Philatelist und Journalist Reinhard Küchler
Reinhard Küchler begann als Kind mit dem Briefmarkensammeln. Sein Hauptinteresse gilt Marken aus Portugal und den ehemaligen portugiesischen Kolonien. © Reinhard Küchler
Briefmarken als Tor zur Welt
34:06 Minuten
Einst galten sie als „die Aktie des kleinen Mannes“, heute verschwinden sie mehr und mehr aus dem Alltag: Briefmarken. Für den Sammler Reinhard Küchler sind sie ein wichtiges Kulturgut und Tor zur Welt.
Für die meisten ist Audrey Hepburn eine weltberühmte Schauspielerin. Für Reinhard Küchler ist sie ein begehrtes Sammelobjekt. Zumindest die nach ihr benannte Briefmarke, die sie in der berühmten Pose aus dem Film „Frühstück bei Tiffanys“ zeigt, mit Zigarettenspitze in der Hand. Begehrt, weil die Marke nach ihrem Erscheinen vom Markt genommen werden musste:
„Weil die Söhne der Schauspielerin sich dagegen gewandt haben, dass ihre Mutter mit einer Zigarette abgebildet wird“, erklärt Reinhard Küchler. „Interessanterweise tauchten dann einige von diesen Briefmarken später im normalen Postverkehr auf. Die werden heute für ganz viel Geld gehandelt und gehören zu den ganz großen Raritäten der deutschen Philatelie.“
Philatelie: eine besondere Leidenschaft
Reinhard Küchler ist nicht nur Sammler, er ist Philatelist – für ihn ein großer Unterschied:
„Briefmarkensammeln bedeutet: Ich sammle Briefmarken, in welcher Haltungsform auch immer, und stecke die ins Album, in einer bestimmten Reihenfolge. Bei Philatelie beschäftige ich mich dann mit den Hintergründen, mit den Geschichten: Welche Auflage hat die Briefmarke beispielsweise? Wer hat sie entworfen? Wo ist sie gedruckt worden? Für welche Portostufen war sie zu verwenden, zu welchem Zeitraum? Oder aber auch: Auf welchen Briefen sind sie noch zu finden?“
Briefmarken als „Tor zur Welt“
Bei Reinhard Küchler, Jahrgang 1960, ist das Briefmarkensammeln Familienhobby. Schon der Vater und der Onkel hatten Sammlungen. „Mein Vater hat sich sehr intensiv mit Natur beschäftigt. Ich erinnere mich noch gut, wir waren im Frankfurter Zoo, und da hat er gesagt: 'Guck mal da drüben, der Elefant, den habe ich auf einer Briefmarke.'"
So habe ein „Bildungsprogramm“ stattgefunden, erzählt Reinhard Küchler. Er fing an, Briefmarken aus dem Posteingang der Großmutter auszuschneiden und in einem Album zu sammeln und fand in der Schule Tauschpartner.
Briefmarken sind für ihn auch ein „Tor zur Welt“. Sein Hauptinteresse gilt seit Studienzeiten den Marken aus Portugal und den ehemaligen portugiesischen Kolonien wie Angola, den Kap Verden oder Macao.
Dafür habe er jedes Postamt in Lissabon „gestürmt“: „Ich habe mir dann jedes Postamt angeguckt und die Briefmarkenhändler besucht, um zu schauen, was die dort haben. Und dann war für mich natürlich auch wichtig, sich mit Land und Leuten wirklich zu beschäftigen.“ Auch mit der Kolonialgeschichte, die in Portugal bis in die 1970er-Jahre reichte.
Mit der Briefmarke zur Demokratisierung
Reinhard Küchler, der lange Jahre Zeitungsredakteur war, machte 2017 sein Hobby zum Beruf und wurde Geschäftsführer des Bundes Deutscher Philatelisten. Seither berät er nicht nur andere Sammler; er vermittelt auch die Geschichte der Briefmarke, die für ihn einen Meilenstein der Demokratisierung darstellt: Erstmals sollten sich nicht nur Privilegierte leisten können, einen Brief befördern zu lassen.
Zeugnisse dieser Pionierzeit erzielen heute Rekordpreise: So wurden im Dezember 2021 bei Sotheby‘s in London mehr als 4,5 Millionen Euro für ein Exemplar der ersten Briefmarke der Welt geboten, der „Penny Black“ aus England, Erscheinungsjahr 1840.
Und Reinhard Küchler wirbt für das Hobby Briefmarkensammeln, das – zu seinem Leidwesen – immer mehr in den Hintergrund tritt. So zählt der Philatelisten-Verband gerade noch etwa 25.000 Mitglieder, Durchschnittsalter: 78 Jahre. Die Zahl der Sammler in Deutschland schätzt Küchler auf 600.000 bis 800.000.
Aber er bleibt optimistisch: Auch, wenn in Zeiten von SMS, WhatsApp und Co immer weniger Briefe verschickt werden, das Briefmarkensammeln werde nicht aussterben: „Das wird immer weitergehen. Auch in 50 oder 100 Jahren wird nach meiner Einschätzung noch gesammelt, weil es einfach ein schönes Hobby ist.“
(sus)