Soziale Gerechtigkeit

Arbeit nach Stresslevel bezahlen

05:48 Minuten
Ein großer Mensch sitzt auf einem Geldstapel und schaut auf kleine klagende Menschen herab.
Welche Arbeit ist wie viel wert? Diese Debatte brauche es für mehr Gerechtigkeit, sagt Philosoph Christian Neuhäuser. © imago / Ikon Images / Nick Lowndes
17.01.2022
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Eine Studie der Organisation Oxfam bestätigt einen langen Trend: Die Reichen der Welt sind reicher, unzählige Menschen mehr leben in Armut. In Deutschland ist es ähnlich. Der Philosoph Christian Neuhäuser schlägt eine radikale Neubewertung von Arbeit vor.
Champagner zum Frühstück, mit dem Privatjet zum Ausflug nach Mailand – oder mit einem spärlich belegten Butterbrot vor dem heimischen Fernseher: Über soziale Ungleichheiten in Deutschland und der Welt reden wir regelmäßig, und die Corona-Pandemie hat sie offenbar noch einmal verschärft. Laut der Organisation Oxfam hat sich das Vermögen der zehn reichsten Milliardäre in der Welt verdoppelt, während 160 Millionen Menschen zusätzlich in Armut leben. Aber auch unterhalb der Top-Milliardäre gibt es jede Menge Menschen, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld.
Der Philosoph und Autor Christian Neuhäuser, auch Professor an der Uni Dortmund, meint, man könne auch zu reich sein. 2018 hat er das Buch „Reichtum als moralisches Problem“ veröffentlicht. Ein politisches Problem werde der Reichtum einzelner Menschen, weil er soziale und politische Macht bedeute. Und wenn er sich auf sehr wenige Menschen konzentriere, widerspreche das unserem republikanischen, demokratischen, liberalen Grundverständnis.

Obergrenze für Einkommen

Die Wirtschaftsstrukturen müssten so umgebaut werden, dass diese Reichtumskonzentration im Laufe der Jahre abnimmt. Vermögenssteuer, Unternehmenssteuer und auch das unliebsame Thema Erbschaftssteuer ab einem gewissen, relativ hohen Erbschaftsbetrag seien Instrumente dafür. Das Geld soll aber nicht an den Staat gehen, sondern es „verteilt sich dann gleichmäßiger über die Bevölkerung“, so Neuhäuser. „Und dann sind wir alle relativ wohlhabend.“
Und: „Für Einkommen sollte es eine Obergrenze geben.“ Dabei sollten „unterschiedliche Leistungen, auch unterschiedlicher Stress auch unterschiedlich belohnt“ werden. „Ich sag‘ mal, ein Chirurg oder eine Chirurgin sollten natürlich deutlich mehr verdienen als ich, der an der Universität arbeitet, in seinem Lehnstuhl sitzt, unterrichtet und solche Sachen. Ich habe natürlich viel weniger Stress als so jemand, und das sollte schon berücksichtigt werden.“
Wenn wir ehrlich seien, komme die Gesellschaft nicht darum herum, zu debattieren, welche Arbeit welchen Wert besitzt. In der Pandemie sei besonders deutlich geworden, dass viele soziale Arbeiten enorm wertvoll für die Gesellschaft seien, aber sehr schlecht bezahlt würden, sagt Neuhäuser.
(abr)
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