Reihe: Abgehoben

Der Traum vom grünen Fliegen

Ein Flugzeug von Lufthansa rollt zum Start auf die Startbahn am Flughafen in München.
Weltweit arbeiten Ingenieure daran, das Fliegen umweltfreundlicher zu machen. © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Von Anja Krieger |
Fliegen ist die klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Ingenieure arbeiten zwar an neuen Technologien wie Biokraftstoff oder Elektro-Antrieben. Doch die Einsparungen werden aufgefressen, weil immer mehr und weiter geflogen wird.
Stefan Gössling: "Dass man als Mensch das tun kann, was eigentlich den Vögeln vorbehalten ist."
Bastian Schäfer: "…und das Flugzeug dann auch wirklich abhebt…"
Mirko Hornung: "Das ist einfach ein unbeschreibbares Gefühl. Aber eben dann auch zu verstehen und das zu bewegen, was dahinter in der Technik passiert"
Stefan Gössling: "Die meisten Emissionen entstehen bei den Langstreckenflügen."
Askin Isikveren: "An engineer will always offer a solution. Now, whether it’s practical, whether it’s economical profitable, that’s a different story."
Durchsage: "Meine Damen und Herren, hier spricht der Kapitän. Im Namen der gesamten Besatzung heiße ich Sie herzlich willkommen auf unserem Flug in die Zukunft des zivilen Luftverkehrs. Wir werden Sie in ferne technische Welten führen, angetrieben allein durch die Kraft der Ideen. Stellen Sie nun Ihre Sitzlehne zurück, aktivieren Sie das Fensterdisplay und genießen Sie die Aussicht."
Der gläserne Passagier
Bastian Schäfer: "Es gibt ja heute kaum noch einen Platz in Großstädten, wo man vernünftig die Sterne sehen kann."
Bastian Schäfer, Innovationsmanager bei Airbus in Hamburg. Der Fahrzeug-Ingenieur arbeitet an Konzepten für das Flugzeug der Zukunft. Keine geschlossene Röhre mit massiver Kabinenwand mehr. Sondern ein organisch anmutendes Geflecht aus offenen Maschen, das den Passagieren ganz neue Perspektiven eröffnet.
"Wir haben die Thematik der Transparenz quasi mit digitalen Displays kombiniert, so dass mir über die Displays, durch die ich dann in die Welt hinaus gucke, Informationen eingespielt werden können."
Zum Beispiel ein Livestream der Landschaft, die unten vorbeizieht, wenn es Tag ist. Oder der Blick nach oben in den dunkelblauen Himmel voller Sterne in der Nacht. Doch nicht nur die Displays sind digital. In der Cloud liegen alle Informationen der Passagiere bereits vor. Zum Beispiel ihre biometrischen Erkennungsmerkmale. Trotz der damit einhergehenden Risiken sieht Schäfer großes Potenzial in der Nutzung persönlicher Daten.
"Dass ich quasi durch Handauflegung auf ein Panel Zugang zum Flugzeug bekomme. Das Flugzeug, das erkennt mich also als Passagier."
Boarding-Ticket und Reisepass werden überflüssig. Statt durch die Bordküche betreten die Passagiere das Flugzeug durch eine einladende Boarding Zone, die sich während des Fluges in eine Art Holodeck verwandelt.
"Passagiere könnten prinzipiell digital Golf spielen oder den Raum während des Fluges für eine Konferenz nutzen beispielsweise oder wir können dort ein Barszenario darstellen, wo sich die Passagiere treffen können und dann mit Wolkenprojektionen sich in eine komplett andere Atmosphäre begeben."
Eine Wellness-Oase über den Wolken
Im vorderen Teil der Maschine weichen Cockpit und First Class einer lichtdurchfluteten Entspannungszone. Große Fenster geben den Blick auf den Himmel frei. Die komfortablen Sitze passen sich der Körperform an. Sensoren erkennen, wie es dem Fluggast geht und können reagieren – etwa wenn jemand zu dehydrieren droht. Eine Wellness-Oase.
Durchsage: "Ein Hinweis an die Cabin Crew: Die Grenzwerte der Passagierin auf Platz 67F sind fast überschritten."
In der Vision von Airbus kommen die Passagiere von Morgen gesünder und fitter ans Ziel. Innovationsmanager Bastian Schäfer:
"Beispielsweise werden wir den Luftdruck in der Kabine während des Reisefluges erhöhen und auch die Luftfeuchtigkeit erhöhen können. Das heißt, Sie werden keine trockene Nase mehr während des Fluges bekommen, das wird Ihr Wohlbefinden steigern und das ist beispielsweise eine Sache, von der Sie gar nicht so sehr viel mitbekommen werden. Sie werden einfach nur merken, dass das Fliegen angenehmer ist."
Bionik – Ingenieure lernen von der Natur
Peter Sander: "Ja, ich hab sogar manchmal gesagt: Wir spinnen! Wir dürfen ein bisschen spinnen. Und was sich zeigt, wir machen das jetzt seit fast vier Jahre), dass es ganz viele Ingenieure gibt, die ganz wilde Sachen im Kopf haben. Und wir schaffen ein Umfeld, dass sie den Freiraum bekommen zu spinnen."
Peter Sander leitet in der Innovationsabteilung von Airbus den Bereich für emergente Technologien und Konzepte.
"Wir nennen das Step Changes, das heißt, das sind echte Veränderungen. Nicht so ein kleines bisschen, mal da, mal drei Prozent, sondern ein Thema mal wirklich ganz anders anfassen und gucken, ob das geht. Das ist risikobehaftet. Also mindestens die Hälfte dieser Sachen gehen schief. Aber die Sachen, die durchkommen, die sind dann auch sensationell anders."
Was den Maschinenbau-Ingenieur besonders begeistert: Die besten Ideen kommen aus der Natur selbst. Die Flügel eines Schmetterlings, die Kiefer eines Tiefseefisches oder die Haut eines Haifischs haben Eigenschaften, die für Flugzeugkonstrukteure hochinteressant sind. Sie schützen Tragflächen vor Vereisung, ermöglichen mehr Stauraum fürs Handgepäck oder machen die Flugzeugoberfläche noch stromlinienförmiger.
Bionik heißt das Zauberwort – und das ist nicht mehr nur Utopie. Stolz präsentiert Peter Sander eine silberne, etwa 30 mal 30 Zentimeter große Platte aus Metall mit feinen Streben, die sich über die Oberfläche winden. Pate für den Bauplan ist die Viktoriaseerose.
"Das sind diese großen Blätter aus dem Amazonas, die sind bis zu zwei Meter groß, da kann man ein kleines Kind draufsetzen und die haben eine ganz fantastische Tragwerksstruktur von unten. Und von oben sieht man nur ein wunderschönes grünes Blatt.
Ich weiß gar nicht, wie lange die Natur da dran rumentwickelt hat. Das dürften mehrere Millionen Jahre sein. Und da wir bis jetzt ja keine Möglichkeit hatten, so etwas nachzubauen, hat sich damit auch keiner mit beschäftigt."
Neuartiger Modellbau dank 3D-Drucker
Dass das jetzt doch passiert, ist einer neuen Technologie zu verdanken: Dem 3D-Druck. Im Hamburger Airbus-Werk steht schon jetzt einer der schrankgroßen Drucker. Schicht für Schicht entstehen hier erste Modelle und Entwürfe für Ersatzteile aus Kunststoff. Die Ingenieure aus der Innovationsabteilung warten sehnsüchtig darauf, dass bald noch ein Drucker dazu kommt, der auch Metalle verarbeiten kann. Bisher mussten sie das außerhalb des Werks machen lassen.
"Das heißt, wir bauen lagenweise die tollsten Metalle auf, Titan, hochfeste Aluminiumwerksstoffe als auch Edelstähle. Und können quasi knochenartige Strukturen bauen. Das konnte man früher nie. Und das wird jetzt wirklich eine große Veränderung bringen."
Gerade tüfteln die Ingenieure daran, wie sie den Bauplan der Viktoriaseerose für die Landeklappen nutzen könnten, die an den Tragflächen zum Einsatz kämen. Solche bionischen Bauteile aus dem 3D-Drucker könnten enorme Mengen an Rohmaterial sparen und das Gewicht von Flugzeugen noch einmal deutlich senken. Um 30 oder vielleicht sogar 50 Prozent. Kein Teil im Flugzeug wird davon unberührt bleiben, sagt Peter Sander.
"Wir fangen praktisch im Augenblick an, die Flugzeugkonstruktion neu zu entwickeln. Und das müssen wir lernen, wie das in jeder neuen Technologie ist."
Je leichter umso besser
Gewicht ist das Thema im Flugzeugbau. Das größte Passagierflugzeug, der Airbus A380, kann beim Start mit voller Ladung bis zu 560 Tonnen wiegen. Die große Herausforderung liegt deshalb nicht nur darin, die Aerodynamik zu verbessern, sondern auch das unbeladene Flugzeuge möglichst leicht zu machen.
"Unsere Produkte fliegen in der Regel 30 Jahre. Das heißt, wir müssen wirklich etwas entwickeln, was auf Dauer hält. Da wird auch nicht irgendeine Ware transportiert, sondern da sitzen bis zu 500 Menschen drin, das heißt, das muss wirklich absolut sicher sein. Und das zweite ist, dass wir natürlich ganz, ganz hart daran arbeiten, ökologisch zu fliegen. Das heißt, vor allen Dingen den Benzinverbrauch, den Kerosinverbrauch zu reduzieren. Und dazu ist Leichtbau gefragt."
Durchsage: "Meine Damen und Herren, wir befinden uns nun auf unserer Reiseflughöhe von 13000 Metern. Die Tropopause haben wir unter uns gelassen, und wir durchkreuzen nun die Stratosphäre."
Etwa drei Prozent der menschengemachten Emissionen durch Flugzeuge
Stefan Gössling: "Ich glaube, die allerwenigsten können konkret mit dem Konzept CO2 umgehen. Kohlendioxid, was das heißt, welche Mengen emittiert werden, bei welchen Aktivitäten. Und wo es dann nicht mehr nachhaltig ist."
Stefan Gössling ist Professor für Tourismus und Humanökologie an den schwedischen Universitäten Linnaeus und Lund. Für den Forscher sind die Auswirkungen der Luftfahrt auf die Umwelt ein großes Thema.
"Die allermeisten Leute wissen, dass Flugverkehr problematisch ist und durch eine Flugreise sehr hohe Emissionen entstehen."
Wenn ein Flugzeug durch die Luft fliegt, hinterlässt es einen Mix aus Abgasen in die Atmosphäre. Einige der Bestandteile führen zur Erwärmung, andere zur Abkühlung. Ungefähr zwei bis drei Prozent der vom Menschen gemachten CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Luftfahrt. Dazu kommen weitere Elemente wie Wasserdampf und Stickoxide. Für die Berechnung der Klimawirkung spielt die Flughöhe eine wichtige Rolle. Aber auch die Route und Länge des Flugs, die Art des Flugzeugs und der Zeitpunkt der Emissionen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die Klimawirkung des Luftverkehrs etwa doppelt so hoch ist, wie die Wirkung seiner reinen CO2-Emissionen.
Gössling: "Die meisten Emissionen entstehen bei den Langstreckenflügen, also alles, was transnational ist und transkontinental vor allen Dingen. Und da muss man jetzt wissen, dass man zwar glaubt, dass die ganze Welt ständig auf Achse ist. Das ist aber nicht so. Wir gehen also davon aus, dass nur drei Prozent der Weltbevölkerung innerhalb eines Jahres über eine Grenze hinweg fliegt. Der ganze Flugverkehr ist, mit anderen Worten, einer sehr kleinen Minorität der Menschheit zuzuschreiben."
Mirko Hornung: "Ja, die wesentlichen Treiber auf der einen Seite sind natürlich das, was wir als Anstieg im Mobilitätsverhalten haben werden. Das heißt, im Wesentlichen dafür verantwortlich ist ein drastischer Anstieg in der Mittelschicht, gerade in Asien, wo wir davon ausgehen können, dass innerhalb der nächsten 15 Jahre zirka einen Anstieg haben werden von 300, 400 Millionen in der Mittelschicht auf über eine Milliarde, und das ist natürlich der finanziell interessante Bereich, der sowohl im geschäftlichen aber auch im privaten Bereich den Luftverkehr verstärkt nutzen wird."
Mirko Hornung ist Vorstand für Wissenschaft und Technik bei Bauhaus Luftfahrt. Der Name der Münchner Ideenschmiede ist angelehnt an das Konzept der Kunstschule des Architekten Walter Gropius. So wie Gropius bisher getrennte Disziplinen in der Kunst zusammenbrachte, arbeiten im Bauhaus Luftfahrt Experten aus verschiedenen Forschungszweigen zusammen. Ökonomen, Ingenieure, Sozialwissenschaftler, Physiker und Chemiker erforschen und entwickeln hier gemeinsam Konzepte für die Zukunft. Luftfahrtingenieur Mirko Hornung:
"Es ist ja nicht nur rein das Flugzeug, sondern es sind alle Elemente, die dazu kommen. Das heißt, wir brauchen jemanden, der versteht, wie denkt der Passagier, was möchte der Passagier. Dort kommen also Soziologen mit ins Spiel. Wir brauchen jemanden, der versteht, welche einzelnen Interessengemeinschaften sind eigentlich dahinter, ein Flughafen, öffentlicher Nahverkehr, die Automobilindustrie, und dann letztendlich Fluggesellschaften, und am Ende aller Tage, der, der das Flugzeug hergestellt hat oder die Komponenten dazu. Das heißt, die müssen alle zusammenkommen, das heißt wir brauchen jemanden, der ökonomisch versteht, wie entstehen dort Geschäftsmodelle, wo kann man Geld verdienen, wer verdient woran, und wie kann man das dann alles in ein Netzwerk reinbringen, so dass es auch langfristig – das heißt auch in einer Umgebung 2050 – bestehen kann."
Auf der Suche nach neuem Treibstoff
Ganz oben auf der Agenda des Bauhaus Luftfahrt steht die Forschung an neuen Treibstoffen. Denn bisher fliegt die Flotte von weltweit über 20000 Flugzeugen fast ausschließlich mit dem Erdölprodukt Kerosin. In naher Zukunft wird das Öl zwar erstmal nicht ausgehen. Es könnte aber deutlich teurer werden. Schon jetzt macht der Treibstoff ein Drittel der Gesamtkosten einer Fluggesellschaft aus. Neben den Kosten treibt auch die Sorge um die Emissionen die Suche nach Alternativen an.
In einem Glas sind am 29.11.2010) vor Beginn einer Pressekonferenz in Berlin Jatropha-Bohnen zu sehen. Ein halbes Jahr lang wird ein Flugzeug die Strecke Hamburg - Frankfurt zum Teil mit dem Kerosinersatz fliegen. 
Auf der Suche nach Kerosinersatz macht die Lufthansa Experimente mit den stark ölhaltigen und giftigen Jatropha-Bohnen.© picture alliance / dpa / Tim Brakemeier
Doch Biotreibstoff ist zur Zeit noch deutlich teurer als Kerosin. Und er ist umstritten, denn das Land, auf dem die Energiepflanzen angebaut werden, wird benötigt, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Ein Dilemma. Die Lösung könnten Treibstoffe sein, die sich auch auf Böden von schlechter Qualität oder im Meer herstellen lassen, etwa aus Algen oder der Strauchpflanze Jatropha. Sie würden der Produktion von Nahrungsmitteln keine Konkurrenz machen.
Die Frage bleibt jedoch, ob solche Pflanzen im ausreichenden Maß angebaut werden können, um den wachsenden Bedarf von Flugzeugen und anderen Verkehrsmitteln zu decken. Bei Bauhaus Luftfahrt forscht der Physiker Andreas Sizmann deshalb an einer weiteren Alternative: Dem solaren Treibstoff.
"Die Primärenergie von Biokraftstoffen ist nicht die Biomasse, sondern die Sonnenenergie. Da stellt sich für uns die Frage, kann man die Sonnenenergie nutzen und über einen Umweg die Photosynthese vermeiden, um direkt dann zum Kraftstoff zu kommen, ja, über einen alternativen Weg."
Beim Verbrennen von Kerosin gelangt Kohlenstoff in die Atmosphäre, der viele Millionen Jahre im Erdöl im Boden gebunden war. Das treibt den Klimawandel an. Pflanzen hingegen können CO2 aus der Luft aufnehmen und die Atmosphäre entlasten. Werden sie in Form von Biotreibstoff wieder verbrannt, entsteht ein klimaneutraler Kreislauf. Die Forscher am Bauhaus wollen das nun erreichen, ohne dass Pflanzen angebaut werden. Im Sommer 2014 konnte das Forscherteam an der Technischen Hochschule in Zürich zeigen, dass das grundsätzlich möglich ist.
"Technisch funktioniert das so, dass wir Sonnenlicht konzentrieren, um bei hoher Temperatur in einem Reaktormaterial die Verbrennungen umzukehren, das heißt, den Sauerstoff aus Wasser und CO2 zu lösen und damit Wasserstoff und Kohlenmonoxid zu erzeugen. Und diese beiden Gase in diesem Gemisch können dann zu Kraftstoff reagieren, im sogenannten Fischer-Tropsch-Prozess."
Solar-Jet haben die Forscher ihren neuen Treibstoff getauft. Mithilfe großer Solarkraftwerke könnte man in Zukunft so vielleicht ökologischen Treibstoff für den Flugverkehr herstellen. Das Praktische: Er wäre in denselben Flugzeugen einsetzbar wie heute, und die Anlagen könnten sogar in der Wüste stehen. Er würde keine wertvollen Böden beanspruchen, und weniger Fläche als Biotreibstoffe. Doch noch steckt das Verfahren in den Kinderschuhen: Gerade einmal 50 Milliliter des Treibstoffs könnten bisher produziert werden. Und das Verfahren, wie man Kohlendioxid aus der Luft einfängt, muss erst weiterentwickelt werden – bisher verwendet Solar-Jet auf herkömmlichem Wege gewonnenes CO2.
Das Ziel: Weniger Emissionen trotz Wachstum der Branche
Askin Isikveren:"Unsere Mission steht in einem Dokument, das die Europäische Kommission im Jahr 2011 herausgegeben hat. Es heißt FlightPath2050 und dort werden die Ziele formuliert, die die Luftfahrtindustrie bis zum Jahr 2050 schaffen soll."
Der Australier Askin Isikveren leitet die Abteilung visionäre Konzepte beim Bauhaus Luftfahrt.
"Bei den drei wichtigsten geht es um die Umwelt: 75 Prozent weniger Kohlendioxid-Emissionen, 90 Prozent weniger Stickstoffemissionen und 65 Prozent weniger Lärm."
Und zwar im Vergleich zu den Emissionen eines im Jahr 2000 in Betrieb genommenen Flugzeugs. Pro Kilometer, den ein Passagier zurücklegt, sollen die Umweltbelastungen so deutlich sinken. Gleichzeitig will die Branche weiter wachsen, um etwa 3 bis 5 Prozent pro Jahr. Vertreter aus Flugindustrie und Forschung, darunter auch der Energiekonzern Shell, haben diese Pläne für die europäische Luftfahrt im Jahre 2050 entwickelt.
"Sogar für erfahrene Ingenieure klingt das nach einer ziemlich schwierigen Aufgabe. Am Bauhaus haben wir aber erste Studien gemacht und verschiedene Szenarios entwickelt. Für die Zeit bis 2035 gibt es relativ realistische Ideen. Wenn man die zusammennimmt, könnten wir vielleicht 50 Prozent erreichen. Auf dem Weg bis 2050 wird es schwieriger. Um die 75 Prozent zu erreichen, brauchen wir schon wirklich umwälzende, neue Technologien, also solche, mit denen wir bisher noch gar nicht vertraut sind."
Isikveren und seine Bauhaus-Kollegen entwerfen deshalb Konzepte für komplett neuartige Flugzeuge. Aushängeschild ist zur Zeit das Design für den ein vollelektrisches Flugzeug für Kurz- und Mittelstrecken, den Ce-Liner, wie ihn die Bauhaus-Forscher genannt haben.
Das bekannte Equipment soll den Austausch am Flughafen erleichtern. Schon heute funktionieren viele Systeme an Bord elektrisch, etwa die Kontrollsysteme oder die Klimaanlage. Hinzu kommen aerodynamische Verbesserungen. Die Tragfläche wird durch einen sogenannten Ce-Wing abgeschlossen, durch den das Flugzeug noch leichter fliegen kann.
Einen neuen Flieger zu entwickeln kostet allerdings Milliarden. Und das ist nicht das einzige Hindernis für den Jungfernflug des Ce-Liners. Denn noch sind die Voraussetzungen nicht gegeben: Die passenden Batterien mit 2000 Wattstunden pro Kilogramm gibt es noch gar nicht. Ob solche Batterien in den nächsten Jahrzehnten überhaupt entwickelt werden können, ist umstritten.
Isikveren: "Wenn man die Studien aus den USA von den Leuten bei der NASA liest: Die behaupten, dass sogar so etwas wie 3000 Wattstunden pro Kilogramm realisierbar wäre. Wenn man mit Akademikern oder Leuten aus der Industrie in Europa spricht, dann sagen sie, Niemals! Da gehen die Meinungen also ziemlich auseinander. Als Gesellschaft und Ingenieure müssen wir wissen, was unser Ziel ist für so ein Nullemissionsflugzeug. Und dann ist es an den Wissenschaftlern der Welt, dieses Ziel auch umzusetzen."
EU-Kommission rechnet mit Technologien, die es noch nicht gibt
Durchsage: "Meine Damen und Herren, eine kurze Durchsage, wir durchfliegen nun eine etwas kritische Turbulenz. Bitte schnallen Sie sich an."
Stefan Gössling. "Greenwashing ist für mich, wenn man suggeriert, dass durch Technik mehr erreicht werden kann, als man wirklich weiß, indem man Technik, die es noch nicht gibt, vorschlägt als Lösung. Wenn man relative Einsparungen als Diskussionsschwerpunkt wählt, wenn die einzige Frage aber die absoluten Entwicklungen sind. Es ist eben nicht relevant, ob man pro Kilometer ein oder zwei oder drei Prozent weniger Treibstoff jedes Jahr verbraucht, solange wir alle fünf oder zehn oder 30 Kilometer mehr fliegen pro Jahr, weil das eine das andere auffrisst oder übersteigt."
Die schönen Versprechen der Luftfahrtindustrie können Stefan Gössling nicht überzeugen. Was die europäische Kommission unter dem Titel FlightPath2050 veröffentlich hat, ist für ihn reines Marketing.
"Ja, dieser Bericht besticht eigentlich durch zwei Punkte: Der erste, wenn ich das mal ein bisschen zynisch sagen darf, es sind sehr viele schöne Bilder drin. Der zweite, es glänzt vollständig durch Abwesenheit von Zahlen. Wenn jemand mir ein Szenario vorlegt für ein Ziel, das erreicht werden soll, dann würde ich denken, dass man das messbar machen muss, ansonsten ist es eine Behauptung, aber nichts anderes. Und ich kann in diesem Bericht nicht herauslesen, wie dieses Ziel erreicht werden soll."
Nicht nur die Passagierzahlen wachsen, auch die Reisedistanzen werden immer größer – und das treibt den Kerosin-Verbrauch in die Höhe. Nach Schätzungen der International Civil Aviation Organisation ICAO, einer Organisation der Vereinten Nationen, werden die CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr bis 2050 um ein Vielfaches anwachsen. Auch ein Großteil dessen, was durch neue Technologien an Einsparungen gewonnen werden kann, wird vom Wachstum der Branche zum großen Teil wieder verschlungen.
"Das ist leider in diesem Dokument nicht sehr ersichtlich, dass da ein riesiger Konflikt wartet, sondern die Lösung ist ja offensichtlich Technologie, die es noch nicht gibt, beziehungsweise das EU-ETS, also ein Handelssystem für den Flugverkehr."
Doch auch das EU-Emissionshandelssystem hält Stefan Gössling für keine glaubhafte Lösung. Im Kyoto-Protokoll, das den Klimaschutz in den 90er-Jahren auf eine Basis stellte, wurden keine Vorgaben für den Schiffs- und Flugverkehr gemacht. Es sollte zu einer internationalen Regelung durch die ICAO kommen. Bis heute hat das nicht geklappt. Nur der Flugverkehr innerhalb der Europäischen Union und einiger weiterer Länder muss derzeit Emissionen durch Zertifikate ausgleichen. Doch das europäische Handelssystem, kurz ETS, funktioniert mehr schlecht als recht. Zudem ist das Handelssystem offen: Die Fluggesellschaften können Zertifikate aus anderen Ländern dazu kaufen.
"Indien oder China haben aber keine nationalen Caps auf ihren Emissionen und auch keine Ziele, nationale Emissionen zu verringern. Mit anderen Worten: Wir können bis in alle Ewigkeit Emissionsminderung aus Projekten einkaufen aus der ganzen Welt, ohne dass das irgendeine praktische Implikation eigentlich hat für den Flugverkehr."
Solarflugzeug soll im Frühjahr 2015 die Welt umrunden
Bertrand Piccard: "Philosophically speaking, aviation also has a role. It is to inspire people."
Bertrand Piccard kommt aus einer Familie von Pionieren. Sein Großvater Auguste stellte als Ballonfahrer Höhenrekorde auf und Vater Jaques tauchte in zuvor unerreichte Meerestiefen. Bertrand Piccard selbst ist Psychiater und umrundete mit Kopilot als erstes Team non-stop die Erde mit dem Heißluftballon.
"Umweltschutz ist oft langweilig und teuer und er wird als großes Problem dargestellt. Das motiviert niemanden. Wir glauben, dass wir den Schutz der Umwelt wieder aufregend und spektakulär machen müssen, um zu zeigen, dass das das neue Abenteuer des 21. Jahrhunderts ist. Das ist das Ziel von Solar Impulse. Wir zeigen, wie neue saubere Technologien Energie einsparen und die natürlichen Ressourcen unseres Planeten bewahren können, und dass man da absolut unglaubliche Dinge erreichen kann. Pioniergeist heute bedeutet nicht, wieder zum Mond zu fliegen, sondern die Lebensqualität zu verbessern und die Menschheit zu schützen."
Solar Impulse ist Piccards neues Baby. Seit zwölf Jahren arbeitet er mit seinem Kollegen André Borschberg an dem Solarflugzeug. Und es ist längst nicht mehr nur eine Idee. Nach mehreren erfolgreichen Flügen wollen die beiden Piloten im Frühjahr 2015 die erste Weltumrundung wagen. Bis zu fünf Tage soll das Flugzeug dabei in der Luft bleiben, ohne einen Tropfen Treibstoff zu verbrauchen. André Borschberg, der früher bei der Schweizer Luftwaffe flog, ist stolz auf die Arbeit des Teams.
"Zunächst einmal nutzen wir die Sonne als Energiequelle. Dadurch, dass wir Solarzellen in das Flugzeug integriert haben, verwandeln wir die Sonnenstrahlen in Elektrizität. Die verwenden wir, um das Flugzeug mit elektrischen Motoren anzutreiben. Aber wir speichern die Energie auch, zum einen in Batterien, zum anderen in Form von Höhe. Das heißt, wir steigen auf sehr hohe Höhen auf, wo auch die Passagiermaschinen fliegen, und wenn es Nacht wird, sinken wir über einige Stunden sehr langsam wieder runter. Das spart Batterie."
Ließe sich dieses Konzept auch auf größere Passagier-Maschinen übertragen? Für Mirko Hornung, den wissenschaftlichen Leiter von Bauhaus Luftfahrt, ist das eher unsicher.
"Wenn man das jetzt überträgt, in den Luftverkehr, kann man viele Ansätze zwar weiter verfolgen, aber es lässt sich nicht so eins zu eins übertragen. Von daher war es wichtig, dass was mit Solar Impulse gemacht wird, um einfach mal zu zeigen, ist es grundsätzlich nicht undenkbar das zu tun, aber es ist als solches ein Technologiedemonstrator. Es ist noch nicht das, was zu einem operationellen Gerät führt."
Auch Bertrand Piccard würde sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, wenn es um die Zukunft der Luftfahrt geht. Derzeit passt nur ein Pilot in die Maschine. Die Spannweite der Tragflächen ist größer als ein Jumbo Jet, trägt aber nur ein Gewicht so schwer wie ein Auto. Die Solar Impulse ist sensibel für Turbulenzen und braucht gutes Wetter. Und der Steig- und Sinkflug im Tagesrhythmus produziert hohe Temperaturunterschiede. In einem Video der Firma Airbus heißt es, dass selbst deutlich bessere Solarzellen niemals imstande sein werden, ein Linienflugzeug zum Fliegen zu bringen. Doch vielleicht könne man eines Tages zumindest die Bordelektrik über Sonnenstrom versorgen.
Für Piccard und Borschberg ist ihr Solarflieger vor allem ein Statement. Was mit grünen Technologien in der Luft möglich ist, geht auf dem Boden schon lange. Dass die Solartechnologie auch in der Luft eines Tages eine Rolle spielt, würden sie allerdings nicht ausschließen.
Piccard: "Heute gibt es die Technologie noch nicht, um 200 Leute in einem Solarflugzeug zu transportieren. Aber die Gebrüder Wright konnten das damals auch nicht. Und 40 Jahre nach ihnen überquerten die Menschen die Ozeane schon in kommerziellen Fliegern."
Neue Airbus-Triebwerke sparen 15 bis 20 Prozent Treibstoff
Durchsage: "Meine Damen und Herren, wir landen jetzt in der Realität. In Hamburg-Finkenwerder auf dem Betriebsflughafen von Airbus, dem zweitgrößten Flugzeughersteller der Welt. In den großen Hallen, die Sie links und rechts der Landebahn sehen, werden die Flugzeuge gebaut."
"Wir sind jetzt hier in der Ausrüstungsmontage für die A320 Familie. Wenn Sie das mit einem Hausbau vergleichen, der Rohbau ist quasi fertig. Und Sie beginnen jetzt hier mit der Innenausstattung, dass Sie also Isolierung einbauen, dass Sie die Wasser- und Stromleitungen einbauen, Hydraulikleitung."
Heiko Stolzke, der Unternehmenssprecher von Airbus Deutschland, führt durch die Produktion: Ein riesiges Gelände mit lauter hohen Hallen, in denen jeweils ein Teilprozess der Flugzeugproduktion stattfindet. 42 Flieger werden hier im Monat gebaut und in alle Welt ausgeliefert.
"Hier finden jetzt derzeit die vorbereitenden Arbeiten statt, um dann demnächst die Triebwerke zu montieren."
Eine der Maschinen wartet auf die letzten Bauteile. Statt dem Logo einer Airline prangt in großen Lettern ein Schriftzug auf der Kabine: Unbeatable Fuel Efficiency, unschlagbare Kraftstoff-Effizienz. Auf dem Leitwerk stehen, weiß auf blau, drei große Buchstaben: NEO. Das Kürzel steht für New Engine Option.
"Das heißt also, die Flugzeuge werden mit neuen Triebwerken ausgerüstet. Der Hauptvorteil bei der 320neo ist eine Treibstoffersparnis von 15 bis 20 Prozent gegenüber der derzeitigen Generation."
Die Bezeichnung "ne" steht für "new engine option". Der A320neo ist eine modernisierte Version des A320 mit optimierten Tragflächen und einem verbesserten Antrieb, mit dem 15 Prozent Treibstoff eingespart werden soll. 
Der Airbus A320neo auf dem Flughafen Toulouse-Blagnac im Süden Frankreichs© picture alliance / dpa / Ddm David Becus
Neo sieht nicht nur aus wie ihr Vorgänger A320: Bis auf wenige Neuerungen ist sie auch genau das gleiche Flugzeug. Der wichtigste Unterschied ist das neue Triebwerk. Für Fachleute eine kleine Sensation, denn es enthält ein Getriebe, durch das sich der vordere und hintere Teil in unterschiedlicher Geschwindigkeit drehen lassen. Eine Technik, die Kerosin spart.
Durchsage: "Sehr geehrte Airlines, wenn Sie lieber woanders einkaufen gehen: Auch Boeing bietet diese Technik jetzt mit der MAX an. Aus der 737-Familie, die Sie seit 50 Jahren kennen."
Dreifache Menge des heutigen Verbrauchs müsste eingespart werden
Für die Fluggesellschaften ist die Erneuerung der Flotte eine riesige Investition. Flugzeuge haben eine Lebensdauer von etwa 30 Jahren. Was wir in näherer Zukunft am Himmel sehen, lässt sich heute in den Werken der großen Flugzeugbauer besichtigen. Die Effizienzgewinne dieser neuen Maschinen sind beeindruckend. Doch dahinter steckt keine revolutionäre neue Technologie. Die Entwicklung geht ganz konservativ und kontinuierlich weiter, auf Grundlage des Flugzeugbaus, wie es ihn schon seit Jahrzehnten gibt. Mirko Hornung vom Bauhaus Luftfahrt in München:
Hornung: "Wenn wir uns anschauen, dass im Grunde genommen jedes moderne Flugzeug, was heute auf den Markt kommt, gegenüber seinem Vorgänger ungefähr 'ne Einsparung bringt von 15 bis 20 Prozent. Und wenn wir das natürlich sukzessive in den Markt reinbringen, in die Flotte reinbringen, heißt das im Schnitt zwischen einem bis anderthalb Prozent wird die Gesamtflotte im Luftverkehr pro Jahr effizienter. Jetzt kann man sich hochrechnen, wenn man von heute bis 2050 rechnen, kommen wir da nicht auf 75 bis 80 Prozent Einsparung, da kommen wir nicht hin."
Die Max und Neo-Modelle sind für die Branche ein Riesenschritt. Doch gemessen an den hohen Zielen, die sich die Luftfahrtbranche in ihrer Vision für 2050 gesetzt hat, wird das nicht reichen. Die dreifache Menge dessen, was heute verbraucht wird, müsste in Zukunft eingespart werden, rechnet Mirko Hornung von Bauhaus Luftfahrt vor. Eine Herausforderung, die sich schwer in den laufenden Betrieb einschleusen lässt.
Hornung: "Wenn wir ehrlich sind, haben wir das heutige Luftverkehrssystem über 70 Jahre lang optimiert. Das Flugzeug hat sich grundlegend nicht geändert, die Prozesse haben sich grundlegend nicht geändert, wir haben sehr, sehr viel im Detail an Verbesserungen reingebracht. Aber das ganze System ist darauf abgestimmt. Umso schwerer wird's natürlich jetzt zu sagen, ok, wir gehen einen radikalen Bruch und machen vielleicht etwas grundsätzlich anders."
Hehre Ziele
Jenseits der dringenden Suche nach dem effizienteren und grüneren Flugzeug hat das Thema Sicherheit nach wie vor die höchste Priorität. Eine radikal neue Idee muss nicht nur funktionieren, sondern auch die gleichen Standards erreichen wie Flugtechnologien, die über Jahrzehnte erprobt ist. Wie also kann man die Ziele einer grüneren Luftfahrt erreichen? Die Antwort ist noch nicht ausgemacht.
Hornung: "Ein wesentlicher Strang dabei ist einfach, gibt es andere Energieträger, die von Haus aus einfach einen anderen ökologischen Fußabdruck bieten. Das heißt, die einfach per se weniger CO2 als Neu-CO2 in die Atmosphäre freisetzen, gibt es dort Möglichkeiten oder kann man grundsätzlich das Antriebskonzept überdenken. Und da kommen wir also in zwei Themenbereiche rein, das eine ist alternative Kraftstoffe, oder eben grundsätzlich von diesem Verbrennungsprozess schrittweise wegzugehen, Schlagwort, wie wir's eben im Automobilsektor auch schon kennen, Elektromobilität. Wird Elektromobilität in der Luftfahrt langfristig eine Rolle spielen, ja oder nein?"
Isikveren: "We say it's doable, because our job is to come up with solutions, right? I would never ever say it's not doable. Right? An engineer will always offer a solution. Now, whether it’s practical, whether it’s economically profitable, that’s a different story."
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