Es ärgert mich immer noch, Drehbücher geschickt zu bekommen, wo bei der Rolle, die mir angeboten wird, zu 90 Prozent in Klammern steht: pummelig, wuchtig, untersetzt.
Stefanie Reinsperger in "Der Theatermacher"
"Oh, mein Gott": Das war Stefanie Reinspergers erste Reaktion auf den Vorschlag, den "Theatermacher" zu spielen. © Berliner Ensemble / Matthias Horn
"Der steilste Gipfel, den ich zu erklimmen hatte"
10:26 Minuten
"Ganz schön wütend" heißt das Buch, das die österreichische Film- und Theaterschauspielerin Stefanie Reinsperger kürzlich veröffentlichte. Jetzt spielt sie am Berliner Ensemble in Thomas Bernhards "Theatermacher" – eine Herausforderung, erzählt sie.
Es ist inzwischen fast an der Tagesordnung, dass auf den deutschsprachigen Bühnen die großen Männerrollen auch von Frauen gespielt werden dürfen. Lina Beckmann etwa hat gerade erst triumphiert mit ihrer Darstellung von Richard III.
Eine Darstellerin, die schon mehrfach begeistert hat in Rollen, die ursprünglich für Männer geschrieben wurden, ist Stefanie Reinsperger. Seit 2020 ist sie zudem Kommissarin im WDR-Tatort und hat in diesem Jahr ein Buch veröffentlicht. „Ganz schön wütend“ heißt es. Jetzt spielt sie Thomas Bernhards legendären „Theatermacher“ unter der Regie von Oliver Reese am Berliner Ensemble.
"Ich mag Herausforderungen"
Im Mittelpunkt des Stücks steht der Staatsschauspieler Bruscon, der im Tanzsaal einer Gastwirtschaft seine Komödie „Das Rad der Geschichte“ aufführen will – und sich dann in langen Monologen über alles Mögliche beschwert. Es kommt außer ihm auch kaum jemand zu Wort in diesem Stück – eine Traumrolle also?
„Ehrlich gesagt war das ein Stück, das ich gar nicht auf dem Radar hatte. Und als Oliver Reese mir das mal erzählte, dass er das machen möchte und dass ich das spielen soll, da war meine erste Reaktion: Oh, mein Gott“, sagt Stefanie Reinsperger. „Dann habe ich es aber gelesen, und ich habe so gedacht: Na ja, ich mag ja Herausforderungen. Und ich bin ja aus Österreich – ich mag bergsteigen. Und das ist auf jeden Fall einer der steilsten Gipfel, die ich bis jetzt zu erklimmen hatte.“
Was nicht zuletzt daran liegt, dass dieser Theatermacher unentwegt frauenfeindliche Aussagen macht. „Ich muss eine Figur lieben, die ich spiele. Ich muss sie verteidigen. Das fällt mir bei dieser Rolle sehr, sehr schwer“, gibt Stefanie Reinsperger zu.
„Womit ich mich aber ein bisschen verbinden kann bei dieser Figur, ist diese ganz, ganz große Einsamkeit. Weil in diesem absurden Streben nach Perfektion, nach dieser ganz hohen Kunst – das ist etwas, wo ich mich ins Verhältnis setzen kann als Spielerin.“
Es war Zeit für eine Gegenrede
In diesem Jahr hat die Schauspielerin ihr Buch „Ganz schön wütend“ veröffentlicht, in dem es nicht zuletzt darum geht, wie sie als Mensch, aber auch als Schauspielerin über ihr Äußeres wahrgenommen, beurteilt, besetzt wird. An einer Stelle heißt es da:
Diese branchenübliche Diskriminierung hat Stefanie Reinsperger dazu veranlasst, in ihrem Buch zur wortgewaltigen Gegenrede anzusetzen – mit Erfolg. „Ich habe das so lange nur mit mir ausgemacht und nicht laut gemacht und nicht rumgetragen, und ich merke, je lauter ich werde und je klarer ich dazu Haltung beziehe, desto mehr Leute tun das auch.“
"Ich fordere, dass sich das ändert"
Während das Theater sehr viel flexibler mit Rollen- und Geschlechterbildern umgeht, ziehen Film und Fernsehen nur langsam nach. Für Stefanie Reinsperger ist das nicht länger akzeptabel: „Es muss sich etwas ändern. Ich möchte nicht mehr hören: Es kann sich ändern – super, dass wir darüber reden. Ich fordere, dass sich das ändert.“
Sehr viele positive Resonanz hat sie seit der Veröffentlichung zu verzeichnen, wird inzwischen als Vorbild wahrgenommen. „Der Satz, den ich ganz oft höre, ist: Ich fühle mich nicht mehr so allein“, sagt Stefanie Reinsperger. „Und das tut mir so gut, weil ich schon sagen muss: Es hat mich sehr viel Kraft und Ehrlichkeit gekostet, das aufzuschreiben.“