Wie ein Schloss durch Enteignung gerettet wird
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Das für Thüringen kulturhistorisch bedeutsame Schloss Reinhardsbrunn verfiel immer mehr, so dass der Freistaat eine Enteignung in die Wege leitete. Diese wurde nun vom Landgericht bestätigt – ein Präzedenzfall im deutschen Denkmalschutz.
Das Schloss Reinhardsbrunn im thüringischen Landkreis Gotha war im Juli 2018 mit Beschluss des Landesverwaltungsamtes enteignet worden, um es vor dem Verfall zu retten. Nun hat das Landgericht Meiningen die Zulässigkeit dieser Enteignung bestätigt. Ein abschließendes Urteil von der Baulandkammer des Gerichts wird für den 11. Dezember erwartet. Darin wird es um die Frage gehen, ob die Grundschuld in Höhe von 9,2 Millionen Euro mit der Enteignung verfällt oder nicht.
Das Kulturdenkmal im neugotischen Stil wurde 1827 auf den Ruinen eines alten Benedektiner-Klosters errichtet und um 1850 mit einem Landschaftspark verschönert.*)
Wiege des mittelalterlichen Thüringen
Das Enteignungsverfahren gilt als Präzedenzfall im Denkmalschutz in Deutschland. Feststeht, dass der Freistaat als Eigentümer das Schloss in jedem Fall sanieren muss. Und genau mit diesem Argument hat das Land schließlich auch die Enteignung begründet, wie unser Thüringenkorrespondent Henry Bernhard berichtet: Ein Kulturdenkmal müsse in seinem Bestand oder in seinem Erscheinungsbild erhalten bleiben, ansonsten sei bei größerem öffentlichen Interesse eine Enteignung möglich.
Dabei ist Schloss Reinhardsbrunn für Thüringen aus mehreren Gründen kulturhistorisch bedeutsam: "Reinhardsbrunn ist die Wiege des mittelalterlichen Thüringen. Die heilige Elisabeth oder Martin Luther waren hier. Es ist der bedeutendste Schlossbau der Neogotik in Thüringen. Es ist ein Neubau des 19. Jahrhunderts auf Fundamenten des elften und Resten des 17. Jahrhunderts", so Bernhard.
"Da geht es einfach um thüringische Identität. Es steht für den Mythos der ununterbrochenen Ahnenreihe der Thüringer Herrscher seit dem Mittelalter und es ist ein ganz besonderes Beispiel des Verfalls. Das ist schon ein einzigartiger Fall in Thüringen."
Gestohlene Glocken und zerschlagene Spiegel
Dem Eigentümer sei es aber letztlich bei dieser Immobilie nur darum gegangen, sie mit einer Grundschuld zu belegen und Geld daraus zu ziehen, berichtet Bernhard. Ansonsten sei man untätig geblieben. Vandalismus und Zerstörungswut hätten ihr Übriges getan:
"Die historischen Glocken wurden gestohlen. Das Dach ist kaputt gegangen, die Dachrinnen sind kaputt. Türen und Fenster wurden zerstört durch Vandalismus, Böden wurden rausgerissen, Spiegel zerschlagen. Es ist wirklich ein jämmerliches Bild. In der Kapelle ist der Schwamm drin. Malerei in der Kapelle ist unwiederbringlich verloren."
Das Land habe immer wieder Notsicherungen finanziert, um den Verfall aufzuhalten. Auch der einstmals europaweit gerühmte Park sei verwildert und werde seit ein paar Jahren von einem Förderverein notdürftig gepflegt.
Sanierungskosten bis zu 20 Millionen Euro
Sollte in vier Wochen entschieden werden, dass mit der Enteignung auch die Grundschuld verfällt, würden sich die Kosten für die Sanierung auf zehn bis zwanzig Millionen Euro belaufen, je nach Schätzung, berichtet Bernhard. Danach solle es als Hotel, Tagungsort oder ähnliches betrieben werden.
Im Haushalt bereitgestellt seien schon jetzt zwei Millionen Euro für die nötigsten Sanierungsmaßnahmen. Obwohl es sicher noch einige verfallene oder verfallende Schlösser und Herrensitze in Thüringen gebe, werde es zunächst bei diesem Fall bleiben, ist sich Bernhard sicher.
Hier habe man juristisches Neuland betreten, zum ersten Mal sei ein Kulturgut nach der Maßgabe des Grundgesetzes "Eigentum verpflichtet" enteignet worden. Doch "die Enteignung wird nicht der normale Fall des Besitzerwechsels bei Schlössern werden." Angestoßen hatte den ganzen Prozess übrigens eine CDU-geführte Landesregierung.
*) An dieser Stelle haben wir eine unrichtige Angabe über die Besitzverhältnisse am Schloss Reinhardsbrunn entfernt.