Erhalten oder verfallen lassen?
Der Verein "Baulust" ist gegen eine Sanierung der Nazi-Bauten. Denn um die Gebäude zu erhalten, so der Verein, sei eine Rekonstruktion nötig. Und ob es richtig ist, Hitlers Gebäude wieder aufzubauen, sei fraglich. Die Stadt kontert: Es gehe nur um Instandsetzung.
Sie sollten Bauten für die Ewigkeit sein und die Massen mit Pomp beeindrucken. Für die Nationalsozialisten war das Reichsparteitagsgelände eine architektonische Visitenkarte im klassizistischen Stil. Aus heutiger Sicht erscheint es eher eine hastig errichtete brutale Kulisse der Gewalt, an der unaufhörlich der Zahn der Zeit nagt. Vor allem die nach dem Vorbild des Pergamon-Altars entworfene Zeppelin-Tribüne, von der aus Adolf Hitler Braunhemden auf seine Ideologie einschwor, ist in die Jahre gekommen. Schilder warnen vor Steinschlag. Absperrzäune verhindern das Betreten von Teilen der mit Muschelkalkplatten verkleideten Tribüne, die allmählich verfällt.
"Bereits vor fünf, sechs Jahren haben die Mitarbeiter des städtischen Hochbauamtes festgestellt, dass die Bausubstanz der Gebäude am Zeppelinfeld so marode ist inzwischen, dass – wenn man nichts unternimmt – man sicher sein kann, dass die Gebäude irgendwann zerfallen werden",
sagt der Pressesprecher der Stadt, Siegfried Zelnhefer, und verweist auf eindeutige Beschlüsse, das Areal zu erhalten.
"Die Stadt Nürnberg hat im Jahr 2004 ‚Grundlinien’ festgeschrieben - der Stadtrat -, wie man grundsätzlich mit den Gebäuden umgehen will. Und der Stadtrat ist sich einig, die Gebäude der Nachwelt zu erhalten, um sie auch als Beispiele für diese monströse NS-Architektur jüngeren Generationen zu überantworten, die sich damit auch auseinandersetzen sollen."
"Wie viel ist uns die Erinnerung wert?"
Doch der Erhalt der NS-Hinterlassenschaften kostet Geld. Viel Geld. Mittlerweile hat die Kommune für drei Millionen Euro eine Studie bei Experten in Auftrag gegeben, um die Kosten einer eventuellen Generalinstandsetzung verlässlich zu ermitteln und Mustersanierungen vorzunehmen. Schon jetzt ist die Rede von 75 Millionen Euro, die benötigt werden, um die durch Wind und Wetter zum Teil bis zu 80 Prozent beschädigte Bausubstanz zu sanieren.
"Zweifelsohne sprechen wir über nicht wenig Geld, was so eine Instandsetzung vermutlich kosten wird. Man muss aber davon ausgehen, dass die Instandsetzung selbst über mindestens zehn, vielleicht sogar 12 Jahre dauern wird. Weil: Man kann nur in den Sommermonaten arbeiten. Man muss Rücksicht nehmen auf alle möglichen Veranstaltungen auch im Umfeld. Das heißt, die Instandsetzungszeit wird über einen längeren Zeitraum gehen, so dass sich die Kosten pro Jahr natürlich wieder relativieren. Grundsätzlich muss man sich die Frage stellen, wie viel uns die Erinnerung wert ist."
Natürlich kann Nürnberg die Kosten unmöglich alleine stemmen, meint Eckart Dietzfelbinger vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Für diese nationale Aufgabe benötige die Stadt entsprechende Mittel vom Bund und vom Freistaat Bayern. Der Wissenschaftler verweist auf Zusagen des bayerischen Ministerpräsidenten sowie entsprechende Klauseln im Vertrag für die Große Koalition.
"Die Umbaumaßnahmen der früheren NS-Kaserne, wo heute das Bundesamt für Migration drin sitzt, haben 130 Millionen D-Mark gekostet. Das hat der Bund dann übernommen. Das sind Größenordnungen, die sind uns vertraut. Das kann’s gar nicht sein, weil die Stadt in den letzten 30 Jahren und zwar sehr sorgfältig und bewusst eine Linie gefahren hat im Umgang mit dem Gelände, die da so lautet, ungefähr: Bewahren und Aufklären - nicht mehr, aber auch nicht weniger."
"Die Gebäude von Hitler neu aufbauen?"
Doch jetzt regt sich Widerstand gegen eine Sanierung der Nazi-Bauten um jeden Preis. Josef Reindl, Gründungsmitglied des umtriebigen Vereins "Baulust", einem Zusammenschluss engagierter Nürnberger Architekten und Bürger:
"Der Zustand der Zeppelintribüne ist so schlecht, dass man befürchten muss, dass das eine Rekonstruktion wird und keine Sanierung. Und dann muss man sich schon die Frage stellen dürfen, ob das richtig ist, dass wir quasi die Gebäude von Hitler neu aufbauen. Wir könnten uns auch vorstellen, dass man nur Teile erhält, zum Beispiel den Goldenen Saal, und den Rest verfallen lässt. Die Nutzung der Zeppelintribüne ist in den letzten Jahren ohnehin eingeschränkt gewesen. Also ich glaube, man kann auch ohne die Zeppelintribüne leben."
Von einer "Rekonstruktion" aber sei nie die Rede gewesen, verteidigt der Leiter des Nürnberger Presseamtes, Siegfried Zelnhefer, die Position der Stadt.
"Es geht nur um eine Instandsetzung, also den Erhalt des Status quo, den Erhalt des Bauwerks, der Bauten, in ihrem heutigen Zustand. Es geht nicht um eine Rekonstruktion. Es geht nicht darum, irgendetwas aufzuhübschen."
Bis zum Sommer 2014 wird die Expertenkommission ihren Bericht zum baulichen Zustand des Reichsparteitagsgeländes vorlegen. Dann wird man genau wissen, wie viel Geld die öffentliche Hand aufwenden muss, um die marode Speer-Architektur wieder instand zu setzen oder vielleicht auch – Teile von ihr abzureißen.