Weltflucht

Ab auf die Privatinsel

Ein Mann liegt mit einem Surfboard an einem einsamen Strand.
Die Sorgen vergessen, raus aus der Realität: Wohlhabende blenden auf künstlich angelegten Privatinseln die Probleme der Welt aus. © imago / Westend61 / Konstantin Trubavin
Beobachtungen von Uwe Bork |
Wer genügend Geld hat, muss sich selten Sorgen machen. Auch nicht über den Klimawandel. Reiche fliehen auf Privatinseln mit Luxus-Resorts. Dort können die Probleme der Welt entspannt ausgeblendet werden. Ein neues Phänomen mit langer Tradition.
1969 war es, als ein schwedisches Mädchen mit zwei ziemlich auffälligen Zöpfen sich eine neue Welt wünschte. Und nein, falls Sie jetzt nachzurechnen beginnen, es war nicht Greta Thunberg. Es war die auf immer und ewig neunjährige Pippi Langstrumpf, die aus unzähligen Lautsprechern trällerte: "Ich mach mir die Welt, wi di wi di wie sie mir gefällt."

Schneeberge und Sandstrand: Alles ist möglich

Was die hyperaktive Halbwüchsige vor mehr als 50 Jahren zu ihrem persönlichen Programm erhob, ist inzwischen für viele wohlhabende Weltflüchtlinge zu einer Perspektive geworden. Immobilieninvestoren und Touristikkonzerne erschaffen mehr und mehr private Universen, in denen außer einer Aufhebung der Schwerkraft so ziemlich alles möglich ist, von dem eine Pippi Langstrumpf nur träumen konnte.
Das "Ocean Flower Island" vor der Südküste Chinas, mit 800 Hektar derzeit größter künstlicher Archipel der Welt, bietet beispielsweise eine Art "Best-of" der globalen Geschichte und Geografie - einschließlich schneebedeckter Berge gleich hinter dem Tropenstrand.

Paradies unter Palmen

Das zu den Bahamas gehörende "Ocean Cay" trägt nicht nur einen ähnlichen Namen wie das chinesische Mega-Eiland, es folgt auch einem ähnlichen Konzept. Auf der Privatinsel hat ein Schweizer Kreuzfahrtunternehmen eine Kunst-Karibik geschaffen, die mit der rauen Realität der Region ungefähr so viel zu tun hat wie Pippi Langstrumpfs bunte Wunschwelt mit einem Planungspapier der G7-Staaten.
In einem antiseptischen Ambiente, in dem selbst die inseleigenen Haie gezähmt sind, finden regelmäßig mehrere Tausend Kreuzfahrttouristen ihr Paradies unter Palmen.

Traumwelten jenseits der Realität

Ihre Traumwelten, gewissermaßen exterritorial auf privaten Inseln gelegen oder – etwas preiswerter – unter Kuppeln ins holländische Tiefland geklotzt, sind für mich eine Fakt gewordene Bankrotterklärung unserer Fähigkeit, unsere Erde langfristig lebenswert zu erhalten.
Diese Resorts und Refugien blenden gegen Bares genau die Probleme aus, die unweigerlich wachsen, wenn wir sie nicht angehen. Sie spiegeln uns vor, es gäbe einen Plan B, wenn unser Konsum und unser Wirtschaftssystem die globalen Existenzgrundlagen ruiniert haben.
Unsere alte Welt ist perdu? Egal, wir haben ja noch eine Alternative im Gepäck, und die ist ohnehin besser als das ruinierte Original. Funktionieren wird das kaum, das zeigt nicht zuletzt ein kurzer Blick zurück.

Ein schönes Leben nur für Reiche

Im 19. Jahrhundert entstanden die ersten "Gated Communities". Reiche Amerikaner zogen in abgeschottete Wohnbezirke, um dort genau den unangenehmen Auswirkungen der Industrialisierung zu entgehen, die sie doch oft selbst erst angeheizt hatten. Diese geschlossenen Gemeinschaften sorgten jedoch nur innerhalb ihrer Zäune für ein ökologisches Upgrade.
Es hilft eben nichts, sich wie Skandinaviens wohl berühmtester Rotschopf eine eigene Welt schaffen zu wollen: Privater Anarchismus schlägt dann nur zu leicht in politischen Konservatismus um, und die Utopie einer schönen, neuen Welt zerplatzt zu einer Dystopie, die nur noch einer kleinen Minderheit ein angenehmes Leben garantiert.

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Es ist zynisch, cleane Puppenstubenversionen einer Welt zu schaffen, die ohne Armut und ohne Kriminalität existiert und in der sich Ökonomie und Ökologie vermeintlich versöhnt haben, absurd, solange wir gleichzeitig unsere Zukunft durch Untätigkeit, Unfähigkeit und Zaghaftigkeit verspielen.
Ansonsten bliebe wirklich nur eine gänzlich andere Lösung. Ein gewisser Elon Musk hat es sich ja bereits zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 eine neue Welt zu erschaffen. Auf dem Mars und für eine Million Menschen. Wer hätte gedacht, dass er so viel mit Pippi Langstrumpf gemeinsam haben könnte.

Uwe Bork, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Soziologie, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Verfassungsgeschichte, Pädagogik und Publizistik. Bis Ende 2016 leitete er die Fernsehredaktion „Religion, Kirche und Gesellschaft“ des SWR. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Uwe Bork arbeitet als Autor, Referent und freier Journalist.

Der Fernsehjournalist Uwe Bork
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