Persische Küche in Berlin

Zwei Iranerinnen werben für ihre Kultur

05:51 Minuten
Zwei Frauen mit Körben mit frischem Gemüse in den Armen.
Die Schwestern Forough und Sahar Sodoudi liebes es zu kochen. © privat
Von Katharina Kühn |
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Politik und Religion bestimmen die Schlagzeilen über den Iran. Zwei Schwestern aus Teheran möchten dem etwas entgegensetzen und haben in Berlin ein Labor für Kultur und Essen eröffnet. Dafür haben sie sogar ihre wissenschaftlichen Karrieren aufgegeben.
Eine große Küche in Berlin-Kreuzberg: Deckenhohe Schränke, handbemalte, vom Teheraner Golestanpalast inspirierte Fliesen, auslandende Kupfertabletts und -teller. Bauchige Gewürzdosen, Kisten voller Zitronen, Granatäpfel, Auberginen. Um einen u-förmigen Kochblock stehen die acht Lehrlinge für diesen Abend.
Heute wollen sie die Küche des Nahen Ostens besser kennenlernen: Pinienkerne rösten, Tomaten grillen, bis sie kohlschwarz werden, Korianderberge schnippeln und etwa Labneh, orientalischen Frischkäse, herstellen.
„Wir machen dann einen total leckeren Dip, Baba Ghanoush, aus Libanon, der ist sehr gut“, sagt Sahar. „Es ist mit Auberginen. Wir müssen Auberginen auf dem Feuer grillen, nicht im Backofen. Das ist sehr wichtig. Es muss wirklich so smokey sein. Das heißt dann, es muss nach Feuer riechen“, ergänzt Forough.

Von der Uni in die Küche  

Die Meisterinnen an diesem Abend sind die Schwestern Forough und Sahar Sodoudi, zwei kleine resolute Frauen, mit sorgfältigem Make-up und Garderobe, auffälligem Schmuck und noch auffälligerer Ausstrahlung – also natürlich Dr. Forough und Dr. Sahar Sodoudi.
Ursprünglich sind die zwei Frauen vor mehr als 20 Jahren wegen ihrer Promotionen in Meteorologie und Geophysik von Teheran nach Berlin gekommen. Sahar hatte dann an der Freien Universität eine Professur in Stadtklima und Nachhaltigkeit, Forough war Geschäftsführerin eines Graduiertenprogramms. Und dann? „Ja, das war bei unserer Familie, das war eine Revolution. Wir haben eine Revolution gemacht“, sagt Forough.

Mit Anfang 40 noch mal was Neues

Die Schwestern liebten es schon immer, gemeinsam zu kochen, Gäste zu bewirten und über die Zutaten und Rezepte zu sprechen. Die Idee, dies einmal beruflich auszuprobieren, war eigentlich schon lange da – nur als Idee, irgendwann einmal.
Bis ein Freund sie sehr charmant darauf hinwies, dass sie auch irgendwann aktiv werden müssten. Mit Anfang 40 war den Schwestern klar: jetzt oder nie. Also haben sie alles auf eine Karte gesetzt und ihre angesehenen Jobs gegen ihre Leidenschaft eingetauscht. „Natürlich haben dann alle am Anfang gedacht, irgendwas stimmt mit denen nicht, die kapieren nicht, was sie machen, aber selbstbewusst haben wir das gemacht. Von vornherein war es uns klar, dass wir erfolgreich werden. Wir wollten das machen und dann haben gedacht, egal was die anderen sagen, wir müssen glücklich werden in unserem Leben. Obwohl unsere Familie uns sehr, sehr unterstützt hat“, sagt Forough. Etwa ihre Ehemänner oder auch ihre Mutter, die anfangs mitgekocht hat.

Ausgebremst wegen der Pandemie

Eine blaue Leuchtschrift über der Eingangstür, „Dr & Dr“, strahlt in den Kreuzberger Abend und weist den Weg zu den Zwillingsschwestern. Sie wollen daran erinnern, dass sie ihre akademischen Posten freiwillig aufgegeben haben, um seit September 2020 Catering und private Essen anzubieten. So war der Plan.
Die Pandemie verlangsamte ihre Pläne ein wenig. Aber seit Oktober 2021 können sie auch Kochkurse durchführen und die Teilnehmer durch die vielen kleinen Rezeptschritte schleusen: hacken, schneiden, vermischen – abschmecken.
Die Politik, die mutigen Demonstrantinnen im Iran scheinen heute erst einmal keine Rolle zu spielen. Dabei ist es gerade das Bild des Westens vom Iran, die Vorurteile, dass die Region nur aus Konflikten besteht, die die beiden Schwestern motiviert hat, dieses Experiment zu starten. "Was man von Iran kennt, ist Politik und Religion", sagt Forough, "und das ist nicht alles. Es geht um sehr viel mehr. Und genau das ist unsere Aufgabe als zwei Wissenschaftlerinnen, die faszinierenden Feinheiten von persischer Kultur, was auch hinter Religion und Politik versteckt sind, dann auch in neuem Format zu präsentieren und zeigen, dass wir sehr viele Kulturelemente haben, die wir gerne präsentieren möchten und bislang in Deutschland leider nicht richtig präsentiert worden sind.“

Interkulturelles Verständnis geht durch den Magen

Bei „Dr & Dr“ wird nicht nur die Küche Irans, sondern aus der ganzen Region vorgestellt. Schließlich geht nicht nur die Liebe, sondern auch interkulturelles Verständnis durch den Magen. Die beiden Wissenschaftlerinnen wollen ihre Gäste auf einer emotionalen Ebene ansprechen, daher das Essen, das Kochen.
Aber sie veranstalten in ihrer Küche auch Lesungen, zeigen Design und Mode. Sahar und Forough interpretieren außerdem die Rezepte neu, vermischen traditionelle Gerichte und kreieren eigene Gewürzmischungen. Sie wollen ihre Gäste auf den Nahen Osten neugierig machen.
Als alles angerichtet ist, spielt die Politik eben doch eine Rolle, es geht nicht ohne: „Auf Englisch sagen wir: Women, Live, Freedom, auf Deutsch: Frauen, Leben, Freiheit. Auf euch!“, sagt Sahar. „Auf Euch!“, sagen die Teilnehmenden. In Zukunft hoffen die Schwestern, sogar Reisen in den Iran anbieten zu können. Wenn die Demonstrantinnen, so hoffen sie, erfolgreich waren.

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