Reihe: Auf und Apps – App-Trends 2014

Köstlich app-gekocht?

Kochen nach Rezept von Apps
Smartphone mit Rezept aus einer Koch-App © Imago / Rüdiger Wölk
Von Holger Hettinger |
Es gibt Koch-Apps mit komplexen Gerichten, aber auch welche mit banalen Tipps. Lust aufs Kochen machen sie alle nicht, meint Holger Hettinger. Immerhin bietet der Martkführer "Paprika" eine solide Rezeptverwaltung und eine gute Stichwortsuche.
In Sachen Weihnachtsmenü gibt es im Wesentlichen zwei Fraktionen: die Traditionalisten und die Nonkonformisten. Die Traditionalisten servieren Großgeflügel, eine Gans oder eine Pute, und weil dieses Viech schon seit Jahrzehnten auf immer die gleiche, bewährte Weise zubereitet wird, braucht der Küchenmensch hierfür kein Rezept, daher auch keine App.
Die Nonkonformisten tischen am 24. Dezember einen Kartoffelsalat mit Würstchen auf, ein unaufwendiges Ratz-Fatz-Gericht, "damit man mehr Zeit füreinander hat" - wobei ich mir nicht vorstellen kann, Zeit mit Menschen zu verbringen, die meinen, sie müssten mir am Heiligabend einen Kartoffelsalat servieren.
Marktführer "Paprika" zapft Koch-Webseiten an
Für alle anderen gibt es kleine Programme, mal bessere, mal schlechtere Apps, die das Handy oder das Tablet zu einem kreativen Küchen-Helferlein machen sollen. Der Marktführer der Koch-Apps heißt "Paprika". Das Programm funktioniert im Prinzip wie ein riesiger Staubsauger: Man kann die einschlägigen Rezepte-Seiten im Internet anzapfen und beispielsweise Rezepte aus der größten deutschen Küchen-Community "chefkoch.de" importieren und auf eine beliebige Portionsmenge umrechnen lassen.
Will man beispielsweise 73 Portionen Kokosmakronen zubereiten, dann braucht man dafür 146 Esslöffel Zitronensaft. Außerdem kann man sich einen Einkaufszettel erstellen lassen, damit der Kokosmakronenbäcker nicht vergisst, 365 Eiweiß und 29,2 Kilo Marzipan-Rohmasse zu besorgen. Abseits dieser Spielereien bietet die Paprika-App eine wirklich solide Rezeptverwaltung, eine gute Stichwortsuche und eine pfiffige Sortierung der Einkaufsliste nach Produktgruppen.
App mit Gerichten, die man nicht essen will
Das "Große Rezeptbuch" klingt eindrucksvoll, und kostet nur schmale 89 Cent. Dafür bekommt man arabische Rezepte, asiatische Rezepte, ja sogar philippinische Rezepte, die alle eines gemeinsam haben: Man möchte das alles gar nicht essen. Eine saure, trübe Suppe mit einem Fischfilet drin, das aussieht, als wäre es von einem Tieflader überfahren worden. Also, ich brauche das nicht auf dem Teller. Was nicht ausschließt, dass man mit diesem Gericht anderswo Begeisterungsstürme auslöst.
Das zeigt ein wenig das Dilemma: Apps werden über das weltweite Netz verbreitet und sind entsprechend globalisiert; damit sich die Entwicklung dieser mitunter enorm aufwendigen Apps lohnt, müssen sie weltweit funktionieren. Viele Rezepte tun das nicht. Dann stellt sich das vorhin beschriebene Befremden ein. Oder aber das Rezept ist so universal, dass es gesichtslos wirkt – dafür stehen die ganzen Burger-Rezepte der Koch-Apps. Diese globalisierten Rezepte gehen dann auf Kosten der kulturellen Verortung und der regionalen Küchengebräuche. Kochen ist letztlich mehr Heimatsuche, als man sich selbst zugestehen mag.
App für vegange Rezepte völlig misslungen
Ein V, das so ungesund grün ist, dass man meinen könnte, dem Buchstaben sei schlecht geworden: Das ist das Erkennungszeichen der App "Emilia's veganes Rezept". Um es gleich zu sagen: Es ist so ungefähr das traurigste, was ich je auf meinem iPhone gesehen habe. Für 3,59 Euro bekommt man 23 Rezepte, die an Banalität kaum zu überbieten sind, ohne Finesse, dafür mit unfassbaren Mengen Fett. Ein weiteres Manko: Die "Szenen mit erotischen Anspielungen", vor denen im App-Store gewarnt wird, fehlen vollständig.
Wenig Licht, viel Schatten. Ich selbst bin also Koch nicht auf den App-Geschmack gekommen. Warum soll ich mit fettverschmierten Fingern auf dem Bildschirm meines iPhones herumwischen? Die Apps mögen gute Hilfsmittel für die Zubereitung unbekannter Rezepte sein – so etwas wie Lust am Kochen schüren sie nicht. Zumindest nicht bei mir. Ein rasiermesserscharf geschliffenes Messer, gute Musik und ein schönes Glas Wein, das man während der Zubereitung genießt – mehr brauche ich nicht in der Küche. Das funktioniert sogar, wenn der Handy-Akku leer ist.
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