Überleben in der Hölle
Auschwitz war das größte Konzentrations- und Vernichtungslager, die Opfer kamen aus allen Teilen Europas. Rund 90 Prozent waren Juden. Nur wenige der Inhaftierten haben überlebt. Wie war das überhaupt möglich?
"Ich komme nach Auschwitz im August 44, dann hab ich die Nummer bekommen und das war meine Versicherung. Wenn es war Appell, die Deutschen sind durchgegangen. Die haben die Nummer gesehen - ich konnte leben bleiben, weil ich ein Arbeiter war."
Asher Aud ist 16, als er nach Auschwitz-Birkenau kommt. Heute ist er 86. Die Nummer auf seinem Unterarm erinnert ihn tagtäglich daran, dass er nur überleben konnte, weil die Nazis ihn für arbeitsfähig hielten.
"Das Lager Birkenau war 1944 ein gigantisches Reservoir für billige Arbeitskräfte für die SS und für die Rüstungsindustrie ..."
... erzählt Museumsführer Jacek Lech, der mit einer Besuchergruppe über das Gelände der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau geht. Für welche Arbeit ein Häftling eingeteilt wurde, war der Willkür der SS überlassen. Und auch wo der Häftling arbeiten musste. Auf dem Lagergelände, beim Ausbau des Lagers oder in einem Industriebetrieb außerhalb des Lagers.
Wer sich als Arbeiter ausgab, hatte bessere Chancen
"Also die meisten Menschen, die nach Auschwitz gebracht wurden und die als arbeitsfähig eingestuft wurden und die ins Lager eingewiesen wurden, die warten hier auf die Entscheidung der SS bezüglich ihres Schicksals. Also die Frage war, wo die Häftlinge eigentlich arbeiten sollten."
"Als wir ankamen, hat mich der Mengele gefragt, der SS-Arzt: Was bist du von Beruf? Und ich hab mir gedacht, wenn du jetzt sagst: Musiker, die können sie überhaupt nicht gebrauchen. Aber vielleicht brauchen sie hier Klempner. Und ich hab gesagt: Klempner und Rohrleger, Herr Obersturmführer. Sagt der: Kannst du arbeiten? Ich sage: Und wie!"
Weil der 20-jährige Coco Schumann - noch heute ein gefeierter Jazzgitarrist - bei der Selektion auf der Rampe verschweigt, dass er Musiker ist, wird er von Josef Mengele, auf die Seite der Arbeitsfähigen geschickt. Wie die Prozedur danach weiterging, weiß Museumsführer Jacek Lech von Zeitzeugen wie Asher Aud:
"Wie Sie sehen, wir sind jetzt in der sogenannten Zentralsauna. Ab '44 war hier eine zentrale Aufnahmestelle für alle neu eingelieferten Menschen. Hier wurden sie registriert und dann erfolgte hier die Aufnahmeprozedur."
"Man muss sich ausziehen, man hat uns die Kleider genommen und man hat die Haare abgeschnitten, wo Haare sind. Man hat uns Desinfektionspuder aufgeschüttet, wir mussten schnell laufen zu einem Berg von Kleidern, eine Bluse nehmen, eine Hose nehmen, zwei Schuh. Und dann hat man uns ins Lager hineingenommen."
"Hier bekamen sie auch Häftlingsnummern eintätowiert und dann als Häftlinge haben die Neuzugänge das Gebäude verlassen und dann auf verschiedene Abteilungen des Lagers verteilt."
Häftlinge mussten Schwerstarbeit für die Industrie verrichten
Die meisten Häftlinge müssen Schwerstarbeit verrichten. In Industriebetrieben außerhalb des Lagers, wie den Buna-Werken der IG-Farben, in der Landwirtschaft oder im Lager selbst. So wie Tadeusz Smreczynski und Asher Aud:
"Oftmals hab ich Glück gehabt, dass man mich genommen hat zu Arbeiten mit dem Wagen. Das war ein Transportwagen in Birkenau, mit dem Wagen haben wir Essen geführt, Tote geführt, Mist geführt, und Entschuldigung, auch Scheiße geführt."
"In Auschwitz habe ich innerhalb des Lagers gearbeitet, was sehr wichtig war – Ich ging nie mit dem Arbeitskommando raus. Ich habe zusammen mit einem anderen Häftling Pflastersteine gelegt auf dem Platz vor der Küche. Außerdem haben wir zu viert so drei bis vier Bunker gebaut, die noch da stehen beim Tor 'Arbeit macht frei', sie sind aus Beton und waren für die SS-Leute gedacht. Das war eine schwere Arbeit, aber wir hatten keine Kapos als Aufseher und das war sehr wichtig und positiv für uns."
Kapos sind auch Häftlinge, meist Kriminelle. Sie sind wegen ihrer Brutalität genauso gefürchtet wie die SS. Auch Coco Schumann hat Glück. Er muss nicht als Klempner arbeiten. Ein Mithäftling, der ihn aus Berlin kennt, sorgt dafür, dass er im Lagerorchester spielen kann.
"Wenn die SS tätowiert hat, dann haben die uns kommen lassen und haben uns spielen lassen dabei und dann mussten wir morgens am Lagertor, wenn die marschiert sind, in den Fabriken mussten wir spielen. Also zu allen möglichen Gelegenheiten wurden wir herangezogen, um Musik zu machen."
Coco Schumann macht Musik und spielt um sein Leben. Nie hat der heute 90-Jährige dabei vergessen können, wo er sich befand:
"Wir haben ja in der Hölle gelebt und haben in der Hölle Musik gemacht."