dabei mit den größten Teil einer Rehasportstunde ausmachen. Schließlich sind Stürze im Alter die Hauptursache für Pflegebedürftigkeit und den Umzug ins Heim.
Das Problem: Die Pflegekassen bezahlen nur eng definierte Leistungen wie Hilfe beim Waschen, Anziehen oder Essen. Die Krankenkassen wiederum vergüten nur rein medizinische Behandlungen zu Hause wie Blutdruckmessen oder Spritzen setzen.
Es mangelt daher noch an entsprechenden validen Studien über die Wirkung solcher Trainings daheim - die für Gruppenangebote allerdings längst vorliegen. Erklärt Professor Mathias Köhler, Experte für nephrologische Rehabilitation an der Vamed Ostseeklinik in Damp: 

"Wenn man zeigen kann, dass es Patienten gibt, die dadurch wirklich einen großen Benefit haben, weil sie jetzt zum Beispiel nicht weiter pflegebedürftig im Heim sind, sondern sich dann selbst wieder versorgen können. Die Idee, dass jemand nach Hause kommt und dort auch den Patienten in seinem Umfeld betreut, ist sicher eine gute Idee."

Pflegebedarf sinkt durch Rehasport

Die Kassen verweisen dabei gern auf die Eigenverantwortung der Versicherten, die sich ja zu Hause mit Video- oder Audioanleitung selbst fit halten könnten. Obwohl doch gerade Patienten mit erhöhter Sturzgefahr, mit einer Demenz, Herzschwäche oder Parkinsonerkrankung sich besser oder nur unter fachkundiger Begleitung sportlich betätigen sollten.

Immerhin: Von der AOK initiierte und derzeit noch laufende Pilotprojekte in Altenheimen, die den Bewohnern regulär auch therapeutische Rehasportkurse in ihren Räumen anbieten, zeigen, dass der Pflegebedarf der Bewohner dank Rehasport sinkt - ebenso die Kosten für Medikamente und Operationen.

Die Sportstunde in Bernd Meis' Wohnzimmer geht zu Ende. Herr Meis hat wieder ein Stück mehr Gangsicherheit gewonnen, seine Muskeln gekräftigt und die Organe sind auch besser durchblutet. Bis zum nächsten Training!  

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