Reihe: Ungewöhnliche Kulturberufe
Sonntag, 3.1., ab 23:05 Uhr
Der Theaterarzt
Montag, 4.1., ab 23:05 Uhr
Der Rote-Teppich-Kurator
Dienstag, 5.1., ab 23:05 Uhr
Der Fake-Internet-Designer
Mittwoch, 6.1., ab 23:05 Uhr
Der Kunsttransporteur
Donnerstag, 7.1., ab 23:05 Uhr
Der Kunstfelsenbauer
Freitag, 8.1., ab 23:05 Uhr
Die Harfenmanagerin
Der Kunsttransporteur
Künstler, Sammler, Museen und Galerien - sie alle verschicken Kunstwerke. Um diese Transporte kümmert sich eine hochprofessionelle und äußerst diskrete Branche: die Kunstspedition. Deren Fracht ist nicht nur empfindlich, sondern oft auch sehr, sehr wertvoll.
"Kann man das mit zwei Mann tragen? Ja, das ist easy. Muss man 'nen Gurt? Der Ist nicht schwer vom Gewicht her, ich denke mal, so 50, 60 Kilo maximal, das ganze Gestell da .. und das sollten zwee Mann eigentlich locker."
Arbeitsbesprechung bei der Kunstspedition Hasenkamp in einem Industriegebiet in Berlin-Schöneweide, Ralf Riege erfragt von einem Mitarbeiter Informationen über einen Kronenleuchter, der demnächst aus einem Auktionshaus abtransportiert werden soll. Eine vergleichsweise einfache Aufgabe
"Und die einzelnen Kristalle? – Das haben die alles fixiert, das sieht wirklich ganz gut aus – also richtig schön eingepackt – das ist alles fest, da klappert nichts, das ist alles so weit okay, uns obliegt eigentlich nur noch die Ladungssicherung und der Transport."
Allein in Berlin gibt es über ein Dutzend Firmen, die Kunst transportieren, Hasenkamp ist der Marktführer, das Bayern München der Kunstspeditionen. Gut und nicht billig. Auch wenn das durch Zahlen nicht so leicht zu belegen ist, denn über Zahlen wird in der diskreten Branche wenig gesprochen. Aus Gründen der Sicherheit.
Die Fracht ist so wertvoll, dass sie möglichst unauffällig von A nach B bewegt wird. Auf den Lastern steht nicht mehr als der Schriftzug der Firma. Und die Disposition des Berliner Fuhrparks arbeitet mit einem kodierten System
"Die Zuordnung zwischen der Kunst und dem LKW, die findet nicht statt, das weiß zwar jemand, aber ... - ich kann das nicht sehen, und auch ein Fremder kann nicht sehen, was jetzt auf diesem Wagen drauf ist."
Kunsttransport als eine Art Geheimdienstleistung. James-Bond-Gefühle wecken auch die Hilfsmittel, die Ralf Riege beim Gang durch die Hasenkamp-Hallen erläutert, alles Eigenanfertigungen:
"Das ist Glasabklebeband. Das klebt man auf Glasflächen, das schützt nicht, das ist dazu da, falls doch irgendetwas passiert, was nicht sein darf, aber wenn's denn doch passiert, dass die Glasscherben nicht ins Werk gehen, die halten das zusammen, auf Verbund sozusagen."
Dabei ist natürlich klar:
"Es darf nix kaputt gehen. Da sind ja unwiederbringliche Werte, ein Matisse kann man nicht noch mal wieder malen."
Fraunhofer-Institut prüft Verpackungsmaterial
Und deshalb arbeiten die Kunsttransporteure ständig an der Verfeinerung ihrer Mittel, lassen Verpackungsmaterial vom Fraunhofer-Institut prüfen, damit sich der Kunststoff nicht aufs Kunstwerk auswirkt. Und bauen in der firmeneigenen Tischlerei für jedes Kunstwerk die passende Kiste. Wenn erforderlich auch eine Klimakiste:
"Die Klimakiste fängt das Klima des Museums ein, deshalb wird sie mindestens 24 Stunden vorher angeliefert. Idealerweise auch an den Ort gestellt, an dem sich auch das Objekt befindet, Die Kiste wird aufgeschraubt, steht offen da bis zum Verpacken 24 Stunden später, wird dann zugeschraubt und dann beginnt der Transport – und damit hat man für die ersten Stunden das gleiche Klima wie der Raum, in dem das Bild sich befunden hat."
Es geht freilich noch ausgefuchster, weil,
"... dieses Geschäft ist hochemotional."
Das Höchste dieser Gefühle bedeutet dann etwa, dass die Vitrinen, in denen der britische Künstler Damien Hirst Schafe oder Haie in Formaldehyd konserviert, "berührungsfrei" bewegt werden müssen.
"Das ist topp. Der Mann ist ein Pedant, das muss absolut perfekt sein ... Dann wird diese ganze Vitrine in der Kiste in einem Stahlgestell reingehängt, dass sie nur an der Rückwand befestigt dass es keine Berührung an diesem nachher für den Besucher sichtbaren Metallteilen gibt."
Andreas Gursky hat ein eigenes Kistenformat
Pedant ist hier als Lob gemeint. Kunsttransport erscheint in Rieges Erzählungen als Berufsfeld für Perfektionisten. Der Service der Spediteure spiegelt sich in der Akkuratesse wider, mit der globale Künstlerstars heute arbeiten. Der Fotograf Andreas Gursky hat bei Hasenkamp ein eigenes Kistenformat, und die Zusammenarbeit mit Gurskys Studio begeistert Ralf Riege spürbar:
"Es ist alles ganz genau, es ist so genau, wie wir es sind. Da stimmt immer alles, die sind durchstrukturiert."
Diese Strukturiertheit ist nicht nur Selbstzweck, sondern kalkuliert mit dem Erfolg. So mögen heute zwar Großformate angesagt sein, gewisse Obergrenzen gilt es aber zu beachten, wenn das Kunstwerk im Zeitalter seine Transportierbarkeit noch den Weg aus dem Atelier des Künstlers finden soll. Deutsche Autobahnbrücken sind in der Regel vier Meter hoch, für den internationalen Verkehr sollte man bedenken:
"Fliegen mit einer Höhe von drei Meter, wenn Sie nicht 'ne Antonow chartern, aber das kommt nun wirklich sehr selten vor."
Wobei in dem hochspezialisierten Gewerbe von Ralf Riege die Herausforderung gerade in den besonderen Lösungen besteht.
"Es gibt ein großes Fußmann-Gemälde, der Künstler hat das Bild in Niedersachsen gemalt, hat die Leinwand gekauft, ist damit auf den Dachboden seines Hauses gegangen und hat's gemalt und dann stellte sich leider heraus, dass man das nicht mehr rausbekommt und dann haben wir das Dach abgehoben."