Josef H. Reichholf / Johann Brandstetter: "Regenwälder. Ihre bedrohte Schönheit und wie wir sie noch retten können"
Aufbau Verlag, Berlin 2021
208 Seiten, 32 Euro
Überall summt, zirpt und zwitschert es
05:40 Minuten
Nirgends ist die biologische Vielfalt so groß und zugleich so bedroht wie in den Regenwäldern. Am Amazonas, im Kongobecken und in Südostasien zerstören Menschen ganze Ökosysteme. Ein neues Buch zeigt ihre einzigartige Schönheit.
Wer am Amazonas eine reichhaltige Tierwelt wie in der Savanne Afrikas erwartet, wird auf den ersten Blick enttäuscht sein. Statt Elefanten, Büffeln, Löwen oder anderen Großtieren bietet der dortige Regenwald ein undurchdringliches Pflanzendickicht, durchzogen von einem Wirrwarr unzähliger Wasserläufe. Für manche Reisende eher eine "grüne Hölle", kein Naturparadies.
Schönheit auf den zweiten Blick
Wer jedoch genauer hinschaut, entdeckt: Es wimmelt nur so von Insekten und Kleingetier. Überall summt, zirpt und zwitschert es. Nirgends sonst auf der Erde erleben Naturfreunde eine solche Artenfülle.
Dem Zoologen Josef H. Reichholf und dem Illustrator Johann Brandstetter gelingt es in diesem wunderbar gestalteten Buch, den Blick für die Schönheiten der Regenwälder zu schärfen: die gewaltigen Baumriesen, die kleinen Vögel, die an Blüten saugen, oder das Faultier, das sich langsam durch die Baumkronen bewegt.
Aber die Autoren belassen es keinesfalls bei Beschreibungen der Tier- und Pflanzenwelt, sie dokumentieren kenntnisreich auch ökologische und geschichtliche Zusammenhänge. Im zweiten Teil des Buches rückt das Wirken des Menschen in den Vordergrund.
Die Illustrationen erzählen eigene Geschichten
Die naturnahen Zeichnungen von Johann Brandstetter dienen nicht nur der Illustration. Sie erzählen eigene Geschichten. Manchmal bebildern sie die Texte, manchmal ergänzen sie den Inhalt und liefern eigene Betrachtungen des Illustrators.
Brandstetters bunte Bilder zeigen keine idealisierte oder romantisch verklärte Natur. Sie machen auf ihre Art auf die ökologische Bedeutung der Regenwälder aufmerksam und auf deren Bedrohung.
Josef H. Reichholf liefert dazu umfassende, leicht verständliche Hintergrundinformationen. Durch lebendige Beschreibungen, angereichert mit persönlichen Erfahrungen, entsteht ein leicht lesbares und zugleich aufrüttelndes Buch über die äußerst unterschiedlichen Regenwälder der Welt.
Wie schon in ihrem 2017 erschienenen Buch "Symbiosen" entwickeln die beiden Autoren eine besondere Form des Erzählens, abgestimmt auf ihre unterschiedlichen Begabungen.
Nicht nur die Einheimischen tragen Schuld
Mittlerweile wurde bereits die Hälfte der tropischen Regenwälder vernichtet. Wer die heutige Zerstörung verstehen will, muss wissen, dass die Ausbeutung der Wälder von Europäern begründet wurde: Sie brachten Plantagenwirtschaft, Rinderzucht und Anbau von Monokulturen.
Bis heute befeuern Märkte und Geld aus Europa und Nordamerika die Regenwaldzerstörung. Wer sie aufhalten will, darf nicht nur mit dem Finger auf die tropischen Länder und ihre Bevölkerung zeigen.
Reichholf und Brandstetter überzeugen durch gekonnte Darstellungen und differenzierte Analyse. Was fehlt, sind die im Titel angekündigten Rezepte zur Rettung der Regenwälder. Naturtourismus und Flächenkauf durch Naturschutzorganisationen oder Privatpersonen können allenfalls die schlimmsten Auswirkungen verhindern.
Dennoch endet das Buch nicht resignierend. Schon durch Änderungen im Kaufverhalten kann jeder einen kleinen Beitrag leisten, damit zumindest Restbestände dieses einzigartigen Ökosystems erhalten bleiben.