Reinhold Robbe: "Gammeldienst" beenden
Im Zusammenhang mit der geplanten Verkürzung der Wehrpflicht hat sich der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), für ein neues "Konstrukt" für den Grundwehrdienst ausgesprochen. Es müsse gründlich überlegt werden, wie künftig die sechs Monate Wehrdienst gestaltet werden sollten.
Jan-Christoph Kitzler: Der Deutsche Bundestag hat in dieser Woche, die eine sogenannte Sitzungswoche ist, ein ziemlich strammes Programm vor sich. Ein wichtiger Tagungsordnungspunkt ist dabei der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Das Mandat, auf dessen Basis zurzeit über 4.000 deutsche Soldaten am Hindukusch ihren Dienst tun, läuft am 13. Dezember aus und muss also verlängert werden. In der Debatte, die morgen beginnt, wird es auch noch einmal um die Bedingungen gehen, mit denen es die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan zu tun haben. Und darüber spreche ich nun mit Reinhold Robbe, dem Wehrbeauftragten des Bundestages. Guten Morgen!
Reinhold Robbe: Ja, guten Morgen, Herr Kitzler. Ich grüße Sie!
Kitzler: Wenn das Gespräch auf den Afghanistan-Einsatz kommt, dann ist man ja ziemlich schnell beim Thema Strategie und der Frage, wie bekommt man die Lage dort in den Griff. Haben Sie den Eindruck, dass die deutschen Soldaten vor Ort wissen, wie es weitergehen soll am Hindukusch?
Robbe: Nun, es ist nicht die Aufgabe der Soldatinnen und Soldaten, die sich im Augenblick dort im Einsatz befinden, Strategien zu entwickeln und zu überlegen, wie die großen Fragen, die sich in Afghanistan auftun, beantwortet werden können. Das muss von der Politik geklärt werden. Dafür sind Bundesregierung, auch der Deutsche Bundestag natürlich in der Verantwortung, insbesondere die internationale Staatengemeinschaft. Ich erhoffe mir von der großen Konferenz, die für das Frühjahr geplant ist, dass es hier erstens eine viel engere Kohärenz geben wird, in Zukunft eine engere Abstimmung in der Zusammenarbeit beim Aufbau des Landes, aber natürlich auch mit Blick auf die militärische Zusammenarbeit. Da kann vieles verbessert werden. Wir kennen die Äußerungen des amerikanischen Präsidenten, der führenden Vertreter der europäischen Staaten. Also da wird vieles zusammenkommen auf dieser Konferenz und es ist wichtig, dass dann die Grundlage geschaffen wird für eine Strategie, die nachvollziehbar ist, auch für unsere Soldatinnen und Soldaten, und die dazu führen wird, dass unsere Soldaten eines Tages dieses Land dann auch wieder verlassen können.
Kitzler: US-Präsident Obama hat ja jetzt angekündigt, Anfang der nächsten Woche Grundzüge der neuen US-Strategie zu verkünden. Haben Sie den Eindruck, dass dieses lange Warten auf die Strategie dem deutschen Einsatz, den deutschen Soldaten vor Ort gut getan hat?
Robbe: Das ist eine Frage, die ich in erster Linie verstehe unter menschlichen Gesichtspunkten. Wissen Sie, unsere Soldaten sind im Augenblick dort insbesondere im Großraum Kunduz jeden Tag verwickelt in stundenlangen Gefechten. Die Soldaten sind gezeichnet von Verwundung, auch davon, dass getötet wird auf beiden Seiten. Wir hatten ja in der Vergangenheit diverse Kameraden zu beklagen, die gefallen sind. Aber machen wir uns da nichts vor: Auch bei den Aufständischen gibt es Tote, es wird auch getötet. All das führt zu enormen Belastungen der Soldatinnen und Soldaten. Da geht keiner so schnell drüber weg und zum Teil gibt es auch dann so etwas, was wir als medizinische Folgen dieser Einsätze bezeichnen. Das heißt, es gibt posttraumatische Belastungsstörungen und und und, also eine ganze Palette. Und wenn man das alles zusammennimmt, dann kann man sich in etwa vor Augen führen, was auch in den Köpfen der Soldatinnen und Soldaten vorgeht, die im Augenblick deutsche Interessen am Hindukusch vertreten.
Kitzler: Immerhin, der neue Verteidigungsminister zu Guttenberg nennt die Dinge jetzt mehr beim Namen. Er spricht von kriegsähnlichen Zuständen und fordert notwendige Reformen. Das kommt bei der Truppe doch sicher besser an als das, was sein Vorgänger da im Amt sozusagen gesagt hat.
Robbe: Ich will nicht alles kommentieren, was amtierende Politiker zum Besten geben, aber ich mache überhaupt keinen Hehl daraus, dass das, was Minister zu Guttenberg gerade mit Blick auf das klare Benennen von Fakten von sich gegeben hat in den letzten Tagen und Wochen, bei den Soldatinnen und Soldaten – das können Sie sich vorstellen – natürlich gut angekommen ist. Wer jeden Tag erlebt, was in den Einsätzen vor sich geht, dass wie gesagt diese stundenlangen Gefechte jeden Tag zu verzeichnen sind, der empfindet das natürlich als Krieg und der empfindet es auch als gut, wenn der oberste Dienstherr das so klar und deutlich beim Namen benennt, wie der neue Minister das getan hat.
Kitzler: Kommen wir noch mal auf ein Reformvorhaben der neuen Bundesregierung zu sprechen, nämlich die Wehrpflicht auf sechs Monate zu verkürzen. Besteht da in der Folge nicht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Armee mit Wehrpflichtigen sozusagen im Schnupperkurs auf der einen Seite und den hochspezialisierten Soldaten, die wir zum Beispiel in Afghanistan brauchen?
Robbe: Wenn es falsch gemacht wird, besteht die Gefahr und deswegen erhoffe ich mir ja von der jetzt notwendigen Debatte, die ja erst beginnt, dass am Ende dieser Debatte ein Konstrukt steht, eine neue Wehrdienststruktur steht, die nachvollziehbar ist für die jungen Menschen, die sinnstiftend ist mit Blick auf eine möglichst umfassende Ausbildung und die dann auch geeignet ist, die Wehrpflicht langfristig zu erhalten, denn man muss sich immer wieder vor Augen führen: begründet wird die Wehrpflicht mit der Landesverteidigung. Und dieses Gebot, was direkt aus der Verfassung abzuleiten ist, muss man immer im Hinterkopf haben, wenn man über dieses Thema redet. Also: Ich plädiere sehr dafür, jetzt ganz gründlich zu überlegen, wie man diese sechs Monate gestaltet, und ich sage auch, nicht zuletzt aufgrund meiner Erfahrungen, die ich auch mache, wenn ich die Truppe besuche, unangemeldet, wenn ich in die Ausbildungskompanien gehe, dort mit den jungen Menschen rede, aber auch mit den Ausbildern rede, ich stelle fest, dass die ersten drei Monate durchaus geprägt sind von einer sinnstiftenden und auch ausgefüllten Zeit, aber die restlichen sechs Monate, die sind oftmals geprägt von Gammeldienst. Und ich betone immer wieder, man kann nichts Schlimmeres tun, als jungen Menschen das Gefühl zu geben, dass sie überflüssig sind. Deswegen ist es notwendig, diesen Gammeldienst-Effekt in Zukunft abzustellen, und ich erhoffe mir von dieser Reform des Wehrdienstes, dass wie gesagt erstens eine langfristige Gewährleistung der Wehrpflicht gegeben ist, aber auch durch eine Veränderung der Inhalte und durch eine Reform der Struktur wirklich mit gutem Gewissen gesagt werden kann, dieser Wehrdienst ist sinnstiftend für die jungen Menschen.
Kitzler: Die Situation der Bundeswehr in Bezug auf die Wehrdienstverkürzung und den Einsatz in Afghanistan. Das war Reinhold Robbe, der Wehrbeauftragte des Bundestages. Vielen Dank und Ihnen einen schönen Tag.
Robbe: Gleichfalls! Alles Gute.
Reinhold Robbe: Ja, guten Morgen, Herr Kitzler. Ich grüße Sie!
Kitzler: Wenn das Gespräch auf den Afghanistan-Einsatz kommt, dann ist man ja ziemlich schnell beim Thema Strategie und der Frage, wie bekommt man die Lage dort in den Griff. Haben Sie den Eindruck, dass die deutschen Soldaten vor Ort wissen, wie es weitergehen soll am Hindukusch?
Robbe: Nun, es ist nicht die Aufgabe der Soldatinnen und Soldaten, die sich im Augenblick dort im Einsatz befinden, Strategien zu entwickeln und zu überlegen, wie die großen Fragen, die sich in Afghanistan auftun, beantwortet werden können. Das muss von der Politik geklärt werden. Dafür sind Bundesregierung, auch der Deutsche Bundestag natürlich in der Verantwortung, insbesondere die internationale Staatengemeinschaft. Ich erhoffe mir von der großen Konferenz, die für das Frühjahr geplant ist, dass es hier erstens eine viel engere Kohärenz geben wird, in Zukunft eine engere Abstimmung in der Zusammenarbeit beim Aufbau des Landes, aber natürlich auch mit Blick auf die militärische Zusammenarbeit. Da kann vieles verbessert werden. Wir kennen die Äußerungen des amerikanischen Präsidenten, der führenden Vertreter der europäischen Staaten. Also da wird vieles zusammenkommen auf dieser Konferenz und es ist wichtig, dass dann die Grundlage geschaffen wird für eine Strategie, die nachvollziehbar ist, auch für unsere Soldatinnen und Soldaten, und die dazu führen wird, dass unsere Soldaten eines Tages dieses Land dann auch wieder verlassen können.
Kitzler: US-Präsident Obama hat ja jetzt angekündigt, Anfang der nächsten Woche Grundzüge der neuen US-Strategie zu verkünden. Haben Sie den Eindruck, dass dieses lange Warten auf die Strategie dem deutschen Einsatz, den deutschen Soldaten vor Ort gut getan hat?
Robbe: Das ist eine Frage, die ich in erster Linie verstehe unter menschlichen Gesichtspunkten. Wissen Sie, unsere Soldaten sind im Augenblick dort insbesondere im Großraum Kunduz jeden Tag verwickelt in stundenlangen Gefechten. Die Soldaten sind gezeichnet von Verwundung, auch davon, dass getötet wird auf beiden Seiten. Wir hatten ja in der Vergangenheit diverse Kameraden zu beklagen, die gefallen sind. Aber machen wir uns da nichts vor: Auch bei den Aufständischen gibt es Tote, es wird auch getötet. All das führt zu enormen Belastungen der Soldatinnen und Soldaten. Da geht keiner so schnell drüber weg und zum Teil gibt es auch dann so etwas, was wir als medizinische Folgen dieser Einsätze bezeichnen. Das heißt, es gibt posttraumatische Belastungsstörungen und und und, also eine ganze Palette. Und wenn man das alles zusammennimmt, dann kann man sich in etwa vor Augen führen, was auch in den Köpfen der Soldatinnen und Soldaten vorgeht, die im Augenblick deutsche Interessen am Hindukusch vertreten.
Kitzler: Immerhin, der neue Verteidigungsminister zu Guttenberg nennt die Dinge jetzt mehr beim Namen. Er spricht von kriegsähnlichen Zuständen und fordert notwendige Reformen. Das kommt bei der Truppe doch sicher besser an als das, was sein Vorgänger da im Amt sozusagen gesagt hat.
Robbe: Ich will nicht alles kommentieren, was amtierende Politiker zum Besten geben, aber ich mache überhaupt keinen Hehl daraus, dass das, was Minister zu Guttenberg gerade mit Blick auf das klare Benennen von Fakten von sich gegeben hat in den letzten Tagen und Wochen, bei den Soldatinnen und Soldaten – das können Sie sich vorstellen – natürlich gut angekommen ist. Wer jeden Tag erlebt, was in den Einsätzen vor sich geht, dass wie gesagt diese stundenlangen Gefechte jeden Tag zu verzeichnen sind, der empfindet das natürlich als Krieg und der empfindet es auch als gut, wenn der oberste Dienstherr das so klar und deutlich beim Namen benennt, wie der neue Minister das getan hat.
Kitzler: Kommen wir noch mal auf ein Reformvorhaben der neuen Bundesregierung zu sprechen, nämlich die Wehrpflicht auf sechs Monate zu verkürzen. Besteht da in der Folge nicht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Armee mit Wehrpflichtigen sozusagen im Schnupperkurs auf der einen Seite und den hochspezialisierten Soldaten, die wir zum Beispiel in Afghanistan brauchen?
Robbe: Wenn es falsch gemacht wird, besteht die Gefahr und deswegen erhoffe ich mir ja von der jetzt notwendigen Debatte, die ja erst beginnt, dass am Ende dieser Debatte ein Konstrukt steht, eine neue Wehrdienststruktur steht, die nachvollziehbar ist für die jungen Menschen, die sinnstiftend ist mit Blick auf eine möglichst umfassende Ausbildung und die dann auch geeignet ist, die Wehrpflicht langfristig zu erhalten, denn man muss sich immer wieder vor Augen führen: begründet wird die Wehrpflicht mit der Landesverteidigung. Und dieses Gebot, was direkt aus der Verfassung abzuleiten ist, muss man immer im Hinterkopf haben, wenn man über dieses Thema redet. Also: Ich plädiere sehr dafür, jetzt ganz gründlich zu überlegen, wie man diese sechs Monate gestaltet, und ich sage auch, nicht zuletzt aufgrund meiner Erfahrungen, die ich auch mache, wenn ich die Truppe besuche, unangemeldet, wenn ich in die Ausbildungskompanien gehe, dort mit den jungen Menschen rede, aber auch mit den Ausbildern rede, ich stelle fest, dass die ersten drei Monate durchaus geprägt sind von einer sinnstiftenden und auch ausgefüllten Zeit, aber die restlichen sechs Monate, die sind oftmals geprägt von Gammeldienst. Und ich betone immer wieder, man kann nichts Schlimmeres tun, als jungen Menschen das Gefühl zu geben, dass sie überflüssig sind. Deswegen ist es notwendig, diesen Gammeldienst-Effekt in Zukunft abzustellen, und ich erhoffe mir von dieser Reform des Wehrdienstes, dass wie gesagt erstens eine langfristige Gewährleistung der Wehrpflicht gegeben ist, aber auch durch eine Veränderung der Inhalte und durch eine Reform der Struktur wirklich mit gutem Gewissen gesagt werden kann, dieser Wehrdienst ist sinnstiftend für die jungen Menschen.
Kitzler: Die Situation der Bundeswehr in Bezug auf die Wehrdienstverkürzung und den Einsatz in Afghanistan. Das war Reinhold Robbe, der Wehrbeauftragte des Bundestages. Vielen Dank und Ihnen einen schönen Tag.
Robbe: Gleichfalls! Alles Gute.