Reischl: Google wird Monopolstellung vorerst halten

Gerald Reischl im Gespräch mit Dieter Kassel |
Gerald Reischl, Autor des Buches "Die Google-Falle", sieht die Monopolstellung von Google als Internetsuchmaschine durch die Zusammenarbeit von Yahoo und Microsoft bei der Suche nicht gefährdet. "Nur weil sich da zwei Schwache zusammenschließen, heißt das noch immer nicht, dass sie den Großen bekämpfen können", sagt er.
Dieter Kassel: Die Firma Google hat im Bereich der Internetsuche weltweit einen Marktanteil von ungefähr 89 Prozent, Yahoo, eigentlich ein Klassiker unter den Suchmaschinen, hat 5 bis 6 Prozent, der Riesenkonzern Microsoft mit seiner noch relativ neuen Suchmaschine Bing ist zwar aufgestiegen, aber selbst das bedeutet, man liegt bei 3 bis 4 Prozent. Das schmerzt Microsoft und Yahoo schon seit Langem, denn die Internetsuche und damit verbundene Techniken, das ist eine der wenigen, wenigen Möglichkeiten, wie man im Netz wirklich richtig Geld verdienen kann. Beide, Microsoft und Yahoo, verhandeln deshalb schon seit über anderthalb Jahren, letztes Jahr wollte sogar Microsoft Yahoo einfach aufkaufen. Das hat nicht geklappt, aber gestern nun kamen die Verhandlungen doch zu einem glücklichen Ende: Microsoft und Yahoo werden zusammenarbeiten im Bereich der Suche und ein bisschen auch im Bereich der Werbung, und zwar zehn Jahre lang unter konkreten Bedingungen, die zum Teil gestern bekanntgegeben wurden. Wir wollen über diesen Schritt nun reden mit Gerhard Reischl, er ist Ressortleiter Digital bei der österreichischen Zeitung "Kurier" und außerdem Autor des Buchs "Die Google-Falle". Schönen guten Tag, Herr Reischl!

Gerald Reischl: Grüß Gott!

Kassel: Entsteht da nun wirklich ein Konkurrenzangebot, das Google das Fürchten lehren kann?

Reischl: Na ja, nicht wirklich, zumindest in der Anfangsphase sicherlich nicht, nur weil sich da zwei Schwache zusammenschließen, heißt das noch immer nicht, dass sie den Großen bekämpfen können. Sie haben es in der Einleitung gesagt, also, 89 Prozent, 90 Prozent hat Google an dem Marktanteil, wenn ich Yahoo und Microsoft jetzt zusammenzähle, komme ich auf 8, 9 Prozent, da wird sich in punkto Suche wirklich nicht viel ändern, vielleicht, dass sie einen Prozentpunkt mehr schaffen in den nächsten Monaten und Jahren, aber da zurzeit sicherlich kein großes Konkurrenzangebot.

Kassel: Was die eigentliche Suchmaschine angeht, haben die nun zunächst mal beschlossen: Wer in Zukunft auf der Yahoo-Seite was sucht, benutzt eigentlich Bing, die Technik der Suchmaschine von Microsoft. Warum eigentlich? Denn Yahoo ist ja eigentlich etwas, wo man immer dachte, nach Google, wenn auch sehr weit dahinter, kommt irgendwann Yahoo und nicht Microsoft.

Reischl: Na ja, offensichtlich gibt es … Man kann ja nicht … Man weiß ja nicht, wie die Gespräche abgelaufen sind tatsächlich, dass beide Suchsparten in eine zusammengeführt werden, also jetzt am besten wahrscheinlich von beiden Seiten die besten Systeme auch zusammengeführt, und da wird sicherlich die Suche verbessert werden, wobei ich der Meinung bin: Auch die jetzigen Suchsysteme werden Google nicht den Rang ablaufen können. Der Bedarf ist wirklich eine neue Technologie, und diese neue Technologie, die wird semantisches Web heißen, semantische Suche heißen, wo halt nicht mehr nach Begriffen gesucht wird, sondern irgendwo Sätze beantwortet werden, wo die Suchmaschine Zusammenhänge erkennt und wirklich konkrete Anfragen eines Internetnutzers beantworten kann.

Kassel: Also, ganz konkret – nehmen wir den Fall Peter Zadek, der leider letzte Nacht gestorben ist –, man würde nicht nur, wie heute, in Anführungszeichen den Namen Peter und Zadek eingeben können, sondern die Frage, wo hat Peter Zadek zum ersten Mal inszeniert, und die Suchmaschine würde das verstehen?

Reischl: Ganz genau. Oder ich suche eine Wohnung in Berlin Mitte, 40 Quadratmeter, drei Zimmer, und es werden mir alle diese Wohnungen, die genau auf meine Frage passen, aufgelistet.

Kassel: Wer ist denn dieser Lösung nahe, Google, Yahoo, Microsoft oder niemand?

Reischl: Ich weiß es nicht, das ist … Es gibt auf jeden Fall bei Google einen Experten, der sich schon damit beschäftigt und auch einen eigenen Blog dazu eingerichtet hat, ich glaube aber, es gibt kleinere Firmen, die sich schon damit beschäftigen. Und es kann durchaus der Fall sein oder es wird der Fall sein, dass eine dieser kleinen Firmen von einem dieser Großen gekauft wird und dann wird man sehen, wer diesen Wettlauf gewinnt. Und dann beginnt das Suche-Rennen im Internet von Neuem.

Kassel: Nun geht es natürlich nicht nur um die Suche. Das ist ja keine reine Eitelkeit, dass Microsoft und Yahoo sich immer geärgert haben, dass die meisten Menschen bei Google suchen, sondern es geht tatsächlich um Einnahmen, es geht tatsächlich um Geld. Wie genau verdient man denn mit einer Suchmaschine Geld?

Reischl: Na ja, nehmen wir das Beispiel Google her. Wenn ich jetzt einen Begriff eintippe in der Google-Suchmaske, erscheinen ganz oben die ersten drei Treffer, das sind Google-Anzeigen, Wortanzeigen, leicht pastellfarbig hinterlegt, und rechts von der Trefferliste gibt es auch Anzeigen. Und wenn ich da draufklicke, das Internet nutze – viele erkennen ja gar nicht, dass das in Wahrheit eine Anzeige ist, obwohl es dort steht –, fließt sofort Geld in die Google-Kasse. Also, mit jedem Klick auf eine Anzeige verdient Google Geld und das können bis zu 50, 60, 70 Euro sein.

Kassel: Wobei natürlich der Konzern Google, wir wissen, viel, viel mehr macht als eine pure Suche, Google Maps, Google Earth kennt jeder, aber es gibt ja noch viel mehr, und man verdient da auch noch mit viel mehr Geld. Und nun wird es spannend – das macht, finde ich, die erste Pressemitteilung auch noch nicht ganz klar –, wie weit der Deal zwischen Google und Yahoo nun gehen wird im Bereich der Onlinewerbung. Wie haben Sie es denn verstanden, wie weit wird er gehen?

Reischl: Na, das ist ein großes Geheimnis, also, es wird zwar gesagt, also, in den ersten Meldungen heißt es, dass Yahoo die Verwaltung und den Vertrieb von Onlineanzeigen für den Premiumkunden übernimmt, und damit verwaltet … und Microsoft verwaltet wiederum [Auslassung wegen Unverständlichkeit, Anm. d. Red.] die restlichen Anzeigen. Aber was genau da hinten entwickelt wird, weiß ich nicht, ich weiß aber nur so viel: Ich habe vor einigen Wochen mit einem sehr hochrangigen Vertreter einer dieser Firmen gesprochen und die entwickeln ein Alternativsystem zu Google Advert, zum Google Advert, das ist genau dieses System, das ich vorher beschrieben habe, das Geldverdienen im Internet mittels googeln. Und das ist so: Wenn ich als Webseitenbetreiber Geld verdienen möchte im Internet, komme ich um Google Adverts nicht herum. Und jetzt geht es darum, dass jemand ein Alternativsystem entwickelt, wo auch andere Webseitenbetreiber auf andere Art und Weise Geld verdienen können, und das wird sehr, sehr, sehr, sehr spannend.

Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur gerade über die gestern vereinbarte Zusammenarbeit zwischen Microsoft und Yahoo, wir reden mit Gerhard Reischl, Ressortleiter Digital bei der österreichischen Zeitung "Kurier" und Leiter des Buches "Die Google-Falle". Nun ist es so, Herr Reischl, dass viele Leute, die im Internet wirklich unterwegs sind, um ihrerseits Geld zu verdienen, sich in den letzten Jahren stark darüber geärgert haben, dass Google halt quasi dieses Monopol bei der Werbung hatte, so wie Sie das gerade beschrieben haben. Und die haben sich schon gewünscht, dass sie Alternativen haben, weil das natürlich Auswirkung auch auf das Geschäftsgebaren hat. Können die sich jetzt freuen, dass ein Quasi-Monopol zu Ende geht, oder erwartet uns nicht relativ bald eine Art Doppel-Monopol?

Reischl: Na, ich glaube nicht. Also, ich persönlich bin überzeugt – ich hab mich doch ein bisschen jetzt intensiver beschäftigt mit Google und der Systematik dahinter –, dass das Google-Monopol irgendwann einmal fallen wird, früher oder später, ich glaube eher früher, und dass es Alternativsysteme geben wird, nicht nur von Microsoft und Yahoo oder Micryahoo oder wie auch immer wir diese Firma nennen, sondern auch von anderen Unternehmen, weil ich ganz einfach an diese Fairness im Web 2.0, wie dieses Mitmachen-Internet jetzt genannt wird, die muss großgeschrieben werden. Es kann nicht sein, dass bei Facebook die Leute Fotos raufstellen, Content, Texte hineinfüllen, sprich, diese Webseite lebendig halten, und Geld verdient der, der die Webseite entwickelt hat. Es muss im Prinzip fair aufgeteilt werden das Geld, und das wird eine große Herausforderung, das wird sicher spannend.

Kassel: Aber wahrscheinlich ist das, ich meine … Microsoft ist nun in den letzten Jahren und Jahrzehnten firmengeschichtlich durch diese Fairness ja nicht so aufgefallen. Die haben ja immer versucht, gerade mit ihrem Internetexplorer als Teil ihres Betriebssystems – da gab es ja Gerichtsverfahren –, alle anderen vom Markt zu fegen. Werden die nun dafür sorgen, dass es im Internet fair zugeht?

Reischl: Also ich glaube schon, die haben einfach gemerkt, also, ich bin jetzt kein Verteidiger und kein Anwalt von Microsoft, aber die haben einfach in den vergangenen Jahren die Ohrfeigen bekommen von den Internetnutzern und von den Computernutzern. Und Google punktet ja deshalb, weil sie gerade diese Dinge anbietet. Dass man dafür mit der Privatsphäre zahlt, das steht auf einem anderen Blatt. Aber die haben einfach mitbekommen, was der Nutzer wirklich will und die werden sich da wirklich, da gibt es eine Trendwende innerhalb des Unternehmens, innerhalb des Konzerns, und die werden sich sehr wohl auf Open-Source-Dinge, also wirklich, wo Microsoft jetzt nicht die Hand drauf hat, sondern wo mal etwas weiter entwickelt werden kann, die werden so etwas forcieren und natürlich auch den Datenschutz forcieren.

Kassel: Werden sie, was denken Sie, werden Microsoft und Yahoo – das ist ja zurzeit noch nicht Teil der Vereinbarung –, werden die auch versuchen, Google in anderen Feldern anzugreifen, wo die Firma fast ein Monopol hat, Stichwort: Wird es bald Yahoo Earth und Microsoft Mundo geben?

Reischl: Na ja, es gibt ja eigentlich schon eine Google Earth-Variante, und zwar das ist die Virtual Earth von Microsoft, die funktioniert genauso gut und toll wie Google Earth, hat natürlich noch nicht die Breitenwirkungen, hat nicht die Breitenwirkung von Google, weil halt Google es beherrscht hat unter einer Marke, nämlich Google, hier mehr als 50 Dienste zu verkaufen. Natürlich wird es verschiedene andere Dienste geben und – was die Wenigsten ja wissen und was den Wenigsten bewusst ist – es gibt für jeden Googledienst eine Alternative im Internet. Der Unterschied ist halt, man muss halt länger suchen danach beziehungsweise es ist nicht praktisch unter ein … zu erreichen, wenn ich nur eine Internetadresse eintippe, sondern muss halt wahrscheinlich 10 oder 15 eintippen.

Kassel: Man sucht dann bei Google wahrscheinlich auch wieder nach den anderen, was aber ja sogar klappen kann, wenn man da gut genug sucht. Nun ist es so, dass es einen klaren Seitenhieb, finde ich, in den ersten Mitteilungen von Microsoft und Yahoo auf ein typisches Google-Problem gab. Die haben nämlich beide angekündigt, sie wollen in dieser Zusammenarbeit auch einen wunderbaren Datenschutz garantieren und wollen die Rechte der Nutzer ernstnehmen, wollen sogar untereinander nur das Nötigste austauschen. Das ist natürlich… das geht gegen Google und Google Mail und andere Geschichten, wo Datensammelwut ausgebrochen ist. Aber kann man das ernstnehmen? Werden Microsoft und Yahoo vorsichtiger mit Nutzerdaten umgehen, als Google das tut?

Reischl: Das glaube ich schon, da bin ich fast überzeugt, weil ich mich jetzt wirklich zwei Jahre mit dem Konzern Google befasse und wie sie Daten sammeln und über welche Gesetze sie sich eigentlich hinwegsetzen. Also ich glaube, dass das ein Verkaufsargument wird und ein Kaufgrund für Konsumenten, dass sie wirklich auch zum Konkurrenten wechseln werden – nicht alle, weil es halt einfach viele in der Gegenwart gibt, denen die Privatsphäre egal ist, wir nehmen wieder Facebook, was da alles drinsteht, ist natürlich zum Teil wirklich sehr, sehr, sehr intim, aber ich glaube, dass viele Internetnutzer, die bewusster mit ihren Daten umgehen, wirklich sagen, okay, ich vertraue dem Unternehmen, das mit glaubhaft versichern kann, dass es heikel mit meinen Informationen umgeht und die nicht meine Daten an andere weitergeben.

Kassel: Microsoft und Yahoo haben gestern vereinbart, dass sie nun tatsächlich zusammenarbeiten werden, auf zehn Jahre angelegt ist zunächst eine Zusammenarbeit im Bereich der Suchmaschine und der Vermarktung von Onlinewerbung. Ein Gespräch dazu war das mit Gerhard Reischl, dem Autor des Buches "Die Google-Falle". Herr Reischl, ich danke Ihnen!

Reischl: Danke auch!