Kommentar zur Macht des Geldes

Politiker und Superreiche stehen sich zu nah

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Mark Zuckerberg (Facebook/Meta), Lauren Sanchez, die Verlobte von Jeff Bezos, Jeff Bezos (Amazon), Sundar Pichai (Google/Alphabet) und Elon Musk (Tesla, SpaceX), bei Vereidigung von Donald Trump im US-Kapitol.
Anders als in Deutschland zeigen Superreiche in den USA öffentlich ihre Nähe zu Spitzenpolitikern © IMAGO / ABACAPRESS / Pool
Ein Einwurf von Gilda Sahebi |
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Bei Donald Trumps Amtseinführung saßen die reichsten und mächtigsten Männer der Welt in der ersten Reihe. Diese Szene verdeutlicht: Vermögende üben Einfluss auf Politiker aus – auch in Deutschland. So zum Beispiel ein Bekannter von Friedrich Merz.
Der deutsch-schweizerische Unternehmer Ulrich Bettermann führt einen milliardenschweren internationalen Elektrotechnik-Konzern mit Sitz im Sauerland. Bettermann gehört auch der regionale Flughafen. Den hat er vor einigen Jahren gekauft und ist Alleingesellschafter. Auf dem Flughafen, der dem „Geschäftsreise-Luftverkehr“ dient, hebt neben anderen Flugzeugen auch ein ganz besonderes Flugzeug ab: das des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Die beiden kennen sich seit vielen Jahren.
Ulrich Bettermann unterhält sich mit Friedrich Merz allem Anschein nach auch über politische Fragen. Und hat als Unternehmer mit Milliardenumsatz vermutlich seine ganz eigenen Interessen. In einem Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" sagte Bettermann,  er glaube, Merz werde als Kanzler schmerzliche Entscheidungen treffen müssen, „um Deutschland wieder flottzumachen“. Schmerzlich für wen, ist da die Frage?

Struktureller Lobbyismus

Das Beispiel dieses Unternehmers ist im Grunde nichts Besonderes. Vermögende und einflussreiche Menschen haben faktisch völlig andere Zugänge zum politischen Raum als Menschen mit weniger Geld oder Einfluss. Bei privaten und öffentlichen Treffen, bei Abendessen, bei Veranstaltungen. Dazu kommt der strukturelle Lobbyismus. Die Finanzindustrie allein gibt jedes Jahr 40 Millionen Euro für Lobbyarbeit im Bundestag aus, meldete die Bürgerbewegung Finanzwende Anfang Januar. Der Einfluss von vermögenden Menschen und Institutionen auf die Spitzenpolitik ist auch in Deutschland allgegenwärtig.
Besonders hervorzuheben ist dabei die Stiftung Familienunternehmen. Sie gehört zu den einflussreichsten Lobbyverbänden der Republik. Es geht der Stiftung vor allem darum, Steuern für Vermögende zu verhindern. Mit Märchen wie dem, dass bei Veränderung der Erbschaftssteuer auch das berühmte Häuschen von Oma betroffen wäre, gelingt es der Stiftung seit Jahren, Verbesserungen zu verhindern.

Die Interessen der Bessergestellten

Das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung veröffentlichte im Jahr 2016 eine viel beachtete Studie zum Einfluss von Einkommen auf politische Entscheidungen. Die Forscher stellten fest, dass die Wünsche und Bedürfnisse von Menschen mit niedrigeren Einkommen nur mit geringer Wahrscheinlichkeit politisch beachtet und umgesetzt werden. Das führe dazu, dass sich viele Menschen von diesem System abwenden. In der Folge heißt es in der Studie, orientiere sich die Politik „noch stärker an den Interessen der Bessergestellten“.
Diese „Interessen der Bessergestellten“ betreffen besonders die staatliche Steuer- und Abgabenpolitik. Während die arbeitende Bevölkerung hohe Steuersätze zahlen muss – die weltweit als die höchsten gelten – werden Vermögende von hohen Steuern und Abgaben verschont.

Die Reichen werden reicher

Sie profitieren massiv von Steuerprivilegien und beteiligen sich nur in geringem Maße am Solidarsystem der Kranken-, Pflege- oder Rentenversicherung. So werden Vermögende immer vermögender, während Steuer- und vor allem Beitragssätze für den Großteil der Menschen wachsen. Laut der Nichtregierungsorganisation Oxfam ist das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen seit 2020 inflationsbereinigt um knapp 75 Prozent gewachsen: von etwa 89 auf rund 155 Milliarden US-Dollar. Wie viele Millionäre und Milliardäre es in Deutschland gibt, weiß man nicht genau; in oberen Vermögensbereichen herrscht weitgehend Intransparenz.
In Deutschland sind die Vermögen in der Folge fast so ungleich verteilt wie in den USA. Der Unterschied: Bilder wie die von der Inauguration Donald Trumps gibt es hier selten. Es läuft diskreter ab. Das Problem: In einer Demokratie muss jede Stimme gleich viel zählen. Die Stimme des Unternehmers Bettermann darf nicht mehr zählen als die einer seiner Angestellten. Aber sie tut es.

Gilda Sahebi ist ausgebildete Ärztin und studierte Politikwissenschaftlerin. Ihr journalistisches Volontariat absolvierte sie beim Bayerischen Rundfunk, als freie Journalistin arbeitet sie mit den Schwerpunkten Antisemitismus und Rassismus, Frauenrechte, Naher Osten und Wissenschaft. Sie ist Autorin für die "taz" und den "Spiegel" und arbeitet unter anderem für die ARD. Ihre Bücher „'Unser Schwert ist Liebe' Die feministische Revolte im Iran“ und „Wie wir uns Rassismus beibringen. Eine Analyse deutscher Debatten“ erschienen 2023 und 2024 beim S. Fischer Verlag.

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