Reinigungskraft Susanne Holtkotte

„Ich sehe die Inflation in meinem Portemonnaie“

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Susanne Holtkotte, Reinigungskraft aus Bochum, nimmt an einem Bildtermin anlässlich der Verabschiedung der Grundrente teil. Sie hat blonde kurze Haare und trägt eine weiße Bluse. Hinter ihr stehen zwei Frauen.
Engagement für Geringverdienende: Susanne Holtkotte setzt sich für die Belange von Reinigungskräften ein. © picture alliance / dpa / Christoph Soeder
Von Felicitas Boeselager |
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Viel Geld bleibt Susanne Holtkotte nicht von ihrem Lohn zum Leben. Mit ihrem Job als Reinigungskraft in einem Krankenhaus verdient sie 1200 Euro netto im Monat. Deswegen setzt sie sich für eine bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen ein.
Susanne Holtkotte lächelt, wenn sie davon erzählt, wie sie sich mit ihren Kolleginnen beim Putzen durch das Hallenbad im Krankenhaus tanzt: „Wir haben ja manchmal schon mal einen Arbeitsplatz, wo man manchmal mal morgens das Handy mitlaufen lassen kann. Und auch Arbeitsplätze, wo man das Radio anschalten kann.“

Engagement für Reinigungskräfte

Die 51-Jährige arbeitet ausschließlich in Frühschichten. Wenn sie um drei Uhr morgens aufsteht, sind eine Ibuprofen und eine Magentablette ihr Frühstück.
„Aber der frühe Feierabend, der holt das wieder raus. Dann kann man sich gegebenenfalls noch mal hinlegen. Wobei das auch nicht immer so eine gute Idee ist. Wenn man dann über den Punkt ist, kann man abends nicht mehr schlafen. Das ist ein Teufelskreis.“
Holtkotte sitzt auf einem anthrazitfarbenen Sofa in ihrer Wohnung in Bochum. Draußen ist es grau, kalt und regnerisch. Aber sie hat es sich an ihrem freien Tag gemütlich gemacht. Im ganzen Raum stehen brennende Kerzen, es leuchten Lichterketten. Ihr schwarzer Kater Duke schläft auf der Sofalehne.
Holtkotte setzt sich schon lange für bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung für Reinigungskräfte ein. Die Frau mit den blonden, kurzen Haaren war in Talkshows, Radiosendungen, hat Arbeitsminister Hubertus Heil getroffen. Besser sei es bislang trotzdem nicht geworden, sagt sie und zuckt mit den Schultern.
„Es sind jetzt vielleicht 100 oder 150 Euro mehr im Laufe der Jahre geworden. Aber man darf nicht vergessen, zurzeit haben wir eine Inflation. Ich sehe das in meinem Portemonnaie. Es ist nicht nur der tägliche Einkauf, sondern es sind die Spritpreise an der Tankstelle und die Gaspreise. Wenn jetzt jeder im Laufe der Jahre 100 Euro mehr in seinem Portemonnaie hat, dann muss ich jedem die Illusion rauben, weil da hat keiner was von.“

Selbstgebasteltes in der Wohnung

Holtkotte verdient 1200 Euro netto im Monat. Für Miete, Strom und Gas zahlt sie rund 600 Euro. Damit ist noch keine Handyrechnung, keine Autoversicherung, kein Sprit bezahlt – geschweige denn etwas, das den Alltag versüßt.
Vor sieben Jahren hat sie das letzte Mal richtig Urlaub gemacht, sie war mit zwei Freundinnen in Italien. Aber wer Holtkotte trifft, lernt eine Frau voll Energie und Humor kennen, die sich zu helfen weiß.

"Von der Hand in den Mund - wenn Arbeit kaum zum Leben reicht": Das ist das Thema der Deutschlandradio-Denkfabrik 2022. Das ganze Jahr über beschäftigen wir uns in Reportagen, Berichten, Diskussionen und Interviews mit der Lage der Arbeitswelt in Deutschland. Die einzelnen Beiträge sind unter Denkfabrik Deutschlandradio nachzuhören und nachzulesen.

In ihrer Wohnung hat sie vieles selbst gebastelt. Die Wohnzimmerschränke zum Beispiel mit einer grauen Folie in Maueroptik bezogen oder zwei Weinkisten mit Kreidefarbe angemalt. Sie sollen ihre neuen Nachtkästchen werden.
„Es ist so, Hobbys kosten auch Geld. Man kann nicht hingehen und sagen, ‚oh, ich kauf jetzt mal eben für 100 Euro Farbe‘. Ich bin auch ein Trödelmarkt-Mensch. Das ist auch ein kleines Zubrot.“
Wenn sich Susanne Holtkottes Wohnzimmertisch abends in eine Bastelstation verwandelt, dann hilft ihr das auch, die Sorgen aus dem Krankenhaus zu vergessen. Denn fröhliche Musik macht nur einen kleinen Teil ihrer Arbeit aus.
„Wir haben auch die andere Seite, wo dir zum Weinen zumute ist, wo du denkst: Vielleicht sehe ich den morgen gar nicht mehr wieder. Vielleicht hängt hier morgen das Schild ‚Endreinigung‘. Dann weiß jeder sofort, was los ist. Die Momente haben wir auch, das sind die Momente, wo auch die Reinigungskraft einfach mit den Nerven am Ende ist, dir begegnet da der Tod tagtäglich, jetzt natürlich noch mehr.“

Arbeit ist unter Corona härter geworden

Das Schlimmste sei die Einsamkeit der Coronapatienten zu Beginn der Pandemie gewesen, erzählt sie. Und dass die Arbeit härter geworden ist.
„Man schwitzt sowieso schon bei der Arbeit, wir sind die ganze Zeit am Laufen und dann denkt man sich in so einem Raum: boa, die Heizung und alles. Dann hat man noch diese FFP2-Maske im Gesicht. Wo so gar nichts drunter weggeht, wo sich auch noch alles schön sammelt. Es gibt so Momente, da will man nur rausrennen und das Ding verflucht in die Ecke schmeißen. Es ist wirklich eine Höchstleistung.“
Deswegen wünscht sich Susanne Holtkotte einen Zuschlag für die Arbeit mit FFP2-Maske. Sie ist aber wenig optimistisch, dass sie gehört wird.
„Ich sag immer, wenn es uns nicht geben würde, dann hätte der Rest drum herum wirklich ein Problem. Dass da aber welche sind, die diesen Scheiß beseitigen müssen, das wird manchmal vergessen. Da sind wir an so einem Punkt, wo man einfach mal resigniert.“
Das sagt sie und gibt trotzdem nicht auf. Allen Rückschlägen zum Trotz will sie sich weiter für die Rechte der Reinigungskräfte einsetzen.

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