Rehasport für Senioren

Muckibude im Altenheim

08:32 Minuten
Gymnastikgruppe in einem Seniorenheim
Sport in Altenheimen kann auch die Kosten senken. © Imago / Werner Krüper
Von Peter Kolakowski |
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Die heilende Wirkung von Bewegung und Sport ist längst bekannt. Trotzdem sind solche Angebote in Seniorenheimen meist nicht zu finden. Inzwischen haben aber Politik und Krankenkassen erkannt, dass damit auch die Pflegekassen entlastet werden können.
Es ist Montagmorgen kurz nach zehn. Im Haus Ruhrgarten sind wieder Gymnastik und Sport angesagt.
„Wir haben mit dem Sitzfußball angefangen, dann haben wir die Arme bewegt - und jetzt fangen wir mit Feinmotorik an. Wir nehmen also diese Bälle, die sind sehr weich, verbinden das ein bisschen mit Gedächtnistraining.“  

Muskelmasse baut sich im Alter sehr schnell ab

Extra hierfür steht den Bewohnern ein altersgerechtes Fitnessstudio zur Verfügung. Mit vielen Hand- und Kleingeräten statt Hantel, Bänke und Kraftmaschine.
Von den bewegungsfreudigen Senioren liebevoll „Folterkammer“ genannt, kräftigen sie hier mit Bällen, Seilen, Gymnastikbändern unter fachkundiger Anleitung von Sporttherapeutin Carla Wischmann de Dios ihre Muskeln. Schließlich baut sich Muskelmasse im Alter besonders schnell ab.
Danach stehen Koordinationsübungen für das Gleichgewicht auf dem Programm. Mit Stäben, Reifen oder auch am Barren. Und schließlich Dehnungsübungen für mehr Flexibilität, Beweglichkeit und Geschmeidigkeit.
Die Übungen machen aber nicht nur den Körper fit. Sie verscheuchen auch Ängste oder Depressionen und stärken die Selbstsicherheit im Alltag. 

Manche Bewohner können wieder nach Hause

Tatsächlich können Bewohner nach einer Weile therapeutisch-rehabilitativem Training auch wieder nach Hause zurückkehren, wenn sie wollen. Aber auch jene, die hierbleiben, erleben so manches Wunder. Senioren, die von Ärzten als hoffnungsloser Fall in Rollstühle gesetzt wurden, können wieder gehen, Treppen steigen, sogar Auto fahren.
Oder Menschen mit einer Demenz, die durch Rehasport und andere Bewegungstherapien viel länger ihre noch vorhandenen geistigen Fähigkeiten bewahren und fröhlich den Tag verbringen.
Sporttherapeutin Carla Wischmann de Dios:

In so einer Gruppe ist so eine Lebensfreude - auch bei dementen Menschen. Die können das gar nicht ausdrücken. Diese Zufriedenheit, wenn die Menschen alleine auch wieder sagen können 'ich laufe jetzt', 'gehe wieder allein auf Toilette' - oder 'ich kann alleine mein Brot schmieren'. Es ist einfach eine allgemeine Zufriedenheit.

Sporttherapeutin Carla Wischmann de Dios

Singen gehört zum Gymnastikprogramm

Hier im Haus Ruhrgarten und nebenan im Haus Ruhrblick gehören auch Singen und Musizieren zum täglichen Gymnastikprogramm. Denn Singen ist Atemgymnastik pur.
Man bekommt besser Luft, innere Organe und das Gehirn werden mehr durchblutet und auch die Stimmung steigt. Hilfreich gerade bei kurzatmigen, asthmatischen, depressiven, dementen und bettlägrigen Bewohnern, die sich mit klassischem Bewegungstraining oder Sport eher schwertun. 

Entwickelt wurde die therapeutisch-rehabilitative Pflege für Seniorenheime von dem Oberhausener Pflegemanager Oskar Dierbach. Über 20 Jahre leitete Dierbach die beiden Einrichtungen und hat mit seinem Konzept ein Stück wegweisende Pflegegeschichte geschrieben. 

Es soll nun in weiteren zwölf Einrichtungen eine solche pflegerische Versorgung implementiert werden und wissenschaftlich begleitet werden. Dann kann auch die Wissenschaft noch einmal feststellen, dass es sich wirklich rechnet und dass es Sinn macht.

Pflegemanager Oskar Dierbach

Rhythmikkurse senken die Sturzgefahr

Unterdessen  hat sich im Heim das hauseigene Orchester eingefunden. Dirigiert von der Musik- und Rhythmiktherapeutin Anke Kolodziej. 
Ausgestattet mit Klanghölzern, Rasseln, Trommeln und Xylophonen musizieren 14 Bewohner munter drauf los, aber stets im Rhythmus. 
Wer Rhythmus im Blut hat, ist weniger sturzanfällig. Schließlich gehören Stürze zu den häufigsten Unfällen im Alter.
Ältere Menschen machen beim Gehen oft keine gleichlangen Schritte mehr, werden dadurch aber immer unsicherer. Und die Gefahr hinzufallen, steigt. Musikalische Bewegungserziehung halbiert die Sturzgefahr, wurde in Studien festgestellt. Regelmäßige Rhythmikkurse verbessern somit das Gangbild. Die Bewohner sind mobiler und von Pflege unabhängiger. 

Auch die Pfleger werden entlastet

Inzwischen hat auch die AOK die vielen Vorteile einer Pflege mit Reha- und Präventionssport in Heimen erkannt. Nicht allein der Pflegebedarf sinkt, wenn Bewohner wieder selbständig in den Speisesaal gehen oder das Zimmer selbst aufräumen können.
Die Pflegerinnen und Pfleger werden somit entlastet und sparen Pflegezeit. Auch die Kosten für Medikamente, Operationen und Behandlungen gehen zurück. Erklärte eine AOK-Vertreterin unlängst auf einem Gesundheitskongress in Köln.

Ausgaben der Krankenversicherung für Präventionsleistungen und Rehabilitationsleistungen für Ältere seien wichtige Faktoren, um künftige finanzielle Belastungen der Pflegeversicherung zu reduzieren, betont auch der wissenschaftliche Beirat zur Finanzierung der Pflegeversicherung in seinem aktuellen Gutachten.
Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Forderung in der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach demnächst vorgestellten Pflegereform wiederfindet. Die Bewohner in Haus Ruhrgarten und Ruhrblick wollen allerdings darauf nicht warten. Statt Däumchen zu drehen, wie in den meisten Heimen, sind sie lieber jeden Tag sportlich aktiv.

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