Reise in ein winterliches Niemandsland

Von Wolfgang Martin Hamdorf |
In seinem neuen Film erzählt der israelische Regisseur Eran Riklis die Geschichte eines Personalchefs, der den Leichnam einer Mitarbeiterin nach Osteuropa überführen soll. Der Weg führt ihn durch verfallene Industrieanlagen, winterliche Landschaften - und letztlich zu sich selbst.
Nach einem Selbstmordattentat liegt der Körper eines Opfers, einer jungen Ausländerin, länger als eine Woche unerkannt im Leichenschauhaus. Einziges Indiz für die Identität der Toten ist ein Lohnzettel der größten Bäckerei Jerusalems. Ein ehrgeiziger Journalist bringt den Fall in die Schlagzeilen. Verantwortlich gemacht wird der Personalmanager:

"Personalchef, ich bin schuld!" - "Das hier war ihr letzter Einsatz." - "Julia Petrarca, Personalnummer 535, Gebäudereinigung." - "Wir werden ihr eine würdige Beerdigung ausrichten." - "Wollen Sie mich bestrafen?"

Der Skandal um die unbekannte Tote im Leichenschauhaus trifft den Personalchef in einer tiefen Lebenskrise: Seine Ehe ist zerrüttet, er fühlt, dass er als Vater gegenüber seiner Tochter versagt und seine Arbeit füllt ihn nicht mehr aus. Für Regisseur Eran Riklis steht die Hauptfigur auch für eine allgemeine gesellschaftliche Gleichgültigkeit:

"Ich glaube dieser Personalmanger, das sind wir alle: Wie wir mit uns selbst umgehen, mit unserer Familie, mit unserer Gesellschaft, aber ganz besonders, wie wir mit den Menschen umgehen, die immer um uns herum sind, aber zu denen wir gar keine Beziehung haben."

Der Film beruht auf dem Roman des israelischen Schriftstellers Abraham B. Jehoschua, der in Deutschland unter dem Titel "Die Passion des Personalbeauftragten" erschienen ist. Dem Filmemacher Eran Riklas sprach besonders die fast indifferente Hauptfigur und die Vielschichtigkeit des Buches an:

"Es ist nicht politisch, aber spielt doch auf viele große Probleme an, hat mit vielen politischen Dingen zu tun: ausländische Arbeiter in Israel, Selbstmordattentate, wie gehen wir mit dem Fremden um, wie kann man sich um Ausländer im eigenen Land kümmern. Und die ganze Reise, die unser Road Movie ausmacht, mag ich besonders gern."

Als Wiedergutmachung und anrührende öffentliche Geste soll der Personalmanager jetzt, gemeinsam mit dem Journalisten, den Sarg der ehemaligen Mitarbeiterin in ihre osteuropäische Heimat bringen. Die Reise führt in ein winterliches Niemandsland.

"Lassen Sie mich Ihnen was erklären, Herr Personalchef. Wir sind hier weder im Osten, noch im Westen. Hier laufen die Dinge nicht so wie sie es gewöhnt sind. Genau das wollte ich vermeiden, dass sie überall Geld rüberreichen." - "Nach zwei Flügen habe ich keine Kraft für Bürokratie. Und das Geld gehört der Bäckerei, ich muss nicht sparen."

Ein kleiner Bus in weiter, winterlicher Landschaft, vier Männer, ein Junge und ein schlichter Holzsarg auf seiner letzten Fahrt; das könnte ein Stoff zu einer Komödie, zu einer grotesken Satire sein: Ein Roadmovie mit einem Toten und viel schwarzem Humor, wie man es realsozialistischen oder postkommunistischen Zeiten kennt.

Aber "Die Reise des Personalmanagers" ist ein ganz anderer Film. Er führt durch verfallene Industrieanlagen, winterliche Landschaften und abgelegene Atombunker. Er lebt von einem sparsamen Humor, einer spröden Poesie und von der Erkenntnis, dass der Weg zu sich selbst jenseits der ausgetretenen Pfade liegt.

Der Film spielt auf der Tastatur bekannter Klischees, allerdings ohne schrille Töne. Riklis rumänische Landschaften haben nichts mit den opulenten Balkanklischees von Chaos und Lebenslust eines Emir Kustarica zu tun.

"Es ist eine Frage des Gleichgewichts, ich glaube, es kommt besonders darauf an, durchgängig subtil zu bleiben. Das ist nicht immer so einfach. Manche Bilder haben einen extremen symbolischen Wert, hinter anderen steckt eine Botschaft. Aber ich versuche, es alles im Gleichgewicht zu halten und es liegt an mir, die Geschichte auf einfache Weise zu erzählen."

Das gilt auch für seine Schilderung des israelischen Alltags: Leise und in gedämpften Farben zeigt Eran Riklis eine Gesellschaft, die ihre Trauer verdrängt hat und ihre Betroffenheit hinter hektischem Arbeitseifer verbirgt.

"Diese psychologische Grundangst und diese Art von Trauerarbeit ist schon sehr spezifisch für die israelische Gesellschaft, diese Verdrängung: 'Gut, zehn Leute sind beim Attentat gestorben, schlimm, aber das Leben geht weiter.' Das sind psychologische Verteidigungsmechanismen, die aber auch eine Aufarbeitung verhindern."

Am Ende ist auch das rumänische Dorf keine letzte Ruhestätte und am Ende liegt der Sarg wieder auf dem Panzerfahrzeug. Die Reise geht weiter, aber wohin, das bleibt offen. Er komme heim, hat der Personalmanager noch knapp seiner Frau gesagt, jetzt bricht er wieder auf. Ob es noch zum Happy End kommt, oder nicht - das lässt der Film zum Glück offen.